Ein 64-jähriger Wiener hat 20 Monate in Untersuchungshaft sitzen müssen, ehe er freigesprochen wurde. Für die Zeit, die er unschuldig hinter Gittern verbracht hat, wurde ihm vom Staat eine Wiedergutmachung in Höhe von 14.250 Euro angeboten. Für Anwalt Michael Dohr sind knapp 24,5 Euro pro Hafttag „ein Schlag ins Gesicht für jeden rechtschaffenen Bürger“.
Die Regierung hat sich Ende 2023 darauf geeinigt, das Justiz-Budget für Verteidigerkostenersatz bei Freisprüchen in Strafverfahren bzw. Verfahrenseinstellungen auf 70 Millionen Euro zu erhöhen. Wie der Fall des 64-Jährigen zeigt, dass auch eine angemessene Haftentschädigung nötig wäre.
Freigesprochener leidet auch unter Verdienstentgang
Der Betroffene war am 12. Februar 2017 in U-Haft genommen worden - er stand unter Verdacht, als Betreiber mehrerer Kindergärten in Wien Förderbetrug begangen zu haben. Am 17. September 2018 wurde er enthaftet, im Mai 2023 schließlich von sämtlichen Vorwürfen rechtskräftig freigesprochen. „Er ist somit 20 Monate unschuldig im Gefängnis gesessen. Er hatte darüber hinaus einen namhaften Verdienstentgang sowie Anwaltskosten vor der Hauptverhandlung“, erklärt sein Verteidiger Dohr. Zu allem Unglück hatte er noch einen Schlaganfall in einer Verhandlung erlitten.
„Für die Quasi-Vernichtung seiner Existenz“ wurden dem Mann nun 24,5 Euro pro Tag angeboten. Für die Schließung seiner Kindergarten-Vereine, in die der Mann eigenes Vermögen eingebracht habe, sei sein Mandant gar nicht entschädigt worden, Verdienstentgang aufgrund der U-Haft sei ihm nicht zugestanden worden.
Wiedergutmachung in anderen Ländern wesentlich höher
Wer in Haft genommen wird und in weiterer Folge überhaupt nicht angeklagt oder am Ende freigesprochen wird, kann hierzulande nach dem strafrechtlichen Entschädigungsgesetz derzeit mit einer Wiedergutmachung von 20 bis 50 Euro für jeden einzelnen im Gefängnis verbrachten Tag rechnen. In Deutschland sind dagegen für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung 75 Euro vorgesehen. Auch andere EU-Staaten haben höhere Entschädigungssätze, wenn jemand nachgewiesenermaßen zu Unrecht im Gefängnis landet.
In zweitem Fall ebenfalls „wirtschaftliche Existenz genommen“
Dohr vertrat auch jenen 48-Jährigen, der am Dienstag nach einer Verurteilung wegen angeblicher Beteiligung an einem Mordkomplott freigesprochen wurde. Dieser Mandant saß 18 Monate in U-Haft und wurde zwischenzeitlich sogar zu elf Jahren Haft verurteilt. „Ihm wurde seine wirtschaftliche Existenz genommen“, erklärte der Anwalt nach dem Freispruch. Dafür habe die Republik den Betroffenen entsprechend zu entschädigen „und in dieselbe wirtschaftliche Situation zu versetzen, in der er sich befunden hat, bevor er in Haft genommen wurde“.
Zadic: „Vorgesehene Mittel werden 2024 mehr als verdreißigfacht“
„Freisprüche und Einstellungen von Strafverfahren konnten nach bisheriger Rechtslage mit teils erheblichen finanziellen Belastungen für die Betroffenen verbunden sein“, räumt Justizministerin Alma Zadic (Grüne) zum Thema Verteidigerkosten ein. Genau deshalb erhöhe man jetzt den Verteidigerkostenersatz: „Konkret werden die dafür vorgesehenen Mittel 2024 mehr als verdreißigfacht. Ich freue mich, dass wir damit eine langjährige Forderung der Grünen, die wir auch ins Regierungsprogramm hineinverhandelt haben, umsetzen konnten. Besonders wichtig war mir dabei, dass es künftig auch erstmals einen Beitrag zu den Verteidigerkosten bei Einstellungen geben wird. Dieses neue Gesetz bedeutet eine echte Verbesserung für alle Betroffenen und ist ein Erfolg für unseren Rechtsstaat.“
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