Es ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen, dem Angeklagten am Mittwoch im Wiener Landl die Wahrheit aus der Nase zu kitzeln. Dem Mann im Rollstuhl wird vorgeworfen, seinem Gastgeber in einer Wohnung in Meidling ein Messer in den Hals gerammt zu haben. Doch von dem vorbestraften Slowaken wird die Geschichte ganz anders erzählt – mehrmals!
War es Eifersucht? War es zu viel Alkohol? Das Motiv der schrecklichen Tat wirft bei Richterin, Staatsanwalt und den Geschworenen im Saal 203 bis zum Schluss des Prozesses Fragen auf. Doch was wir mit Sicherheit wissen: Die Nacht am 28. August vergangenen Jahres endete für einen Mann mit einer 16 Zentimeter langen Messerklinge im Hals.
Überleben war Glückssache
3,5 Zentimeter tief war die Stichwunde. „Ein halber Zentimeter tiefer und der Herr wäre verblutet. Es war also eine Glückssache, dass das Opfer überlebt hat“, schildert der Staatsanwalt den Geschworenen. Der Slowake wird somit des versuchten Mordes angeklagt.
Ein halber Zentimeter tiefer und der Herr wäre verblutet. Es war also eine Glückssache, dass das Opfer überlebt hat.
Staatsanwalt
Doch was war zuvor geschehen? Zusammen mit seiner Partnerin soll der Angeklagte mehrere Tage bei dem schwerhörigen Pensionisten (73) verbracht haben. Es wurde Alkohol konsumiert, bis sich am Abend ein bereits bestehender Streit zwischen dem Pärchen weiter zugespitzt hatte. Der Mann im Rollstuhl richtete laut Staatsanwalt plötzlich ein Messer auf seine Geliebte, das letzten Endes aber den 73-Jährigen im Hals traf.
Welche Aussage ist nun wahr?
Nur eine kleine Narbe blieb zurück, die den Mann aus Meidling bis heute an die Tat erinnert. Schwerhörig versucht das Opfer die Fragen von Frau Rat zu verstehen – stimmt dem geschilderten Ablauf der Staatsanwaltschaft zu. Doch davon will der Angeklagte im Rollstuhl nichts wissen. Bereits mehrere dubiose Versionen des Vorfalls tischte er sowohl Ermittlern als auch der Richterin auf. „Ich bin ein Gläubiger, ich sage die Wahrheit“, versichert der Slowake.
Ich wollte mich mit dem Messer selbst töten. Dann bin ich zum Fenster gefahren und wollte mich hinunterstürzen.
Der Angeklagte
In seiner letzten Aussage wirft der Rollstuhlfahrer dem Opfer sexuelle Belästigung an seiner Frau vor. „Ich habe sie schreien gehört. Das darf er nicht machen“, zeigt sich der Mann vor der Richterin bestürzt. Doch was weitaus mehr Fragen aufwirft, als der Vorfall selbst, ist die darauffolgende Reaktion des mehrfach Vorbestraften: „Ich wollte mich mit dem Messer selbst töten. Dann bin ich zum Fenster gefahren und wollte mich hinunterstürzen.“
Auf die Frage, warum er so gehandelt habe, wenn seine Partnerin wohl in Gefahr gewesen sei, bekommt der Staatsanwalt keine klare Antwort. „Weil ich sie liebe. Sie ist nicht die erste Frau, wegen der ich mich aus dem Fenster stürzen wollte“, fügte der Mann mit einem Bein hinzu.
Bei dem Versuch, sich aus dem Fenster zu stürzen, soll sich schließlich der fatale „Unfall“ ereignet haben. Bei dem Versuch, den Angeklagten vom Suizid abzuhalten, soll es zu der Stichverletzung im Hals des Opfers gekommen sein.
Tat wirft bis zum Ende Fragen auf
Wirklich schlauer scheinen die Anwesenden im Gerichtssaal am Schluss auch nicht zu wirken. Die Wahrheit darüber, was tatsächlich am 28. August passiert war, wird wohl für immer in den Räumen der Wohnung in Meidling bleiben. Mittwochnachmittag galt es für die Geschworenen zu entscheiden, welcher Version sie mehr Glauben schenken – und zu dieser Entscheidung kamen sie auch: Kein Mordversuch! Wegen fahrlässiger Körperverletzung bekommt der Slowake eine fünfmonatige Haftstrafe. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
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