Auf den burgenländischen Pannonia Fields wüten bald wieder die wilden Männer. Das Metalcore-Geschwader von Motionless In White sieht aber nur so aus, hinter den Fassaden stecken viele Gefühle und Unsicherheiten. Frontmann Chris Cerulli nimmt uns mit auf eine bereits 20-jährige Reise.
Gebleichte Gesichter, martialisches Auftreten und eine eigene Banduniform – wenn Motionless In White die Bühne entern, sind sie so etwas wie eine Light-Version von Slipknot. Dass man weder optisch noch musikalisch an die Brutalität der weltweit beliebten Band aus Iowa rankommt, ist dem Kollektiv aus Pennsylvania freilich egal. Gut 20 Jahre nach der Bandgründung sind Frontmann Chris „Motionless“ Cerulli und seine wechselnden Mitstreiter am bisherigen Gipfel ihres Schaffens angekommen. Man hat nicht nur bereits die Bühne mit großen Bands wie eben Slipknot, A Day To Remember oder Bring Me The Horizon geteilt, sie sind mit viel Beharrlichkeit auch selbst schon zu einer achtbaren Größe gewachsen. Die Headliner-Show vergangenen Jänner im sehr gut besuchten Wiener Gasometer war der bisherige Höhepunkt, doch die Erinnerungen an Österreich sind bei Cerulli ohnehin grundpositiv, wie er der „Krone“ im Interview verrät.
Die Früchte ernten
„Ich habe mir aus bestimmten Gründen in vielen Ländern vor allem unseren allerersten Auftritt gut eingeprägt. Es gab auf unserer ersten Europa-Tour 2011 einige Shows, wo uns die Leute wirklich nicht warmherzig empfangen haben. Auf dieser besagten Tour waren wir auch in der Szene in Wien. Da waren vielleicht 100, maximal 200 Menschen, aber die Stimmung war großartig. 14 Jahre später füllen wir eine beachtliche Halle mit 3000 Fans. Ich blicke sehr gerne auf diesen Weg zurück, weil er niemals überhastet war und wir uns auch nicht vergaloppierten. Jahr für Jahr sind wir ganz natürlich Schritt für Schritt weitergekommen und jetzt ernten wir die Früchte unseres Einsatzes.“ In 20 Jahren Bandkarriere blieb Cerulli als einziges Gründungsmitglied hier – mit den Personalwechseln über die beiden letzten Dekaden könnte man ganze Bücher füllen. Die richtigen Lehren daraus hat der Frontmann dafür recht spät gezogen.
„Man sollte sich immer nur mit Leuten umgeben, die ein Ziel genauso herzhaft und beharrlich verfolgen wie man selbst. Ansonsten wird man unweigerlich unglücklich werden. So viele Menschen haben mir gesagt, dass sie sich voll reinhängen werden, aber als sie gesehen haben, wie viel Feuer man in Motionless In White stecken muss, war es mit der großen Begeisterung schnell vorbei. Man kriegt nach Rückschlägen ein Gespür dafür, wo es passt und wo nicht. Sicher sein kann man sich nie, aber jetzt sind wir seit sechs Jahren stabil und das ist schon einmal keine schlechte Zeitspanne.“ Mit ihrem Durchbruchsalbum, dem Drittwerk „Reincarnate“, eroberten sie die Spitze der amerikanischen Billboard-Rock-Charts, alle weiteren Alben landeten zumindest in den Top-5. Die Songs wandeln zwischen Geisterkunde, Serienkiller-Obsession, Kritik an der Kirche und persönlichen Abgründe. Ein bunter Strauß voll düsterer Herrlichkeit also.
Eine symbiotische Beziehung
„Natürlich finde ich viele der frühen Songs unzureichend und nicht gut genug, aber so geht es wohl den meisten Musikern. Auch beim Songwriting versuche ich aus allen Fehlern zu lernen und stets besser zu werden.“ Aber wie hat denn die Musik über die Jahre seine Persönlichkeit geformt? „Das ist eine gute Frage, denn normalerweise spricht man ja davon, dass der Musiker die Musik formt. Ich finde, zwischen mir und der Musik herrscht eine sehr symbiotische Beziehung. Der Song ,Another Life‘ war vielleicht unser global erfolgreichster und natürlich hat er einen gewissen Einfluss auf mein Leben genommen. Musik ist da, um zu bleiben. Ich kann nicht entscheiden, ob diese Songs in 30 oder 40 Jahren noch gehört werden oder nicht. Irgendwann einmal bin ich selbst nicht mehr da und dann kann mir das auch egal sein. Wichtig ist zu wissen, dass es jetzt viele Leute interessiert.“
Mit dem aktuellen Stand der Band hadert Cerulli trotz all der Folge doch ein bisschen. „Wir sind bei einer Größe angelangt, die schwierig ist. Wir verdienen genug Geld, um von der Band leben und den Fans auf jeder Tour eine wirklich tolle Produktion bieten zu können. Wir sind aber nicht groß genug, ums über die Regeln des Marktes hinwegsetzen zu können, um das zu tun, was wir wirklich tun wollen. Ich will mich nicht beschweren, es ist ein sehr gutes Leben, aber die volle künstlerische und ökonomische Freiheit haben wir noch nicht erreicht.“ Am Ende des Tages geht es Cerulli um das Auswalzen seiner kreativen Ideen und – ganz profan – um persönliche Selbsterfüllung. „Habe ich am Ende des Tages einen Song geschrieben, der mir etwas bedeutet? Habe ich eine Show gespielt, mit der ich wirklich zufrieden sein kann? Ist das Album so ausgefallen, wie ich es gerne hätte und nicht so, wie man es mir einreden wollte? Wenn du all diese Fragen mit Ja beantworten kannst, dann bist du ein ziemlich gesegneter Typ.“
Das Glück der Selbstständigkeit
Am 12. Juni treten Motionless In White gemeinsam mit Linkin Park, Iggy Pop, Awolnation, Jerry Cantrell, Rise Against oder In Flames beim diesjährigen Nova Rock auf. Eine Europatour für Anfang 2026 ist ebenfalls schon wieder im Laufen - es kann gut sein, dass da auch noch ein Österreich-Termin dazukommt. Ob es dann auch das heiß ersehnte nächste Studioalbum zu hören geben wird, steht aber noch in den Sternen. Ursprünglich hat sich der Lead-Sänger schon mal auf ein „definitiv noch 2025“ festnageln lassen, der „Krone“ gegenüber nimmt es der tätowierte Frontmann nicht mehr ganz so genau. „Wir arbeiten schon länger daran und es wird eine klangliche Mischung aus all den Elementen sein, die man von uns bereits kennt. Ich gehe gerne einen Schritt nach vorn, ohne aber den Bezug zu meinen Wurzeln zu kappen. Wenn das Album fertig ist, ist es fertig. Es ist eine ziemlich komfortable Situation, sich nicht festlegen zu müssen. Finden wir unsere Musik gut genug, dann kann es schnell gehen. Es wird auf jeden Fall ein Knalleralbum werden.“
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