Anita Frauwallner im sportkrone.at-Interview! Die Wissenschaftlerin und Gründerin von OMNi-BiOTiC® spricht am Rande der Erste Bank Open in Wien über Darmgesundheit im Spitzentennis, angemessene Ernährung und Verletzungsprophylaxe.
sportkrone.at: Sie haben vor 30 Jahren begonnen, sich der Darmgesundheit und dem Mirkobiom zu widmen. War der Themenkomplex damals, wissenschaftlich gesehen, Tabula rasa?
Prof. Anita Frauwallner: Ganz ehrlich: Ich hatte von Bakterien davor nur im negativen Sinne gehört gehabt, im Sinne von: „Die machen dich krank.“ Aber dass sie für die Gesundheit da sind, wusste ich damals nicht. Die gesundheitlichen Probleme meines damaligen Mannes habe ich im Zustand der totalen Verliebtheit, wie damals halt üblich, auf den Stress geschoben. Dann haben wir’s über die Ernährung probiert. Mit der Umstellung hat’s zunächst auch super geklappt. Zehn wunderbare Jahre später kam die Diagnose: Kolonkarzinom, Dickdarmkrebs. Selbst unmittelbar danach dachte ich noch: Er ist 38 Jahre alt, wir kennen die besten Ärzte – was soll sein? Das war ein Irrtum! Die folgenden zwei Jahre Kampf meines Mannes waren sicherlich die düstersten meines Lebens. Mein Mann ist mit 40 in meinen Armen gestorben – und ich habe mir überlegt, ob das vererbbar, genetisch ist, und habe mich auf die Suche begeben und gedacht: Bei meinem Sohn, damals noch Jugendlicher, lasse ich es nicht so weit kommen. So habe ich begonnen, mich mit der Verdauung zu beschäftigen. Das war aber nicht ausreichend. Also habe ich weitergeforscht – und habe bald zum ersten Mal in meinem Leben Bakterien unter einem Mikroskop gesehen. Und ja, man kann sich ein zweites Mal verlieben (lacht).
In Bakterien?
Wenn sie die in all ihren Farben, in all ihren Bewegungen sehen, sind Sie fasziniert. Es ist wie Utopia, wie ein Leben außerhalb der Erde. Dort wollte ich andocken. Damals habe ich überhaupt nicht verstanden, warum bei uns Produkte mit nur einem probiotischen Stamm hergestellt werden. Denn: Wenn du gehört hast, dass im Menschen 500, 600 Bakterienstämme leben, frage ich mich, wie man auf die Idee kommt, nur einen Bakterienstamm zu verwenden. Also habe ich Mikrobiologie zu studieren begonnen. Mit meinem damaligen Professor, der meine Ideen liebte, habe ich begonnen, ein Probiotikum für meinen Sohn, der an schwerer Neurodermitis litt, zu entwickeln: Das war OMNiBiOTiC 6.
Ein brutaler Sprung: Wie haben Sie im Laufe der Jahre den Bogen von Ihrem persönlichen Ursprung in der Materie hin zum Tennis und zum Spitzensport gespannt?
Mein Mann und ich haben immer wahnsinnig gern Tennis gespielt. Was mir erst später wirklich aufgefallen ist: Um ein Spitzensportler zu sein, musst du anders sein. Entscheidend ist ja, dass die Nahrungsmittel, die sich Menschen gleichsam reinstopfen, auch aufgenommen werden. Und dafür sind Bakterien zuständig. Sie sorgen dafür, dass die Nährstoffe nicht mit dem nächsten Stuhl einfach wieder ausgeschieden werden. Was man lange nicht wusste: Bakterien sind auch dafür entscheidend, wie du mental die Situationen meisterst. Gerade im Spitzen-Tennis gehört schon wahnsinnig viel Konzentration dazu. Ob du sie aufbringst und auch ob du Niederlagen emotional einfach wegstecken kannst, entscheiden Bakterien. Besonders wichtig, und das sehen Sie speziell bei verletzten Spielern: Die Inflammation resultiert aus schlechten Bakterien. Denn Darmbakterien sind dazu da, die Inflammation runterzudrücken. Verfügt der Körper nicht über ausreichend derartiger Bakterien, kommt’s immer wieder hoch und du verletzt dich permanent.
Ein Tennis-Profi im Jahr 2025 ist gleichsam Dauerstress ausgesetzt: Turniere, Reisen, Belastung auf Anschlag, Sponsorenverpflichtungen, Medienverpflichtungen – können in diesem „Wahnsinn“ Probiotika und Nahrungsergänzungsmittel überhaupt etwas ausrichten?
