Nasen rinnen, Fieberkurven steigen – die erste grippale Welle rollt durchs Land. 443 Arzneien fehlen aktuell, und US-Präsident Trump schwingt auch hier die Zollkeule. Wie hart kann uns ein Medikamenten-Engpass treffen? Ein „Krone“-Faktencheck.
Österreich niest, hustet und hütet die Krankenbetten – parallel zu den ersten Wochen des Schuljahres steigen die Infektionszahlen rapide an. Hauptschuldige sind laut dem Zentrum für Virologie die hoch ansteckenden Rhinoviren, gefolgt vom Coronavirus. Auch erste Fälle der echten Grippe, der Influenza, wurden gemeldet. Zwar sind wir noch einigermaßen von einer großen Krankheitswelle entfernt – nach den letzten Jahren stellt sich aber die Frage: Haben wir genügend Medizin auf Lager?
Gut funktionierendes System in Europa nicht vorhanden
Nicht zu Unrecht, denn auch der Europäische Rechnungshof rügt die EU-Medikamentenpolitik. Ein funktionierendes System fehle nach wie vor, der Großteil der Produktion sei nach Asien ausgelagert worden, die Verpflichtung der Pharmaindustrie, Versorgung zu gewährleisten, habe nicht viel genutzt. Länder würden Arzneien horten, wodurch sich die Lage wiederum bei anderen verschärft.
Der Hauptanteil an Einschränkungen wurde 2024 wegen Verzögerung bei der Herstellung gemeldet.
Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen auf „Krone“-Anfrage
443 Medikamente sind aktuell kaum erhältlich
In Österreich müssen Engpässe (mehr als zwei Wochen nicht lieferbar) gemeldet werden. Laut Apothekerkammer und Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) funktioniert das gut. Und doch sind die Zahlen unerfreulich: 2020 waren 1096 Medikamente von Einschränkungen betroffen, 2024 waren es 1177 Medikamente – auf das ganze Jahr gesehen wohlgemerkt. Aktuell sind mit Stand 24. September 443 Medikamente „nicht verfügbar“ oder nur „eingeschränkt verfügbar“.
Von Augentropfen bis zu Krebsinfusionen
Dabei handelt es sich keineswegs um exotische Präparate, die selten gebraucht werden. Voltaren Augentropfen finden sich hier ebenso wie Differingel gegen Akne oder Seroqueltabletten, auf die Menschen mit Schizophrenie angewiesen sind. Auch Ibandronsäure, die zur Behandlung von Metastasen eingesetzt wird, steht auf der „nicht verfügbar“-Liste. 33,6 Prozent der Engpässe betreffen Medikamente fürs Nervensystem, 12,5 Prozent Herz-Kreislauf-Arzneien und 10,3 Prozent Antibiotika.
Zu 95 Prozent gelingt es, Ersatz zu finden. So wird aus einem Lieferengpass kein Versorgungsengpass – obwohl die Apotheken keinerlei Mitschuld tragen.
Österreichische Apothekerkammer
In 95 Prozent der Fälle kann Ersatz gefunden werden
Die Lager seien dennoch gut gefüllt, heißt es von der Kammer, der Mangel sei weniger eklatant als in den vergangenen Jahren. Dennoch: Jedes fehlende Medikament führt zu Sorge bei Erkrankten. Und zu einem Mehraufwand für Apotheker. Die zwar in 95 Prozent der Fällen passenden Ersatz finden oder ihn auch in ihren Apotheken selbst herstellen können. Fehlt ein Medikament, sei man dennoch dem Ärger der Kunden ausgesetzt, was zu belastenden Situationen führe. Mitunter kommen jene an ihre Grenzen. Und es geht wertvolle Zeit verloren, die an anderer Stelle dringender benötigt würde.
Ein weiteres Problem droht indes von jenseits des Atlantiks. US-Präsident Donald Trump drohte den Pharmariesen außerhalb der USA Einfuhrzölle auf Medikamente in der Höhe von 100 Prozent an. Wirksam sollen sie bereits ab 1. Oktober werden. Sollten jene kommen, wirkt sich auch das auf Verfügbarkeit und Preise von Medizin in Europa aus.
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