"Bienen-Gipfel"

ÖVP-Schwenk: Pestizid-Verbot beschlossen

Österreich
07.05.2013 15:36
Der Einsatz der umstrittenen Neonicotinoide soll in Österreich verboten werden. Das wurde am Dienstag beim kurzfristig einberufenen "Bienen-Gipfel" beschlossen. Nach heftiger Kritik an Umweltminister Nikolaus Berlakovich hatte die ÖVP eingelenkt: Wenn auch nur der geringste Verdacht bestehe, dass Pestizide für das Bienensterben verantwortlich seien, dann müsse Österreich für ein Verbot stimmen, so Parteichef Michael Spindelegger. Die Opposition konnte der Vizekanzler damit nicht besänftigen.

"Im Zweifel sind wir für die Bienen" - mit diesen Worten hatte Spindelegger schon am Montagabend den ÖVP-Schwenk angedeutet. Seine Partei stimmte nun dem Verbot der umstrittenen Pestizide zu, das bereits Ende April - gegen die Stimme von Berlakovich - von der EU abgesegnet wurde. Dieser begründete seine neue Haltung damit, dass "die Lösung der Vorwoche keine Akzeptanz gefunden" habe.

Schadet der Bienen-Skandal der ÖVP? Abstimmung in der Infobox.

Der viel gescholtene Minister hatte die Diskussion "versachlichen" wollen und lud zum "Bienen-Gipfel" mit Vertretern der Imker, der Bauern und der Wissenschaft. "Es geht darum, dass wir eine bessere Lösung erzielen", meinte Berlakovich im Vorfeld. Bei den Gesprächen würden laut Spindelegger alle wissenschaftlichen Ergebnisse zusammengeführt. Klar sei aber: Wenn man nicht ausschließen könne, dass die Gifte einen Anteil am Bienensterben haben, solle ein Verbot kommen.

Faymann: Regierung entwickelt "gemeinsamen Standpunkt"
Bundeskanzler Werner Faymann sprach sich am Dienstag erneut vehement für ein Pestizidverbot zum Schutz der Bienen aus. In der Bundesregierung entwickle sich ein "gemeinsamer Standpunkt", sagte er im Pressefoyer nach dem Ministerrat. In der Vorwoche hatte der Kanzler das Vorgehen seines Ministers noch mit harten Worten kommentiert und etwa von dessen "eigener Entscheidung" gesprochen, in Brüssel gegen ein Pestizidverbot zu stimmen (siehe Infobox).

Grüne: "Verhöhnung des Parlaments"
Die Opposition bewertete die Bemühungen Berlakovichs weniger diplomatisch: Der zweistündige "Bienen-Gipfel" war für den grünen Landwirtschaftssprecher Wolfgang Pirklhuber etwa "eine Verhöhnung des Parlaments". Es sei weder eine Tagesordnung noch eine Teilnehmerliste bekannt gegeben worden. Die neue Linie der ÖVP sei ein "Ablenkungsmanöver".

FPÖ-Umweltsprecher Norbert Hofer erneuerte seine Rücktrittsaufforderung an die Adresse des Umweltministers: "Für uns ist das Maß voll. Berlakovich ist eine massive Belastung für Österreich und als Umweltminister schlichtweg gescheitert."

FPÖ will Sondersitzung und Klage
Hofers Partei will ungeachtet des ÖVP-Schwenks eine Sondersitzung des Nationalrates zum Bienensterben beantragen. Auch die Themen Saatgut und Wasserprivatisierung sollen diskutiert werden, kündigte Parteichef Heinz-Christian Strache an. Er zeigte sich erfreut darüber, dass sämtliche Oppositionsparteien das Anliegen unterstützen und die Sitzung damit fix ist. Als Wunschtermin nannte Strache Dienstag oder Mittwoch kommender Woche.

Die Freiheitlichen erwägen zudem eine Anzeige gegen Berlakovich, etwa wegen Amtsmissbrauchs. Es sei zu prüfen, ob dessen Weigerung, die Daten über den Einsatz der Pestizide herauszurücken (siehe Infobox), als solcher zu werten sei. Strache will auch klären, ob Bestechung im Spiel gewesen sei. Er verwies in diesem Zusammenhang erneut auf Inserate von Pestizidherstellern in der Bauernzeitung. Werbung für Umweltgifte solle künftig verboten werden, forderte der FPÖ-Chef.

Kickl spottet über "Todesministerium"
Generalsekretär Herbert Kickl hatte zuvor die für Berlakovichs Ressort gewählte Bezeichnung "Lebensministerium" infrage gestellt: "Für die österreichischen Bienen ist es ein Todesministerium", so der FPÖ-Politiker.

NGOs: Gipfel-Ergebnis "eine Farce"
Umweltschutzgruppen haben das Ergebnis des "Bienen-Gipfels" scharf kritisiert. "Dass Berlakovich jetzt die EU-Verbote 'unterstützt', ist eine Farce und Augenauswischerei. Ob er diese Verbote unterstützt, ist völlig unerheblich, der zukünftige Landwirtschaftsminister wird sie im kommenden Jahr als EU-Verordnung ohnehin umsetzen müssen", kritisierte die Umweltschutzorganisation Global 2000.

Das "wahre Gesicht" von Berlakovichs Landwirtschaftspolitik werde sich der Umweltschutzorganisation zufolge am 15. Mai zeigen, wenn die Mitglieder der ÖVP im Landwirtschaftsausschuss im Parlament gemeinsam mit den anderen Fraktionen über ein generelles Verbot von neonicotinoiden Saatgutbeizen abstimmen.

Die Greenpeace-Landwirtschaftsexpertin Dagmar Urban bezeichnete das Ergebnis der Beratungen als "Gipfel an unambitioniertem Handeln". Die Ankündigungen seien bloß ein "erster, sehr kleiner Schritt", nun müsse die ÖVP ihre "angebliche Kehrtwende in sinnvolle Taten umsetzen". Der EU-Vorschlag erlaube ausdrücklich strengere nationale Verbote, wie es sie teilweise in Deutschland schon gibt. Österreich müsse "vollständige nationale Verbote der drei Neonicotinoide beschließen", so Urban.

Landwirtschaftskammer von Verbot "erschüttert"
Keine Freude mit dem Verbot hatte Landwirtschaftskammer-Präsident Gerhard Wlodkowski. Er sei "erschüttert" über die Vorgangsweise in Brüssel. Man habe die Neonicotinoide "gut im Griff" gehabt, die Auswirkungen seien kontrollierbar gewesen. Nun müsse man sich mit neuen Spritzmitteln vertraut machen, deren Wirkung noch nicht bekannt sei.

"Wir haben alles daran gesetzt, damit Neonicotinoide den Bienen nicht schaden", sagte Wlodkowski. "Diese Investitionen werden nun überflüssig", 50 bis 60 Millionen Euro stünden auf dem Spiel. Die Landwirtschaftskammer trage dennoch die Entscheidung des Umweltministers mit, wenngleich "Beizung sicher nicht das Hauptproblem für Bienen" sei. Das Verbot sei eine "sehr große Belastung, aber wenn die öffentliche Meinung einen anderen Weg fordert, dann werden wir den auch gehen", so Wlodkowski.

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