Über Wrabetz gewundert

„Beim Wiener Derby wird sich gar nichts ändern“

Fußball National
26.09.2024 20:37

„Dass die Auswärtsfans bei den nächsten vier Derbys nicht ins Stadion dürfen, wird gar nichts ändern.“ Seine These erklärt Sporthistoriker und Kulturwissenschaftler Matthias Marschik so: „Die gewaltbereiten Fans werden sich vor dem Stadion treffen, die Ausschreitungen verlagern sich rund um die Arena. Der Ausschluss der jeweiligen Gästeanhänger kann nichts an der herrschenden Fankultur ändern.“

Der Buchautor und profunde Kenner des Wiener Fußballs betont: „Es kann sich nur etwas zum Positiven wenden, wenn alle Beteiligten grundsätzlich der Meinung sind, dass sie etwas ändern wollen. Die Beteiligten sind die Politik, die Vereine mit ihren Funktionären, die Spieler und die Fans.“ Das wird nicht von heute auf morgen gehen. Marschik meint: „Eine andere Kultur zu etablieren, wird Jahre dauern, vielleicht sogar ein Jahrzehnt. Aber du musst irgendwann damit anfangen. England hat es vorgemacht.“

„Verweigerung der Realität“
Er erkennt aber bei keinem der beiden Klubs einen klaren Willen dazu: „Beide Vereine versprechen gemeinsame Lösungen, aber dann kommen sofort wieder gegenseitige Schuldzuweisungen. Und wenn Rapid-Präsident Alexander Wrabetz sagt, dass der Klub kein Fanproblem, sondern nur ein Derby-Problem hat, ist das eine Verweigerung der Realität.“

Dieser Fan wurde bei den Derby-Ausschreitungen am Rasen verletzt. Marschik verwundert es, dass ...
Dieser Fan wurde bei den Derby-Ausschreitungen am Rasen verletzt. Marschik verwundert es, dass Rapid nach solchen BIldern weiter Banner mit der Aufschrift „Tod und Hass dem FAK“ nicht sanktioniert.(Bild: APA/MAX SLOVENCIK)

Ebenfalls verwunderlich fand der Universitätsdozent, dass Wrabetz Banner mit der Aufschrift „Tod und Hass dem FAK“ und gleichlautende Gesänge weiter nicht sanktionieren will und dies mit der Aussage „Bestimmte Dinge löst man im Fanklub. Es wäre falsch, wenn sich die Vereinsführung darum kümmert“ erklärt hat. Marschik: „Die Fans lösen es eh, indem sie sich die Köpfe einhauen.“ Umgekehrt duldet die Austria auch das schon seit langem bestehende „Rapid verrecke“.

Inszenierung und Gegensätze
Interessant ist, wie der Sporthistoriker die Rivalität der Vereine erklärt: „Das große Wiener Derby ist eigentlich erst in den 60er-Jahren entstanden. Im Zuge der damaligen Ökonomisierung des Fußballs haben sich Austria und Rapid von den anderen Wiener Klubs abgesetzt,  Violett hatte gute Kontakte in die Wirtschaft, Rapid gute Kontakte zur Stadt Wien. So gab es in Favoriten und in Hütteldorf gutes Geld, stellten sich Erfolge ein. Diese zogen die Zuschauer an. Gleichzeitig fingen die Vereine an, sich zu inszenieren, wurden Gegensätze herausgearbeitet.

Sporthistoriker Matthias Marschik
Sporthistoriker Matthias Marschik(Bild: Matthias Marschik)

„So wuchs die Rivalität immer mehr“
Die Austria betont seither etwa ihre jüdischen Traditionen, Rapid seine proletarischen Traditionen. Und die Fans haben das weiter inszeniert. So wuchs die Rivalität immer mehr.“ In den letzten Jahren ist es dann wiederholt eskaliert. Marschik: „Wenn die eine Seite etwas gemacht hat, ist die andere Seite noch einen Schritt weiter gegangen. So hat sich das noch mehr aufgeschaukelt und niemand hat wirklich eingegriffen.“

„Es ist allerhöchste Zeit“
Marschiks Fazit: „Es ist allerhöchste Zeit, dass jetzt massive politische und gesellschaftliche Diskussionen über eine Neubewertung des Fußballs beginnen, die von den Klubs bis zu den Fans alle mit einschließt.“ Sein frommer Wunsch dazu: „Vergnügen, Spannung, Leidenschaft sollte wieder im Mittelpunkt stehen statt sportlichem und finanziellem Erfolg um jeden Preis.“  

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