Seit mehr als 30 Jahren ziehen die kanadischen The Real McKenzies durch die Länder, um Punk mit Dudelsack und Schottenrock zu zelebrieren. Kantiger als Flogging Molly, regionaler als die Dropkick Murphys. Vor zwei Konzerten in Wien und Linz haben wir bei Frontmann Paul McKenzie nachgefragt, wie das mit der Band eigentlich so ist.
Das nennt man wohl Dauerbrenner – die in Österreich seit jeher populären Kanadier The Real McKenzies haben so etwas wie ein Abonnement auf Auftritte in der Wiener Arena. Allein seit dem Millennium spielten Paul McKenzie und Co. dort zehnmal – in den 90ern gab es wohl auch so einige Celtic-Punk-Abende mit viel Bier und Schweiß. Heuer probiert man es mal anders und spielt im Viper Room. Ein Tapetenwechsel, der möglicherweise allen gut zu Gesicht steht. Mit der Arena verbindet der Frontmann der Band jedenfalls viele, nicht immer jugendfreie Erinnerungen. „Würden diese Wände sprechen können, hätte ich jetzt Probleme“, erzählte er uns im „Krone“-Talk beim letzten Aufeinandertreffen und wurde gleich konkreter, „nach einem Gig war ich mal im Arena Beisl und traf auf eine Frau und einen Mann. Die schleppten mich da wo ums Eck auf eine kleine Grünfläche. Sie gruben ein Stück Erde aus, füllten das Teil mit Steinen, einem Rohr, Hasch und Marihuana – dann zogen wir aus der ,Earth Pipe‘. Also sie. Ich zog einmal daran und lag kaputt am Boden.“
Ein Mann für die Fans
Diese Geschichte, eine von vielen in der mittlerweile 33 Jahre andauernden Karriere der Combo, ist bezeichnend für die Bodenständigkeit und Fannähe der Real McKenzies. Während andere Musiker es gar nicht erwarten können, nach ihren Auftritten zu verschwinden und in Ruhe gelassen zu werden, ist Paul an jedem Abend am Merchandise-Tisch anzutreffen, um selbst Shirts zu verkaufen, Fotos zu machen oder einfach nur mit den Fans zu quatschen. „An manchen Abenden muss ich 50-60 Fotos mit ihnen machen, aber das ist kein Problem. Ich bin froh darüber, dass mir die Menschen dieses Leben ermöglichen und möchte so viel wie möglich zurückgeben. Paul McKenzie wurde in Schottland geboren und von seinen Eltern früh in einen Kilt gesteckt, nach dem Umzug nach Kanada engagierte er sich in diversen Punkbands, bis er die für ihn richtige Sound-Mischung fand. The Real McKenzies wurden mit ihrem an die Pogues angelehnten, aber zeitgemäßeren Celtic-Punk zwar nie so große wie NOFX, Flogging Molly oder Rancid, sind aber mit allen gut befreundet und dick verbrüdert.
Paul McKenzie ist nicht nur der einzige McKenzie der Real McKenzies, er ist auch das einzige Gründungsmitglied und hat über die Jahre mehrere Dutzend Studio- und Livemusiker verbraucht. Den Grund sieht er rückblickend aber nicht in künstlerischen und persönlichen Auffassungsunterschieden verortet, sondern schlichtweg im divergierenden Arbeitsethos. „Ich lebe für diese Band und habe eine ganz klare Linie. Wenn Angebote für eine Tour reinkommen, dann werden die Sachen gepackt und los geht’s. Nordamerika, Australien, Indien, China oder Europa – völlig egal. Die einzige Chance, von dieser Band leben zu können, ist permanent zu spielen. Andere Mitglieder wollen lieber fixe Jobs, gründen Familien, würden gerne weniger Touren oder sind von meiner Spontanität überfordert. Das ist alles okay und legitim, ich verstehe das voll. Es funktioniert aber nicht im Kontext dieser Band.“
Vegetarier aus Notwendigkeit
Für seine Real McKenzies hat Paul McKenzie ein normales Leben geopfert, ohne das als Opfer sehen zu müssen. Leichte Unsicherheiten kamen beim Vielarbeiter nur während der Corona-Pandemie auf. „Es gab da Phasen, wo ich mir sicher war, ich würde nie wieder auf Tour gehen und irgendwo live spielen. Ich habe auch sonst keinen Job und habe lange von den Reserven gelebt.“ Der Alltag während der Pandemie war wenig glamourös. „Ich ging eigentlich nur für drei Dinge raus. In die örtliche Bibliothek, um mir Bücher auszuborgen. In meinen Spirituosenladen für die guten Biere und in den Einkaufsmarkt. Ansonsten war ich daheim und las Bücher, schrieb Songs und spielte auf meinen Instrumenten herum. Weil das Geld knapp war in ich sogar zum Vegetarier geworden. Ich hatte einfach keine Kohle mehr für Fleisch und habe dann ohne Absicht die Ernährung umgestellt. Jetzt bleibe ich gleich dabei. Ich bin ein genügsamer Mensch und brauche nicht viel.“
War die grölende Punk-Meute früher keiner Party und spontanen Illuminierungsmöglichkeit abgeneigt (wie etwa die Arena-Story stichhaltig beweist), hat man sich auch dahingehend längst eingependelt. „Das begann bei mir schon kurz vor Ausbruch der Pandemie“, erinnert sich Paul, „offenbar war ich damals ein bisschen zu arg unterwegs und mir wurde in meinem Umkreis recht deutlich vermittelt, dass es so nicht weitergehen könne. Jetzt trinke ich erst nach der Show ein paar Biere oder einen guten Wein, aber nichts davor. Die Performance steht über allem. Die Fans zahlen viel Geld und haben sich eine tolle Show verdient.“ Dafür haben auch andere Rituale in die aktuelle Band Einzug gehalten. So wird vor den Gigs auch nichts oder nur sehr wenig gegessen, dafür gibt es danach im Backstagebereich oder Hotel ein eigens zusammengestelltes Buffet, wo gemeinsam über den Abend reflektiert wird. „Aber damit hat es sich auch nicht“, fügt der Sänger schmunzelnd hinzu, „etwas zu essen gibt es nur, wenn in er Runde eine Gruselgeschichte erzählt wird. Fällt einem keine ein, muss man eben eine spontan erfinden. Ansonsten bleibt der Teller leer.“
Live in Wien und Linz
Dem redegewandten Musiker sitzt stets der Schalk im Nacken, Wirklichkeit und Fiktion scheinen in gewissen Erzählsträngen sympathisch verknüpft zu werden. Seit geraumer Zeit kann der Bandboss auch auf eine relativ stabile Musikermannschaft zählen, die seine Sprunghaftigkeit und Regeln gerne mitzutragen scheinen. „Ich habe bei einigen der knapp 100 Musiker, mit denen ich arbeitete, tragische Schicksale gesehen, was den Drogenmissbrauch oder den Umgang mit Depressionen angeht. Ich habe daraus meine Lehren gezogen und toure anders. Wir sind keine Abstinenzler und haben noch immer viel Spaß, aber die ganz großen Exzesse haben in der Band keinen Platz mehr.“ Frisch gestärkt geht es diese Woche zweimal nach Österreich. Am 25. Juni spielen die Real McKenzies im Wiener Viper Room, am 27. Juni im Last in Linz – Karten sind noch erhältlich. Für November ist auch bereits das nächste Studioalbum angekündigt …
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