Sensations-Comeback

Andrea Eckert: „Das ist die Rolle meines Lebens“

Bühne
16.10.2023 15:00

Nach 26 Jahren kehrt Schauspielerin Andrea Eckert in Terrence McNallys Theatererfolg „Meisterklasse“ als Operndiva Maria Callas auf die Bühne zurück. Das Stück, mit dem sie einst im Wiener Volkstheater einen Triumph gefeiert hat, wird nun im Vindobona aufgeführt. Mit der „Krone“ sprach Eckert darüber, wie sehr die „Meisterklasse“ ihr Leben verändert hat, die Kunst der Selbstverbrennung und wie viel Diva in ihr selbst steckt.

(Bild: kmm)

„Krone“:Kann man die Maria Callas in „Meisterklasse“ als die Rolle Ihres Lebens bezeichnen?
Andrea Eckert: Ja! Ich habe viele wunderschöne Rollen gespielt, „Elektra“, „Judith“, „Penthesilea“, „Maria Stuart“oder Dorothea Neff, die unglaublich wichtige Begegnungen für mich waren, für die ich sehr dankbar bin. „Meisterklasse“ hat mein Leben verändert durch die tiefe Beschäftigung mit einer der größten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Und es hat mich zu einem Wiener Theaterstar gemacht. Ganz abgesehen davon: Als mir damals Volkstheater-Direktorin Emmy Werner das Skript zu lesen gegeben hat, war es mir sofort ganz nahe. Ich habe diese Frau verstanden. In meinem Herzen. Und so vieles hat mich an meine geliebte Lehrerin Dorothea Neff erinnert. Also, ich wusste: Das gehört mir, das muss ich - das werde ich spielen. Obwohl mein damaliger Liebesmensch gesagt hat: Du gräbst dir dein eigenes Grab!

Wie hat er das gemeint?
Er hat gesagt: Callas war ein Mythos, jeder kann sich an sie erinnern. Jetzt willst du dich auf die Bühne stellen und den Wienern die Callas vorspielen? Was soll denn das für ein Unsinn sein! Ich blieb aber bei meinem Entschluss, weil das Stück mich von Anfang an so tief bewegt hat. Es war ein großes Geschenk von Emmy Werner, mir das anzubieten, wie groß, hab ich erst später verstanden - und auch ein großes Wagnis.

Es wurde ein Riesenerfolg!
Ja, ich habe es 11 Jahre gespielt. Eine unfassbare Zeit! Damals hatte das Volkstheater noch über 1000 Plätze und war immer ausverkauft. 170 Vorstellungen, 170.000 Besucher!

Und nun kehren Sie als Callas zurück. Warum jetzt?
Am 2. Dezember 2023 ist der 100. Geburtstag von Maria Callas. Das ist ein würdiger Anlass. Und natürlich die freundliche Einladung des Vindobona. „Meisterklasse“ ist ein geniales Stück. Terrence McNally zeigt die Masterclasses von Callas, die sie an der Julliard Scool in N.Y. tatsächlich gehalten hat und präsentiert die Künstlerin zuerst als ungnädige Diva mit enormen Anforderungen und scharfer Kritik an den StudentInnen. Dass ihre Erwartungen berechtigt sind durch ihr eigenes Beispiel und die riesigen Ansprüche, die sie immer an sich gehabt hat, versteht jeder im Zuschauerraum im Laufe des Abends. Kritiker haben ja gesagt, dass manche ihrer Auftritte wie Autodafes waren. Auf die Spitze getriebene Schonungslosigkeit und Rücksichtslosigkeit sich selbst gegenüber. Callas blieb in ihren Performances immer der Wahrhaftigkeit verpflichtet, auch auf Kosten des Schöngesanges. In dem meisterhaft gebauten Stück gibt es in der Mitte und am Schluss Rückblenden, Monologe, in denen der Autor uns die Künstlerin zeigt, wie sie vor ihrem Tod in großer Einsamkeit in Paris gelebt hat. Eine Frau , die dem Gott des Gesanges alles geopfert hat und dafür nicht belohnt wurde, die ohne Stimme zurückgeblieben ist. Eine Frau, die nichts mehr hat als ihre Erinnerungen. Und so hört sie stundenlang ihren alten Aufnahmen zu und reist mit ihnen in die Vergangenheit. „Meisterklasse“ ist berührender, durchaus auch witziger, bestens recherchierter Boulevard. Ein Abend, der vielleicht manchen inspiriert, über Kunst anders nachzudenken als bisher. In der „Meisterklasse“-Zeit am Volkstheater haben viele Gesangslehrer, Walter Berry z. B., die StudentInnen ins Volkstheater geschickt, weil sie gemeint haben: Geht’s da rein, da könnt ihr verstehen, worum es eigentlich geht.

Die Callas begleitet Sie seit 26 Jahren. Wie ging es Ihnen nun bei den Proben, war das ein Spaziergang?
Als ob es gestern gewesen wäre. Ehrlich. Die Rolle gibt mir sofort wieder die Hand, die Figur ist mir nahe. Manches verstehe ich anders, endgültiger. Vielleicht richtiger. Jahre sind vergangen, ich bin älter geworden und habe viele Abschiede erleben müssen. Jedenfalls ist der Text offensichtlich in mein Gehirn eintätowiert. (lacht) Ich freue mich darauf, es wieder zu spielen und dem Publikum von dieser großen Künstlerin erzählen zu dürfen.

