Opfer ausgebeutet

Menschenhändler-Ring gesprengt: 21 Frauen berfreit

Österreich
19.07.2013 17:35
Die Wiener Polizei hat am Freitag einen Menschenhändlerring gesprengt und dabei insgesamt 21 Frauen befreit, die zur Prostitution gezwungen worden waren. Beamte durchsuchten 15 Wohnungen, dabei wurden acht Männer verhaftet, fünf weitere befinden sich noch auf der Flucht, sie wurden zur Fahndung ausgeschrieben.

"Um 7.30 Uhr erfolgte zeitgleich bei 15 Adressen der Zugriff", sagte Gerhard Haimeder vom Landeskriminalamt Wien. Mehr als 100 Beamte waren im Großraum Wien im Einsatz, unterstützt wurden die Polizisten von den Sondereinheiten WEGA und Cobra sowie Beamten der Bereitschaftseinheit, Diensthunden und Ermittlern aus Niederösterreich.

Bei den Verhaftungen war auch der Staatsanwalt anwesend, erklärte Haimeder. Freitagnachmittag wurden die Männer vernommen und auch die Opfer im Alter von 18 bis 30 Jahren befragt. Zusätzlich wurden 15 Personen zur Sofortladung ausgeschrieben, acht davon bereits zu Vernehmungen vorgeführt.

Frauen "mit Schlägen gefügig gemacht"
Sowohl die Verdächtigen als auch die Opfer stammen alle aus der südbulgarischen Region Haskovo. Die Frauen waren legal nach Österreich gebracht worden und in Wien als angemeldete Prostituierte am Straßenstrich im Stuwerviertel tätig. "Sie wurden mit Schlägen gefügig gemacht", sagte Haimeder. Außerdem wurden sie laut dem Ermittler "zu Dingen gezwungen, die sie nicht freiwillig gemacht hätten". Der Verdienst wurde den Frauen "fast zur Gänze abgenommen", erläuterte Haimeder. "Es ging nur um Ausbeutung."

Bei den Hausdurchsuchungen in der Leopoldstadt, Neubau, Brigittenau und hauptsächlich Rudolfsheim-Fünfhaus und Ottakring wurden auch rund 3.000 Euro Bargeld, Sparbücher mit Einlagen bis zu 13.000 Euro, zahlreiche Handys und Laptops sichergestellt (Bild). Auch ein Buch wurde gefunden, in dem "die Ausbeutung dokumentiert ist", so Haimeder.

Anklage nach dem "Mafia-Paragrafen" wahrscheinlich
Seit Ende 2012 liefen die Ermittlungen, die laut Haimeder auch in Richtung des "Mafia-Paragrafen" 278a - Bildung einer kriminellen Vereinigung - gehen. Für eine dahin gehende Anklagen schaue es "gut aus", insbesondere das sichergestellte Buch enthalte zahlreiche Informationen über die Ausbeutung, unter anderem Auszahlungslisten. Die Ermittler gehen davon aus, dass weitere Frauen Opfer der Menschenhändler geworden sind.

6.200 offizielle Sexarbeiterinnen, 4.000 Geheimprostituierte
"Die Nachfrage nach Sexdienstleistungen ist ungebrochen hoch", sagte Gerald Tatzgern, Leiter der Zentralstelle Menschenhandel im Bundeskriminalamt, am Freitag. Insgesamt gibt es in Österreich 6.200 offizielle Sexarbeiterinnen, dazu kommen nach Schätzungen des Experten rund 4.000 Geheimprostituierte.

Österreich ist bezüglich Menschenhandel und Prostitution sowohl Transit- als auch Zielland. Hierzulande tätige Prostituierte stammen laut dem Experten vorwiegend aus den EU-Staaten Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Slowakei, Tschechien und aus Polen, dahinter folgt bereits Nigeria. Die Frauen - sie sind meist in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen - werden mit falschen Versprechungen aus ihrer Heimat gelockt.

"Psychische und physische Gewalt" an der Tagesordnung
Opfer von Menschenhändlern werden "immer wieder unter Druck gesetzt, durch psychische und physische Gewalt", so Tatzgern. Die Frauen seien eine "sehr verletzliche Gruppe". "Wenn sich eine Frau ein bisschen 'zieren' sollte, wird ihr gesagt 'Ich habe deine Tochter gesehen. Wenn du brav arbeitest, passiert ihr nichts'", nannte Tatzgern ein Beispiel. Die Gewalt reiche bis zu Vergewaltigungen.

"Trotzdem gehen diese Opfer nicht oder nicht leicht zur Polizei oder einer NGO, das ist ein massives Problem", sagte Tatzgern. Denn entweder nehmen sich die Frauen selbst nicht als Opfer wahr oder sie trauen sich aus Angst vor Repressalien nicht mit Außenstehenden zu sprechen. "Die Ausbeuter kennen sie und ihre Familien, sie kommen oft aus derselben Region."

Hotline gegen "moderne Sklaverei"
Im Kampf gegen Menschenhandel hat das BK vor drei Jahren eine Hotline eingerichtet, an die sich jeder Bürger wenden kann, wenn er eine Situation beobachtet, hinter der "moderne Sklaverei" vermutet wird. Tatzgern rät dazu, ein E-Mail über einen anonymen Account zu schreiben. "Wir gehen dem dann zu 100 Prozent sicher nach und leiten sofort entsprechende Ermittlungen ein."

Die Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels betreute im Vorjahr insgesamt 243 Frauen. "Wir haben in Ermittlungsfällen 103 Opfer von Menschenhandel und grenzüberschreitendem Prostitutionshandel identifiziert", so Tatzgern. Dazu wurden 2012 insgesamt 116 Tatverdächtige ausgeforscht.

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