Bis zur Formel 1

Mitten in Graz entscheidet sich Motorsport-Zukunft

Steiermark
13.05.2024 17:56

Auf Prüfständen und mit Computer-Software wird im Herzen der steirischen Landeshauptstadt die weltweite Zukunft des Motorsports mitgestaltet – bis hin zur Formel 1! Die „Krone“ durfte bei AVL Racetech hinter die sonst streng geheimen Kulissen blicken, die sogar von der FIA genutzt werden.

Mehrere aktuelle Formel-1-Fahrer haben schon in jenem Schalensitz Platz genommen, den die kolumbianische Rennfahrerin Tatiana Calderon an diesem Vormittag für ein paar Demo-Runden auf dem Red Bull Ring in Beschlag nimmt. In einem Formel-3-Boliden. Virtuell. Und mitten in Graz.

Seit 2015 steht die rund eine halbe Million Euro teure Konstruktion im ersten Stock einer unscheinbaren Halle beim Technologiekonzern AVL. „Das ist aber nur der Preis der Hardware“, erklärt Ellen Lohr, Motorsport-Direktorin in der Racetech-Division des Konzerns und einst selbst Rennfahrerin in der DTM oder bei der Rallye Dakar.

Hier nahmen schon Formel-1-Fahrer Platz
Hier nahmen schon Formel-1-Fahrer Platz(Bild: AVL Racetech/www.photoworkers.at)

Simulations-Programm für die FIA
Das wahre Herzstück, mit dem die weltweite Motorsport-Zukunft mitgestaltet wird, ist unsichtbar: Die Simulations-Software, an der seit einem Vierteljahrhundert gefeilt wird – aktuell mit 30 Personen in Vollzeit. Wie viel Geld und Arbeitsstunden in dem System stecken, kann niemand mehr genau sagen.

Gelohnt hat es sich aber, denn das Programm ist mittlerweile sogar beim Automobil-Weltverband FIA im Einsatz. „Die FIA arbeitet exklusiv mit unserem Programm Regularien für ihre Meisterschaften aus. Sie rechnen damit durch, ob alles in die gewollte Richtung läuft bei angestrebten Rundenzeiten und so weiter. Von Formel E bis Formel 1“, so Lohr. 

Vorsprung durch Technik
Binnen kurzer Zeit können Tausende Runden simuliert und entsprechende Ergebnisse ausgelesen werden. „Dabei werden 12.000 Parameter zeitgleich berechnet, die ein Renn-Auto ausmachen“, erklärt Lohr. In Graz geht es aber noch einzigartiger: Einen Stock unterhalb steht ein kompletter Prüfstand, der mit dem Simulator verbunden werden kann. 

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Unten wird das komplette Auto eingespannt, oben fährt der Pilot dieses Fahrzeug im Simulator. Die Anlage ist Formel-1-tauglich.

Ellen Lohr, Motorsport-Direktorin AVL Racetech

„Unten wird das komplette Auto quasi eingespannt, oben fährt der Pilot dieses Fahrzeug im Simulator. Diese Anlage ist Formel-1-tauglich.“ Überstrapaziert der Pilot im ersten Stock zum Beispiel die direkt mit dem Fahrzeug verbundene Bremse, kann diese dem Auto im Erdgeschoss tatsächlich um die Ohren fliegen.

„Damit kannst du Komponenten testen, Setups ausprobieren, den Reifenverschleiß sehen, Fahrstile anpassen“, so Lohr. Welche Teams das Grazer Knowhow aktuell nutzen, ist teilweise geheim. Von den Formel-1-Teams spricht einzig Red Bull Racing offen über seine Partnerschaft für die Nutzung der Prüfstände von AVL. 

Fahrer-Analyse in jedem Detail
Der Fokus der Grazer Simulations-Profis liegt aber nicht nur auf dem Fahrzeug, auch Rennfahrer können bis ins kleinste Detail analysiert werden: „Wir können Parameter wie den Puls, die Pupillengröße, die Schweißentwicklung oder das Sichtfeld messen. Wir haben hier sogar eine Haube, die Gehirnströme messen kann. Damit sieht man, wie sehr sich ein Fahrer konzentrieren muss, um eine gewisse Kurve zu meistern.“ Das soll beim einen oder anderen Rennteam schon den Ausschlag bei der Auswahl zwischen zwei potenziellen Fahrern gegeben haben.

Tatiana Calderon bei der konzentrierten Arbeit in Graz
Tatiana Calderon bei der konzentrierten Arbeit in Graz(Bild: AVL Racetech/Toni Muhr)

„Natürlich ist das alles nicht gerade günstig. Aber ein Testtag an einer Rennstrecke kostet mehr“, ist sich Lohr sicher. Zudem sind Testfahrten in vielen Meisterschaften ohnehin streng beschränkt. Mehrere hundert Rennsportteams in 17 verschiedenen Meisterschaften weltweit stehen als Kunden bei AVL Racetech in der Datenbank. 

Von Formel 1 bis Rallye
Calderon, wie der österreichische Le-Mans-Pilot Ferdinand Habsburg offiziell Botschafter des Grazer Unternehmens, kann sich noch gut an ihr erstes Mal im Simulator erinnern: „2017 war ich Entwicklungsfahrerin bei Sauber in der Formel 1. Das Team hatte damals keinen eigenen Simulator im Werk und ich durfte hier quasi die Jungfernfahrt des Autos absolvieren.“

Für die Zukunft warten weitere Herausforderungen, denn noch ist nicht die ganze Welt des Motorsports vollständig simulierbar. Lohr: „Der Rallye-Sport ist die nächste Herausforderung. Da kommen mit Sprüngen oder Schotter als Untergrund noch ganz andere Anforderungen hinzu. Aber wir arbeiten daran.“

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