Bedürftige im Visier
Anonymer Spender überschüttet Stadt mit Geld
Begonnen hatte alles im November. Nachdem die "Braunschweiger Zeitung" über das traumatisierte Opfer eines Handtaschenraubes berichtet hatte, schlug der anonyme Spender zum ersten Mal zu. Bei der Stiftung Opferhilfe steckte eines Morgens ein nicht beschrifteter Umschlag im Briefkasten. Inhalt: 10.000 Euro in bar und der betreffende Zeitungsausschnitt.
Das Geld wurde brav weitergereicht, und schon bald ließ der Unbekannte erneut von sich hören. Jeweils 10.000 Euro gingen an eine Kindertagesstätte, die Sternsinger, die Braunschweiger Tafel und eine Suppenküche. Auch diesmal wieder in einem weißen Umschlag und zumeist mit einem Zeitungsausschnitt, in dem über die jeweilige Organisation und ihre Nöte berichtet wurde.
Einmal steckten sogar 50.000 Euro im Umschlag
Einmal steckten sogar 50.000 Euro im Umschlag. Die mussten sich allerdings – so der stumme Befehl des Spenders – fünf Organisationen teilen. Ebenso freuen durfte sich die Familie des schwer behinderten Tom. Der 14-Jährige kann sich seit einem Schwimmunfall vor sieben Jahren kaum mehr bewegen und nur noch über einen Sprachcomputer kommunizieren. Mit den 10.000 Euro, die die Eltern über den Umweg Rathaus-Briefkasten erhielten, wollen sie dem Buben nun eine kostspielige Therapie finanzieren. Über die Familie war ebenfalls kurz zuvor in der "Braunschweiger Zeitung" berichtet worden.
Bislang 180.000 Euro hat der unbekannte Spender verteilt. Andere Städte blicken neidvoll auf die 250.000-Einwohner-Kommune. Das "Hamburger Abendblatt" beschwerte sich kürzlich sogar darüber, dass die Geldbörsen der einheimischen Hanseaten "mit Stacheldraht versehen sind".
Wer steckt hinter den Spenden?
Wer hinter den Spenden steckt, ist nach wie vor völlig unklar. Manche Braunschweiger glauben, dass jemand eine große Erbschaft oder einen Lottogewinn gemacht habe und seine Freude nun einfach teile. Andere spekulieren hingegen darüber, dass der Spender mit unsauberen Geschäften zu seinem Vermögen gekommen sei und sein Gewissen beruhigen wolle.
Innerhalb Braunschweigs ist derweil ein bizarrer Wettstreit entbrannt. Immer mehr Personen und Organisationen läuten bei der "Braunschweiger Zeitung" an und wollen, dass über sie und ihr Schicksal berichtet wird. Doch der Lokalchef des Blattes bremst: "Wir lassen uns nicht instrumentalisieren." Doch diese Sorge ist wohl ohnehin unbegründet. Denn wenn der Wohltäter keine lohnenswerten "Ziele" in der Zeitung findet, dann pausiert er manchmal einfach mehrere Wochen.
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