Die heute 95-jährige Vera Neufeld hat einer Französin vor 80 Jahren ein Versprechen fürs Leben gegeben. Deren Sohn war im Krieg in Graz verstorben, doch niemand wusste, wo er begraben lag. Heute wird des NS-Opfers würdig gedacht.
Was Vera Neufeld im Laufe ihres Lebens erlebt hat, könnte Bücher füllen. Als die heute 95-Jährige noch ein kleines Kind war, ist ihre Familie aus Graz nach England geflüchtet, um im Zweiten Weltkrieg ihr Leben zu retten. Sobald es möglich war, kehrten sie zurück. Und dabei hatte die damals 16-jährige Vera eine schicksalshafte Begegnung.
„Wir mussten am Pariser Bahnhof umsteigen, hatten aber kein Geld für ein Taxi“, schildert die charismatische Seniorin. „Wir haben unsere Koffer mühsam geschleppt.“ Eine Französin kam dem Mädchen zu Hilfe. Und im Gespräch stellte sich heraus: „Der Sohn dieser Frau, ein Journalist, war von den Nazis von zuhause weggeholt und in Peggau interniert worden. Dort ist er in Folge umgekommen.“
Die Französin war vollkommen gebrochen. Und die Mutter wusste nicht einmal, wo ihr Kind begraben war. Sie fragte die 16-Jährige, ob sie ihr helfen könnte, das später in Graz herauszufinden. Und das wollte Vera, schon damals eine sehr starke, loyale Persönlichkeit, unbedingt. „Es waren schwierige Recherchen. Aber auf dem Urnenfriedhof habe ich einen Gärtner kennengelernt, der wusste: Hier wurden fünf Franzosen beigesetzt.“
Herzzerreißende Szenen am Friedhof
Vera schrieb der Französin einen Brief, diese reiste nach Graz. „Es waren herzzerreißende Szenen am Friedhof. Sie hat auch Erde ausgestochen, um wenigstens eine Erinnerung an das Grab ihres Sohnes zu haben.“ Und Vera blieb so beharrlich dahinter, bis ein Gedenkstein aufgestellt wurde!
Bevor die Pariserin wieder abreiste, bat sie die junge Vera noch, sie möge sich ihr Leben lang um diesen für sie so wertvollen Gedenkstein kümmern. „Und das habe ich ihr versprochen.“ Zuverlässig bis ins hohe Alter war es für Vera Neufeld aber eine große Belastung, da der Gedenkstein zunehmend Patina ansetzte. Verwitterte, zugewachsen, die Schrift schon unleserlich.
Mir hat die Worttreue der Seniorin sehr imponiert, auch, dass sie es als Lebensaufgabe gesehen hat, ihr Versprechen zu halten. Natürlich wollten wir sie dabei unterstützen.

Gregor Zaki
Geschäftsführer Bestattung Graz
Bild: Christian Jauschowetz
Doch hartnäckig wie die rüstige Seniorin ist, sprach sie für eine Sanierung bei der Bestattung Graz vor. „Mir haben ihre Beharrlichkeit und Passion für den Stein sehr imponiert“, so der Chef Gregor Zaki. „Natürlich haben wir geholfen! Wir haben den Stein, der der betagten Dame so viel bedeutet, ausgeschnitten, geputzt, die Schrift nachgezogen.“ Und: „Es war uns eine Ehre.“ Vera Neufeld ist jedenfalls glücklich und unendlich dankbar: „Ich konnte mein Lebensversprechen halten!“
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