Kinderdorf-Bericht

Wenn die Familie zu einem Krisenherd wird

Vorarlberg
21.06.2024 16:55

Der Jahresbericht des Vorarlberger Kinderdorfs macht nachdenklich: Die vielen Krisen wirken sich auf die Familien aus, immer häufiger kommt es zu Eskalationen. Die gute Nachricht: Es gibt auch viele Hilfsangebote.

Jeder kennt das Vorarlberger Kinderdorf, was allerdings dort und in den zugehörigen Abteilungen alles geleistet wird, ist schon weit weniger bekannt. In Zeiten, da viele mit eigenen Krisen beschäftigt sind, liegen die Bedürfnisse von Kids und Jugendlichen oft unter dem Radar. Dabei brauchen die Jüngsten gerade dieser Tage oftmals besondere Unterstützung, das zeigen auch die Zahlen des Kinderdorf-Jahresberichts.

Immer mehr Einsätze wegen Eskalationen
Im vergangenen Jahr stiegen etwa die Einsätze des Familienkrisendienstes von 125 im Jahr 2022 auf 171, eine Steigerung von 37 Prozent. Der Familienkrisendienst ist mit Rat und Tat zur Stelle, wenn eine Situation innerhalb der Familie eskaliert.

Zudem befinden sich immer mehr Eltern in schwer belasteten Situationen. Die Erschöpfung und Anfälligkeit für Krisen sei in den 373 vom Familiendienst im Vorjahr ambulant begleiteten Familien deutlich angestiegen, weiß Simon Burtscher-Mathis von der Geschäftsleitung. Zudem würden dringend notwendige Plätze in der Kinder- und Jugendpsychiatrie fehlen. Die Folgen sind fatal: Die Überforderung der Eltern wird noch verstärkt, Kinder müssen länger in einem hoch belasteten familiären Umfeld bleiben. Damit gehen oft auch schlechtere Bildungschancen, gesundheitliche Probleme, Scham und sozialer Ausschluss einher.

Soziale Isolation als Risikofaktor

Bei Kindern und ihren Eltern, die ambulant vom Fachbereich „Netzwerk Familie“ unterstützt werden, machen sich vor allem zwei Faktoren bemerkbar, die zu Problemen führen: Armut und soziale Isolation. Von den betroffenen 502 Familien mit 942 Kindern leben 52 Prozent in Armut oder sind armutsgefährdet – und 36 Prozent der Eltern haben weder Familie noch Freunde, die ihnen in diesen harten Zeiten zur Seite stehen.

Weil dieses soziale Netz immer häufiger fehlt, organisiert das Kinderdorf Hilfestellung auf freiwilliger Basis: 2023 engagierten sich 223 Privatpersonen durch ein Ehrenamt für Kinder. Sie investierten insgesamt 15.866 Stunden ihrer Freizeit, um den Alltag für junge Familien leichter zu machen – eine Leistung, die Anerkennung verdient.

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Auch wir stoßen immer wieder an Grenzen, scheitern trotz höchster Fachlichkeit und vollem Engagement.

Simon Burtscher-Mathis, Geschäftsführung Vorarlberger Kinderdorf

Gewalt als Grund für Fremdunterbringung
Dort, wo Unterstützung im eigenen familiären Umfeld nicht möglich ist, werden Kinder fremduntergebracht. Im vergangenen Jahr wurden 83 Kids im stationären Setting der „Paedakoop“ betreut, 68 in der Auffanggruppe und 62 in Wohngruppen des Kinderdorfs Kronhalde. Hauptgründe, warum Kinder nicht mehr daheim bleiben können, sind psychische Erkrankungen und Überforderung der Eltern sowie Gewalt in der Familie.

Dringend gesucht werden in diesem Zusammenhang Menschen, sie sich ein Leben als Pflegeeltern vorstellen können – paarweise, mit bestehender Familie oder auch allein. Denn die Zahl jener, die sich diese Aufgabe zutrauen, ist rückläufig. Neue Pflegschaftsmodelle sollen hier Abhilfe schaffen: Im vergangenen Jahr fanden 26 Babys und Kleinkinder in Bereitschaftspflegefamilien Fürsorge und ein Zuhause für einen begrenzten Zeitraum. 147 Kinder und Jugendliche lebten in Langzeit-Pflegefamilien.

Mehr Infos zum Kinderdorf

Kindern immer wieder eine Chance geben
Für eine solche Aufgabe braucht es Mut, Verantwortungsbewusstsein und Durchhaltevermögen, denn dass es nicht immer ganz einfach ist, vorbelasteten Kindern eine Stütze zu sein, merken auch die Profis des Kinderdorfs, wie Simon Burtscher-Mathis weiß: „Auch wir stoßen an Grenzen, scheitern trotz höchster Fachlichkeit und vollem Engagement. Wichtig ist jedoch, dass wir hinschauen und das Scheitern als entwicklungsfördernd begreifen, denn jedes Kind hat immer wieder eine neue Chance verdient.“ 

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