Drei Schulfreunde und angehende Techniker musizieren gemeinsam, um der Corona-Fadesse zu entfliehen. Etwas mehr als drei Jahre später teilt man die Bühne mit Bruce Springsteen, geht auf TikTok viral und wird zur größten irischen Band seit Jahren. Nun veröffentlichen Kingfishr ihr Debütalbum „Halcyon“. Beim Frequency Festival fragte die „Krone“ bei den drei Wunderkindern nach.
Am Eröffnungstag des Frequency Festivals hat es mittags rund 32 Grad Celsius. Im Interview-Backstagebereich, natürlich unklimatisiert, rattert ein Ventilator um sein Leben, während sich uns drei Herren leger in T-Shirts und Jeans gegenübersetzen. Wenn man an musikalische Top-Stars denkt, hat man jedenfalls nicht diese Optik vor seinem geistigen Auge, aber eine Karriere wie jene von Kingfishr kann man auch nicht am Reißbrett entwerfen. Nach dem gleichnamigen Eisvogel haben die drei Schulfreunde Eddie Keogh, Eoghan „McGoo“ McGrath und Eoin „Fitz“ Fitzgibbon ihre Band benannt, die momentan in Irland explodiert und sich wie ein Erfolgsvirus über ganz Großbritannien ausbreitet. Ein Virus, nämlich jener, der uns die Corona-Pandemie bescherte, ist auch dafür verantwortlich, dass es die Band überhaupt gibt, denn an der Universität im irischen Limerick war es zu der Zeit so fad, dass sich das Trio dazu entschloss, gemeinsam zu musizieren.
Über Nacht zum Starstatus
Anfang 2022 wird aus dem gemeinsamen Musizieren eine ernsthafte Band, die einschlägt wie ein Komet. Schon die ersten Singles „Flowers-Fire“ und „Eyes Don’t Lie“ erobern in ihrer Heimat die Charts. „Caroline“ und „Shot In The Dark“ folgen und plötzlich geht alles ganz schnell. Die markant-tiefe Stimme von Keogh paart sich in den lokalen Pubs mit Tausenden mitsingenden Guinness-Kehlen, denn die Folk-Hymne „Killeagh“, ein 900-Einwohner-Dorf im südirischen County Cork, macht Kingfishr via TikTok über Nacht zu Superstars. Von den neuen Mumford & Sons oder Lumineers ist die Rede und das Trio kann sich der Angebote kaum noch erwehren. Man stürmt sämtliche Spotify-Playlists, schießt aufgrund der aufkommenden Popularität schnell ein Live-Album in den Orbit und eröffnet in der Heimat Konzerte für Bruce Springsteen, George Ezra oder Dermot Kennedy.
Dass man dann ein knappes Jahr später beim österreichischen Frequency Festival am selben Tag die Bühne entert wie Finch, Money Boy oder Papa Roach finden die drei im „Krone“-Gespräch selbst lustig. „Wir sind wahrscheinlich nach außen hin recht klar im Folk-Sektor zu verorten, aber tatsächlich sehen wir uns selbst viel breiter aufgestellt. Wichtig ist doch nur, dass die Menschen hier eine gute Zeit haben. Völlig egal, ob eine Folk-Band vor einem Rapper spielt. Diese Mischung macht es auch aus und am Ende wollen wir Künstler alle nur, dass jeder Anwesende so viel Spaß wie möglich hat. Können wir dazu unser Scherflein beitragen, sind wir glücklich.“ Kingfishrs Österreich-Livepremiere findet vor einer Handvoll Interessierter bei tropischen Temperaturen statt und ist nicht unbedingt repräsentativ für die Art und Weise, wie man das Trio normalerweise erlebt.
Eine einzige große Geschichte
Dieser Tage erscheint endlich das Debütalbum „Halcyon“, das für Kingfishr-Fans der frühen Stunde wenige Überraschungen beinhalten wird. Hierauf findet man alle Singles und so gut wie alle Songs, die innerhalb der letzten zweieinhalb Jahre veröffentlicht wurden. Quasi eine Zusammenfassung des radikalen Popularitätsanstiegs, der langsam, aber sicher auch auf das europäische Festland überschwappt. „Das Album ist erzählt die Geschichte von uns“, so Sänger Keogh, „wer wir sind, was wir erlebt haben, was uns geprägt hat und wie wir in die Musik gekommen sind. Nachdem ,Killeagh‘ bei uns in Irland so durch die Decke ging, wollten Management und Label natürlich sofort den nächsten Hit. So einfach geht das aber nicht und es war gut, dass wir uns diesen Erwartungen und Hoffnungen sofort entzogen haben. Sonst wären wir wahrscheinlich schon früh verrückt geworden.“
Mit den vorher genannten Künstlern, die man live als Support begleiten durfte, unterhielten sich die Kingfishr-Musiker auch über Fluch und Segen von Debütalben. „Debütalben sind auch für uns als Musikfans sehr inspirierend. Viele Bands haben sensationelle, unglaublich gut klingende Debüts geliefert, aber sie alle können dir auch keine Erfolgsformel dafür verraten. Alle, mit denen wir darüber gesprochen haben, sagten uns, dass die Anordnung der Lieder auf dem ersten Album keinen Sinn machte und sie sich einfach ausprobierten. Im Endeffekt ist das ein bisschen die Geschichte unserer Band. Wir haben musiziert, weil wir Lust darauf hatten und alles andere passierte dann. Natürlich wollen wir mit diesem Album einen Eindruck hinterlassen und unseren Stempel auf die Welt der Musik geben, aber es lässt sich nicht beeinflussen, wie es von außen angenommen wird.“ Kingfishr besingen die Liebe, die rurale Kindheit und ihre Liebe zur landschaftlichen Schönheit der Heimat.
Kurzweilig und zugänglich
„Für gewöhnlich probieren wir uns am Banjo oder der Gitarre aus und finden dann eine Melodie, die zu einem Lied wird. Wir überdenken die Dinge nicht, sondern schreiben unsere Ideen nieder und versuchen das Bestmögliche daraus zu machen.“ Aufgenommen hat man das Album im alten Familien-Bauernhaus von McGoo, das aus dem 17. Jahrhundert stammt: „Das Setting war perfekt für unsere Songs.“ Über den Erfolg ihrer Lieder sind sie zuweilen selbst überrascht. „,Shot In The Dark‘ etwa handelt davon, wie wir unsere Jobs für die Musik an den Nagel hängen und die Leute können sich tatsächlich damit identifizieren. Das hat uns schon sehr überrascht.“ Das Album beinhaltet 16 Songs, ist voller großer Momente, intensiver Melodien und irischer Traditionen. Kingfishr spielen mit den Klangklischees ihrer Heimat, verlieren sich aber nicht darin und bleiben daher kurzweilig und zugänglich. Eine große Europa-Herbsttour geht (noch) ohne Österreich-Termin über die Bühne – hören wird man von den drei sympathischen Anti-Rockstars aber gewiss noch sehr viel.
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