Ländle-Brasilianer

„Ich komme sicherlich nicht aus dem Online-Shop“

Vorarlberg
19.10.2023 10:10

Eine Vorarlberger Regionalzeitung sorgte am Mittwoch für große Aufregung! In einer Geschichte über angeblich illegal beschäftigte Brasilianer im Fußball-Unterhaus wurde eine Grafik mit 23 Vereinen und 49 Spielern veröffentlicht und damit quasi unter Generalverdacht gestellt. Einer der geschockten Betroffenen nimmt in der „Krone“ dazu Stellung.

Idiano Lima Rosa dos Santos, kurz „Idi“, wie der Brasilianer auf den Vorarlberger Fußballplätzen bekannt ist, war äußerst überrascht, als er am Mittwoch seinen Namen in einem Zeitungsbericht in einem Vorarlberger Lokalblättchen las. In einer Geschichte, die ihn und seine Landsmänner als Illegale im Fußballunterhaus darstellte. „Ich weiß nicht, warum meiner und viele der anderen Namen da stehen“, sagt er traurig, „ich komme nicht aus dem Online-Shop, ich bin legal in Österreich.“

„Viele gute Menschen kennengelernt“
Dos Santos kam 2016 aus seiner Heimat nach Vorarlberg, fand hier bald seine große Liebe. Mit seiner Frau Nadine ist er seit über fünf Jahren verheiratet, das Paar hat eine zweijährige Tochter. „Uns geht es gut, wir führen ein glückliches Leben“, erzählt er von seinen Liebsten, „allgemein habe ich hier nur sehr viele gute Erfahrungen gemacht. Ich habe viele gute Menschen kennengelernt.“

Seit über einem Jahr ist Idi Zusteller beim Vetterhof, davor hat er bei der Post gearbeitet und ist im Bregenzerwald gefahren. Er und seine Familie leben in Egg. „Ich komme aus São Paolo, einer Millionenstadt. Das hier ist so komplett anders, ich genieße die Ruhe sehr“, lacht der 27-Jährige.  Seiner größten Leidenschaft, dem Fußballspielen, konnte der quirlige Flügelflitzer schon länger nicht mehr nachgehen. Im Juni riss er sich zum dritten Mal das gleiche Kreuzband im rechten Knie, wurde operiert und macht nun mindestens ein Jahr Pause.

„Auch darum war ich überrascht, dass ich in der Zeitung stehe. Ich spiele ja schon länger nicht mehr“, meint er ratlos. Dafür trainiert er jetzt den Nachwuchs. Aber nicht in Wolfurt, wo er zuletzt spielte, sondern im Bregenzerwald. „Mittelwald U16 A ist seit dieser Saison meine Mannschaft, wir sind Tabellenerster“, erzählt Idi stolz, „es macht mir unglaublich Spaß mit den Kids. Fast so gut wie selbst spielen.“

Nicht die Schuld der Spieler
Der Brasilianer hofft, dass sich der Wirbel, der sich um ihn und um viele seiner Landsleute gebildet hat, bald wieder legt. „Es ist nicht richtig, alle in einen Topf zu werfen. Und ich glaube auch nicht, dass es die Schuld der Spieler war, wenn irgendwo etwas falsch gemacht wurde.“

Zu diesem Thema eine Kolumne von „Krone Vorarlberg“-Sportchef Peter Weihs:

(Bild: Krone KREATIV, Birbaumer)

Ein Revolverblatt schoss aus der Hüfte
„Ein Insider aus dem Vorarlberger Amateurfußball, der namentlich nicht aufscheinen will“, erklärt im großformatigen Regionalblatt die Welt, der illegal beschäftigen Brasilianer im Ländle-Fußball. Dazu eine Landkarte mit 23 Klubs und 49 Spieler mit brasilianischem Pass. Die Schlagzeile: „Erinnert an einen Online-Shop“. Na, bumm!

Ja, es gab - wie auch die „Krone“ am Mittwoch berichtete - finanzpolizeiliche Kontrollen bei Klubs und teils haben Vereinsverantwortliche auch schon Fehler eingestanden. Ja, es gab solche Fälle auch in der Vergangenheit, diese betrafen aber nicht nur Brasilianer. Und ja, es ist gut, dass darauf geschaut wird, diesen Praktiken einen Riegel im Rahmen des Gesetzlichen vorzuschieben.

Seriöses Großformat?
ABER: Wie kommt man auf die Idee, 49 Spieler von 23 Vereinen so unter Generalverdacht zu stellen, wie es das „seriöse“ Großformat getan hat? Auch wir hatten seit einiger Zeit von den aktuellen Vorgängen im Ländle-Unterhaus Kenntnis, entschlossen uns aber, zuerst zu recherchieren und nicht Revolverblatt-like etwas zu veröffentlichen, das nicht mehrfach gegengecheckt ist.

Hätte man anderenorts eventuell auch machen sollen: Dann wären nicht Spieler mit portugiesischem Pass und solche auf die Liste gerutscht, die derzeit gar nicht beim angegebenen Verein spielen. Ein Bärendienst, den man da dem Fußball erwiesen hat. Und dem Journalismus...

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