Holocaust-Gedenken

„In dunklen Momenten wurde das Beste sichtbar“

Österreich
13.05.2025 11:39

Anlässlich der 80-Jahr-Feiern zum Kriegsende und der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen reiste auch Ellen Germain zu den Gedenkveranstaltungen nach Wien. Die langjährige Diplomatin ist seit vier Jahren die Sondergesandte der US-Regierung in Holocaust-Fragen. Die „Krone“ traf sie vor der heutigen Veranstaltung in Mauthausen zum Interview.

„Krone“: Sie haben auch eine Familiengeschichte, die mit dem Holocaust verbunden ist?
Ja, die Familie meiner Großeltern stammt aus Osteuropa und viele davon starben im Holocaust. Als ich in den 1990ern angefangen hab, meine Wurzeln zu erforschen, bin ich da drauf gestoßen. Es gibt diesen jüdischen Mythos, dass man erst dann wirklich stirbt, wenn das letzte Mal jemand deinen Namen ausspricht. Und die Namen der Brüder meines Urgroßvaters, Shlomo und Yoshiki Gottfried, hatte bis dahin viele Jahre keiner laut ausgesprochen.

Wie erleben Sie Gedenktage wie diesen in Mauthausen?
Solche Gedenkfeiern erinnern mich daran, wie wichtig meine Arbeit ist. Zugleich motivieren sie mich, mich für ein gewisses Maß an Gerechtigkeit für Holocaust-Überlebende und ihre Familien einzusetzen, indem ich daran arbeite, offene Restitutions- und Entschädigungsfragen für während des Holocausts von den Nazis geraubtes Eigentum abzuschließen.

US-Sondergesandte Ellen Germain beim Interview mit „Krone“-Redakteur Clemens Zavarsky
US-Sondergesandte Ellen Germain beim Interview mit „Krone“-Redakteur Clemens Zavarsky(Bild: US-Botschaft)

Wann war Ihr erster Besuch in einem Konzentrationslager?
1991 oder 1992 in Dachau. Mit einer jüdischen Freundin, dessen Vater den Holocaust überlebt hat. Ihr Vater war nicht in Dachau, aber in anderen Konzentrationslagern. Nach unserem Besuch in Dachau saßen wir gemeinsam beim Abendessen, und ich erinnere mich daran, wie ich diesen Mann beobachtete. Ich dachte dabei: Hier sitzt ein Überlebender, der es geschafft hat, weiterzuleben – etwas, das vielen nicht möglich war.

Gibt es eine Geschichte, die Sie nachhaltig beeindruckt hat?
Ja, es gibt eine Geschichte, die mich immer wieder tief bewegt. Eine Überlebende erzählte, dass sie als junges Mädchen, etwa 15 oder 16 Jahre alt, in einer Frauenbaracke war. Sie war die Jüngste unter etwa 100 Frauen, die alle hungerten und zu Tode gearbeitet wurden. Doch diese Frauen beschlossen, ihr jeden Tag ein kleines Krümelchen von ihrer ohnehin knappen Brotportion abzugeben. Sie sagten zu ihr: „Du bist die Jüngste von uns. Du hast die besten Überlebenschancen. Du musst überleben und unsere Geschichte erzählen.“ Diese kleine, aber bedeutende Geste rettete ihr das Leben. Für mich zeigt diese Erzählung, dass selbst in den dunkelsten Momenten der Menschheit manchmal das Beste in uns sichtbar wird.

Das spanische Königspaar und Bundespräsident Van der Bellen mit Gattin beim Gedenken in ...
Das spanische Königspaar und Bundespräsident Van der Bellen mit Gattin beim Gedenken in ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen(Bild: APA/FOTOKERSCHI.AT/HANNES DRAXLER)

Sie sprechen auch mit Schülern und Studenten, und ich weiß, dass viele das Thema nicht mehr berührt. Europa erlebt gerade einen massiven Rechtsruck. Macht Ihnen das Sorgen?
Ein Ziel meiner Arbeit ist es, dass Menschen den Holocaust verstehen und daraus lernen. Wie konnte eine Gruppe von Menschen so etwas anderen Menschen antun? Aber es geht auch darum, Lehren für die Zukunft zu ziehen – zu verhindern, dass solche Gräueltaten jemals wieder geschehen. „Nie wieder“ darf kein leeres Versprechen bleiben.

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