„Du hast so viele Wochen verloren, in denen du glücklich schwanger sein wolltest – und du weißt, es liegen noch so viele vor dir.“ Vor dem Weltfrühchentag am 17. November hat die „Krone“ die Neonatologie am Kepler Uniklinikum Linz besucht. Eine Mama erzählt, wie ihr Leben plötzlich Kopf stand.
Auf der Neonatologischen Intensivstation im Linzer Kepler Uniklinikum ist viel los. Ärztinnen und Pflegerinnen gehen ihrer Arbeit nach. Ein sanftes Rauschen erfüllt den abgedunkelten Raum, begleitet von gedämpften Stimmen und gelegentlichem Piepsen. Mittendrin liegt Emily in ihrem Bettchen - einem offenen Inkubator, dessen Deckel bei Bedarf geschlossen werden kann. Dieses Bett ist Emilys Welt. Hier wird sie beatmet, gewärmt, befeuchtet, untersucht, gewogen und gewickelt. Ein gehäkelter Oktopus lädt zum Greifen und Spielen ein – wie es Babys schon im Mutterleib gern mit der Nabelschnur tun.
Neben Emily sitzt auf einem gemütlichen Sessel Elfi. „Die Mama von unserem kleinen Superstar“, erklärt Oberärztin Judith Rittenschober-Böhm stolz. Emily quiekt protestierend, als sie aus ihrem kuscheligen Nest heraus in Mamas Arme gelegt wird, wo sie sich aber sofort beruhigt.
Mit gerade einmal 710 Gramm musste das kleine Wunder Anfang Oktober, elf Wochen vor dem errechneten Geburtstermin, ins Leben geholt werden. „Wir waren besorgt“, gibt Rittenschober-Böhm zu. „Aber Emily macht das großartig.“
„Man fängt zu googeln an, in der Hoffnung, dass man irgendetwas tun kann“
Frühgeburten können viele Ursachen haben. Manche sind vorhersehbar, andere treffen die Eltern völlig unerwartet. Bei Familie Unger-Wiesmüller führte eine Plazentainsuffizienz dazu, dass Emily nicht mehr ausreichend versorgt werden konnte. „Die Nachricht bekamen wir in der 22. Schwangerschaftswoche bei einer Routineuntersuchung. Bis dahin ist alles problemlos gelaufen. Deshalb war das erst einmal ein Schock. Man fängt dann zu googeln an, in der Hoffnung, dass man irgendetwas tun, irgendwie helfen kann.“ Doch als sich Emilys Werte verschlechterten, war den Eltern klar: „Jetzt dauert es nicht mehr lang.“




Wenn die Große zuhause und die Kleine im Krankenhaus ihre Mama brauchen: „Kein schönes Gefühl.“
Die erste Zeit nach dem Kaiserschnitt war schwer, erinnert sich die 37-Jährige. „Am Anfang teilt man sich das Zimmer ja. Aber im Begleitzimmer bist du dann plötzlich alleine. Dein Baby darf nicht zu dir. Du hast Heimweh, bist weit weg von deinem Mann und deinem älteren Kind, die zu Hause alles managen müssen. Du hast so viele Wochen verloren, in denen du glücklich schwanger sein wolltest. Und du weißt, es liegen noch so viele Wochen vor dir. Da habe ich mich richtig einsam gefühlt.“
Ihre vierjährige Tochter Elena, die sie nur am Wochenende sehen kann, vermisst Elfi sehr. „Sie hat das alles natürlich voll mitbekommen, hat viel geweint und Angst gehabt. Natürlich möchte ich für die Kleine da sein - aber andererseits nicht die Große vernachlässigen. Das ist kein schönes Gefühl. Wir sprechen aber viel mit Elena, zeigen ihr Fotos von der kleinen Schwester. Sie kann es kaum erwarten, dass wir nach Hause kommen und sie Emily alles zeigen kann.“
Mittlerweile hat Elfi ihre Routine gefunden. Zwischen Abpumpen, ärztlichen Kontrollen, Pflegerunden, Kuscheln, Essen, Duschen und Schlafen vergehen die Tage wie im Flug, „obwohl man eigentlich nicht viel macht. Zwischendurch habe ich etwas Zeit, zu entspannen und Tagebuch zu schreiben.“
Den Punkt, an dem alles gut ist, kann man nicht definieren. Auch bei einem gesunden Kind kann immer etwas passieren, es gibt keine Garantie. Aber wir feiern jeden kleinen Erfolg.
Oberärztin Judith Rittenschober-Böhm, Leiterin der Klinik für Neonatologie
Ein 89-köpfiges Team tut alles, um Emily sowie fünfzehn weiteren Frühchen und deren Familien die herausfordernde Zeit auf der Intensivstation zu erleichtern. In Zwölf-Stunden-Diensten werden Wachstum, Organreifung und Körperfunktionen genau überwacht und unterstützt. Wo es möglich ist, werden die Eltern eingebunden, die rund um die Uhr bei ihrem Baby sein können. „Körperkontakt ist sehr, sehr wichtig. Wir sagen den Müttern aber ganz bewusst, wie wichtig Ruhepausen sind. Sie dürfen und sollen sich auch um sich selbst kümmern. Schließlich brauchen sie auch Kraft, um Milch zu produzieren“, gibt Elisabeth Gramberger, Leiterin der Pflege auf der Neonatologie, zu bedenken. „Es ist meistens so, dass die Mamas sehr viel hier sind und auf die Papas zuhause eine große Aufgabe zukommt. Sie müssen den Alltag über Monate hinweg alleine händeln und wenn es schon ein Kind gibt, sich auch um dieses kümmern. Denn auch für Geschwisterkinder ist plötzlich alles anders. Da werden die Rollen ganz neu verteilt. Dazu kommt bei den Papas die Sorge um Frau und Kind.“
Familien brauchen Geduld: Das Kind bestimmt das Tempo
Meilensteine der Frühchen werden mit gebastelten Abzeichen und Fotos gefeiert: das erste Bad, das erste Kilo. Der Moment, in dem das Baby nicht mehr über eine Infusion ernährt werden muss. „Das hilft, positiv zu bleiben“, sagt Elfi. „Es gibt Tage, da geht man zwei Schritte nach vorne, und Tage, da muss man wieder einen zurückgehen. Es ist ein langer Weg, für den man viel Geduld braucht.“ Erfreulich: Die Überlebenschancen von Frühchen liegen bei 80 bis 90 Prozent. Nach Hause dürfen sie, wenn sie keine Atemhilfe mehr brauchen, die Körpertemperatur alleine halten und selbst trinken können. „Meist ist das rund um den errechneten Geburtstermin der Fall – die Zeit bis dahin brauchen die Kleinen einfach“, weiß Rittenschober-Böhm.
Worauf sich Elfi dann am meisten freut? „Weihnachten! Dass wir alle zusammen zu Hause feiern können. Das wäre mein Wunsch.“
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