Investiert der Staat nicht in zeitig in die Bildung der Jüngsten, kommt dies langfristig wesentlich teurer, ist Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) überzeugt. Gemeinsam mit Vorarlbergs Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker plädiert er dafür, das gesamte Sozialsystem zu überdenken und neu aufzustellen.
Für Johannes Rauch und Katharina Wiesflecker ist die Einführung der Kindergrundsicherung nicht nur eine Frage der Fairness und der Solidarität, sondern auch der Ökonomie. „Spätestens in zehn Jahren wird es diese geben“, ist Rauch überzeugt. Aufgrund der demografischen Entwicklung – die Menschen werden immer älter, schon jetzt fehlen der Nachwuchs auf dem Arbeitsmarkt – werde es schlicht und einfach nicht finanzierbar sein, dass mehr und mehr Menschen mit geringer Bildung die Sozialsysteme beanspruchen, während die Beschäftigten weniger werden und somit auch die Zahl der Steuerzahler schrumpft. „Eine Kindergrundsicherung nicht einzuführen und sich den Luxus einer hohen Zahl an Menschen mit niedrigem Bildungsniveau zu leisten, ist ökonomisch maximal doof“, bringt es Rauch auf den Punkt.
17,2 Milliarden Euro müssen die Österreicher gemäß einer OECD-Studie jährlich zur Bekämpfung von Kinderarmut aufbringen. Das entspricht 3,6 Prozent der Wirtschaftsleistung.
Schon jetzt sind die Zahlen alarmierend: Jedes fünfte Kind in Österreich lebt in einer armutsgefährdeten Familie. Nach einer Studie der OECD kostet dies bereits heute 17,2 Milliarden Euro im Jahr. „Die soziale und finanzielle Situation einer Familie beeinflusst in hohem Ausmaß die Erwerbssituation und die Gesundheit von Kindern im Erwachsenenalter“, erläutert Wiesflecker.
Wie benachteiligten Mädchen und Buben Aufstiegschancen ermöglicht werden könnten, haben vor kurzem 40 Mitglieder einer Vorarlberger Arbeitsgruppe überlegt. Das Ergebnis: Angesetzt werden muss nicht nur im Bildungsbereich, auch Geld- und Sachleistungen sowie ein angemessener Wohnraum sind notwendig. „Der Schlüssel gegen Armut ist Bildung. Deshalb sind der Ausbau und die Qualitätssicherung der Elementarpädagogik ebenso wichtig wie die Unterstützung der Volksschulen und der Ausbau der Ganztagsschulen“, betont Wiesflecker.
Damit liegen die Vorarlberger ganz auf Linie des Sozialministers, der die Kindergrundsicherung ebenfalls auf drei Säulen aufgebaut sieht: Neben einem Grundbetrag, der unabhängig vom Einkommen der Eltern ausgezahlt werden soll, soll es noch einen zweiten einkommensabhängigen Teil geben. Die dritte Säule beinhaltet Sachleistungen, die von der kostenlosen Kinderbetreuung über kostenloses Mittagessen bis hin zu gratis Nachhilfestunden reichen. Alle Leistungen sollen automatisch ausgezahlt werden.
Ganz so einfach umzusetzen ist eine Kindergrundsicherung freilich nicht. Rauch rechnet mit einem Zeitraum von rund drei Jahren, da zunächst bestehende Sozialleistungen neu strukturiert und vereinfacht werden müssten. „In den neun Bundesländern gibt eine Fülle von Leistungen wie Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld, Familienbonus Plus, Kindermehrbetrag oder Schülerbeihilfen, die nicht aufeinander abgestimmt sind“, erklärt Rauch. Aufgrund der Unterschiede müssten in einem ersten Schritt die Länder an Bord geholt werden, dann seien zahlreiche Gesetzesänderungen notwendig – allein auf Bundesebene wären es mehr als ein Dutzend.
Ganz wichtig ist Rauch auch, dass es bei der Sozialhilfe – ähnlich wie bei Heizkostenzuschuss in Vorarlberg – Ausschleifregelungen gibt. Die Betroffenen sollen nicht von jetzt auf gleich aus dem System fallen. „Wenn jemand arbeiten geht und dann die Sozialhilfe komplett wegfällt, ist das Nonsens und das komplette Gegenteil von einem Anreiz, arbeiten zu gehen“, meint der Bundesminister.
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