Die Rolle passt zu Ihnen wie angegossen! Woran liegt das?
Das weiß ich auch nicht genau, es war einfach meines, von der ersten Lektüre bis zur Premiere. Der Regisseur Arie Zinger hat zu Beginn der Proben gemeint: „Andrea, Liebling, Du hast 6 Wochen Zeit, ein Mythos zu werden. Wie Du das machen wirst, weiß ich nicht.“ Aber er wusste es sehr genau und hat das Stück perfekt inszeniert. Und ich habe ihm blind vertraut. Der Pianist sagte damals: „Es war seltsam, du bist auf die Bühne gekommen und warst die Callas“. Proben können oft so mühevoll sein, bei Meisterklasse ging alles leicht. Ohne mich in irgendeiner Weise zu verwechseln, gibt es vielleicht doch ein paar Wesensähnlichkeiten. Ich bin oft sehr ungeduldig, schonungslos und rücksichtslos mir selbst gegenüber. Ich weiß, was Einsamkeit ist. Und ich bin tatsächlich überzeugt davon, dass das Um und Auf unserer Kunst Wahrhaftigkeit ist. In welcher Form auch immer. Vielleicht ist das eine altmodische Sicht, für mich ist es richtig. Und es ist das Credo von Maria Callas.

Wenn man sich die Figur der Callas in 170 Vorstellungen zu eigen macht, wird man da nicht selbst zur Diva?
Man kann sich dem gar nicht entziehen. Jedenfalls hat es meinen Ruf als „schwierig“ begründet!

Herrlich!
Na, ja. (lacht) Es hat mir nicht immer nur genützt. Vielleicht war ich damals ja auch eine Diva, das kann man selber im Moment schlecht erkennen. Sicher hat die Rolle der Callas auf mich abgefärbt, wie es auch Elektra und all die anderen Figuren getan haben.

Aber ist das nicht auch ein, sagen wir prickelndes Gefühl, sich so fühlen zu können?
Wissen Sie, dieser wunderbare Beruf hat ja Höhen und Tiefen, und die Tiefen muss man dann auch durchstehen, und da weiß ich schon, dass viele gesagt haben: naja, die schwierige, jetzt muss sie halt schauen, wo sie bleibt... Ich bin nicht dumm und eher ein bescheidener Mensch, also hab ich die Callas nie mit mir verwechselt. Für mich war jede Vorstellung eine unglaubliche Herausforderung, vor der ich mich zu Tode gefürchtet habe.

Warum gefürchtet?
Ich hab manchmal vor dem Beginn gedacht, ich breche jetzt zusammen. Kräftemäßig. Ich kann das nicht. Es war wie ein hoher Berg, den ich allein besteigen musste: wenn dieses riesige Volkstheater knall voll war, und ich bin als Maria Callas mit zitternden Knien langsam durch den Mittelgang auf die Bühne gegangen, habe den ersten Satz gesagt: „Keinen Applaus bitte!“, und wusste, die nächsten zwei Stunden sind ausschließlich meine. Und ICH muss es bringen. Niemand sonst. Vor allem muss ich es Maria Callas gegenüber bringen. Ich verehre diese Frau so sehr, damals wie heute, und muss ihrem Anspruch gerecht werden.

Was ist eine Diva?
Ja, gute Frage. Eine richtige Diva hat immer Grund, Diva zu sein. Aufgrund dessen, was es sie kostet. Aufgrund dessen, was sie gibt, was sie herschenkt. Sich selber nämlich. Eine Diva wird man nicht ungestraft. Callas hatte alle Berechtigung eine Diva zu sein und auch so behandelt werden zu wollen. Wenn man so viel von sich verbrennt, hergibt, dann kann man nicht wie jedermann durch die Straßen gehen. Dann braucht man Schutz, Distanz, Abstand zu anderen Leuten.

Trifft das auch auf Sie zu?
Für mich war Distanz immer ein ganz wichtiges Mittel, um durchzukommen. Ich neige dazu, mich vor Menschen eher zu fürchten als freudig auf sie zuzugehen. Distanz schien mir wichtig, um mich zu schützen. Was dann eh nicht gelungen ist. Distanz wird einem nicht verziehen und immer als Arroganz ausgelegt.

Der Mythos Callas lebt! Was wünschen Sie sich zum 100. Geburtstag für die „Meisterklasse“?
Ich wünsche mir, dass es Sinn macht, das Stück wiederaufzunehmen. Sinn macht es dann, wenn ich die Menschen erreiche, sodass sie etwas verstehen, was sie vorher nicht gewusst haben. Ich möchte ihnen 2 Stunden erzählen von einer Jahrtausend-Künstlerin, einer Riesin des Gesanges, einer Ausnahmeerscheinung, die uns mit ihrer Kunst beschenkt hat und damals wie heute verzaubert. 

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