Provokation ist ihr Stilmittel: Das Wiener Künstler-Quartett Gelatin sorgt wieder einmal für Aufsehen. Diesmal mit einem Beton-Brunnen in Wien.
Touristen bewundern in Hellbrunn die Wasserspiele. Auch den steinernen Tisch mit seinen Hockern, aus deren Öffnungen den Gästen plötzlich das Wasser in den Schritt spritzt. Was für ein herzlich frivoles barockes Gaudium - bis heute. Auf Brüssels Grand-Place entzückt seit Jahrhunderten ein pinkelnder Knabe, der Manneken Pis. Als jedoch im Jahr 2003 Agnes Husslein, die damalige Museum-der-Moderne-Direktorin, Gelatins „Arc de Triomphe“ vor dem Rupertinum aufstellen ließ, war in Salzburg schnell Schluss mit lustig. Das Objekt musste wieder versteckt werden.
Aber auch Provokation hat ein Ablaufdatum. 14 Jahre später pinkelte sich der einstige Aufreger in einer Schau der fashionablen Mailänder Fondazione Prada in den eigenen Mund. Klein, als Modell, hat er in der Schau „Arch of Hysteria. Zwischen Wahnsinn und Ekstase“ im Museum der Moderne seinen Platz.
Gelatin fand 1993 als Kunst-Truppe zwischen Performance- Skulptur- und Architekturprojekten zusammen, mit jeder Menge dadaistischem Charme und Spaß am Unfug. Auch die Buben Wolfgang Gantner, Ali Janka, Florian Reither und Tobias Urban wurden schließlich erwachsen - und international erfolgreich, doch die lustvoll lustige Provokation blieb, genauso wie die herzhaften Tabubrüche.
Ihr Motto: Neue Sichtweisen öffnen, neue Perspektiven geben, damit man nicht in der eigenen „Normalität“ abstumpft. Wenn sie 2017 im Rotterdamer Museum Boijmans Van Beuningen Riesenkothaufen auslegen, dann steht dahinter ein Kitzeln an frühkindlichen Lüsten, das Kratzen an anerzogener Scheu. Ein Schelm, der da nicht an Mozarts Kanon denkt: „Scheiß ins Bett daß’ kracht; gute Nacht, schlaf fei g’sund und reck’ den Arsch zum Mund.“
Gottfried Helnwein erschreckt in der Albertina gerade mit fotorealistischen Riesengemälden von in Formaldehyd eingelegten Totgeburten. Bei Gelatins Kuscheltieren im Rexglas schleicht sich erst nach einem Lächeln das Gruseln fantasievoll ein.
Wasserspielen ist Gelatin treu geblieben. Für den Wiener Jubiläumsbrunnen, dessen Errichtung heiß diskutierte 1,8 Mio. Euro gekostet hat, haben sie jetzt herzlich patschert nicht die Helden der Mythologie, sondern jene unserer Tage in Beton gegossen. Gefällt nicht jedem. Geschmäcker und Humor sind eben verschieden. Mal schauen, ob ihn die Wiener lieb gewinnen.
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