Kassenärzte werden immer rarer, Telemedizin lässt in vielen Bereichen auf sich warten und große Reformen im Gesundheitssystem traut sich keiner angehen – ein erfahrener Mediziner aus Niederösterreich blickt düster in die Zukunft: „Wenn sich nichts ändert, wird man in Zukunft bei allen Ärzten zahlen müssen!“
In die nächste Runde geht die Debatte um die Zukunft der ärztlichen Versorgung in Niederösterreich. Nachdem die Tullner Medizinerin und Ärztekammerfunktionärin Krista Ainedter-Samide ÖGK und Land – wie berichtet – vorgeworfen hat, die Telemedizin im Bereich der Dermatologie zu „verschleppen“, meldet sich jetzt ein weiter Facharzt mit Erfahrungen aus der Praxis zu Wort. Sein Urteil ist ernüchternd.
„Die Absichten der Telemedizin sind gut und ich schätze sie sehr. Nur werden wir damit die dramatischen strukturellen Probleme nicht lösen“, schaltet sich nun Dermatologe Wolfgang Jochmann aus Bruck an der Leitha in die Diskussion mit ein.
Reformen lange Zeit verschlafen
Der 65-Jährige, der selbst eine Kassenpraxis betreibt, hat seinen Pensionsantritt aufgeschoben: „Ich mache meinen Job seit rund 40 Jahren und erlebe hautnah mit, dass immer mehr Kollegen als Wahl- und Privatärzte tätig sind. Das Problem ist, dass lange Zeit verschlafen wurde, das Gesundheitssystem zeitgemäß anzupassen“, sagt der erfahrene Mediziner. Politiker würden noch immer glauben, es reiche, den Arztberuf „lukrativer zu machen“. Das sei aber „unnötig und sogar falsch“, so Jochmann.
Telemedizin wird das Problem nicht lösen, dass es in fünf bis zehn Jahren keine Kassenärzte mehr geben wird.“
Dr. Wolfgang Jochmann, Dermatologe aus Bruck an der Leitha
Bild: Dr. Wolfgang Jochmann
Vorurteil gegen Kassenpraxis
Das Problem liege aber im System und in der geänderten Arbeitseinstellung der jungen Kollegen. Nur wenn man die Struktur an die Bedürfnisse der Kollegen anpasse, werde die Kassen-Versorgung zu retten sein. „Wenn nicht, werden wir alle in fünf bis zehn Jahren bei allen niedergelassenen Ärzten bezahlen müssen! Telemedizin wird uns leider auch keine Kassenärzte bringen“, sagt Jochmann.
Eine Tariferhöhung brauche es gar nicht. Im Spital würden Ärzte ohne entsprechende Erfahrung immer wieder erzählen, dass sich eine Kassenordination nicht auszahle. „Und die machen dann eine Privatpraxis auf, obwohl dieses Vorurteil gar nicht stimmt“, so der Kassenarzt.
Rezept gegen Ärztemangel
Aber wie soll man Medizinern die Entscheidung für eine Kassenstelle schmackhaft machen? Jochmanns Rezept: „Jungärzte haben zumeist keine wirtschaftliche Ausbildung oder Erfahrung. Wenn sich ein Kassenfacharzt wo niederlassen möchte, dann sollte man ihm Räume und Gerätschaften bezahlen. Damit hat er kein finanzielles Risiko mit der Ordination oder der Einrichtung – ein starker Vorteil gegenüber dem Wahlarzt.“
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