Genau das ist meine Arbeit. Spitzensportler kommen auch genau deswegen zu mir, um mich zu fragen, was sie tun können. Interessant ist, wie Belastungsspitzen auf ein Gleichmaß gebracht werden. Mir geht schon nahe, wenn ich sehe, wie junge, sympathische Menschen ihr gesundes Leben aufs Spiel setzen, nur um zu gewinnen. Daher habe ich die absolut besten Sportmediziner, Ernährungswissenschaftler und Leute, die selbst Athleten sind, im Team. Und die erstellen dann die Rezepturen und sprechen sie mit mir ab. Für mich ist’s immer wieder gigantisch, welche großen Unterschiede in der Leistungsfähigkeit sichtbar werden.
Wie kann es - bei all dem Wissen über Regeneration und Ernährung, bei aller Vermessung, bei aller Leistungsdiagnostik, bei aller Professionalisierung des Spitzensports und seiner Weiterentwicklung – zu mitunter atypischen Verletzungen wie etwa in der Brust- und Bauchmuskulatur kommen?
Die muskulären Angelegenheiten sind ja tatsächlich noch erklärbar, und zwar über die Inflammation. Da sind wir in der Sportmedizin noch nicht überall dort, wo wir gern wären. Fakt ist aber auch, dass sich im heutigen Spitzensport die Einstellung „Heute gönne ich mir einmal etwas“ mit dem Faktum, am nächsten Tag Spitzenleistungen bringen zu müssen, nicht mehr ausgeht.
So wie etwa, wie’s Alex Antonitsch in seinem Podcast mit Simone Kumhofer erzählt, Alexander Bublik sich während einer Regenunterbrechung schon einmal ein Paar Frankfurter und ein kleines Bier gönnt.
Zum Beispiel. Das machen oft die Jungen. Andererseits sehe ich’s bei Leuten, die schon zehn Jahre im Sport aktiv sind, immer wieder.
Kann man so etwas aber nicht zumindest ansatzweise mit dem Aspekt der kurzfristigen seelischen Zufriedenheit zu erklären versuchen? Nach dem Motto: „Das hat jetzt einfach einmal gutgetan“? Also gleichsam als Anti-Stress-Maßnahme?
Nicht, wenn Sie das ganze Jahr über Turniere spielen. Oft geht das „Heute gönne ich mir einmal etwas“ ja auch ins Morgen und Übermorgen über. Und dann ist es um die konsequente gesunde Ernährung geschehen. Man muss ja bedenken, was heute von einem Tennisspieler an gewaltiger Kraftanstrengung, an Reaktionsschnelligkeit verlangt wird. Wenn du da einmal bei einem Schlag eine Zehntel-Sekunde zu spät drin bist, reicht das manchmal schon, dass du verlierst.
Und diese Zehntel-Sekunde kann im Frankfurter-Paar und im kleinen Bier zu finden sein?
Tatsächlich. Weil der Körper, gerade auf Nahrungsmittel, sofort reagiert. Da ist die Reaktion innerhalb von Minuten gegeben. Man spürt es aber nicht, sondern fühlt sich eigentlich gut. Das aber wiederum hat aber nichts damit zu tun, ob du alle Energie aus deinem Körper rausholen kannst. Und wenn du einen Gegner wie Jannik Sinner hast, wird eine halbwegs gute Form nicht reichen.
Wie viel Prozent von körperlichen und mentalen Unzulänglichkeiten – Ausgebranntheit, muskuläre Probleme, Konzentrationsprobleme, Regenerationsprobleme etc. – sind Ihrer Meinung und Ihrem Wissensstand zufolge auf den Darm zurückzuführen?
Die Forschung zeigt, dass es ungefähr 80 Prozent sind. Das ist schon verdammt viel. Das große Problem dabei: Viele der Trainer wissen das nicht. Die haben oft ihre Ausbildung vor 20 Jahren gemacht. Damals war das einschlägige Wissen gleich null. Und auch die Ärzte wissen’s oft nicht. Auch in deren Ausbildung kommt das oft nicht vor. Das Wissen über das Zusammenspiel von Darmgesundheit und elementarer Energie ist mancherorts schlichtweg nicht vorhanden.
Die Forschung zeigt, dass etwa 80 Prozent aller körperlichen und mentalen Probleme auf mangelnden Darmgesundheit zurückzuführen ist.
Anita Frauwallner
Wenn dem tatsächlich so ist – gehört dieses Wissen dann nicht viel stärker in der Gesellschaft implementiert?
Dafür kämpfe ich. Es beginnt ja schon bei den Kindern. Ein gesundes Kind verfügt über etwa 500 Bakterienstämme. Und jede dieser Arten macht etwas bestimmtes. Wenn Sie dann heute in eine Volksschule gehen und sich die Kinder anschauen, werden Sie erkennen, dass nicht einmal mehr 50 Prozent der Kinder diese Arten aufweisen: weil sie Mist essen und trinken, Unmengen an Konservierungsstoffen zu sich nehmen, die im Körper toxisch wirken. Das ist das Desaster. Da gehen wir in eine Zukunft, die für uns wirklich bedenklich ist.
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