'Äußerst bedenklich'

Mikl-Leitner beißt mit Schweizer Asyl-Modell auf Granit

Österreich
22.02.2012 11:06
Für politische Diskussionen sorgt derzeit eine von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner vorgebrachte Überlegung, die Unterstützung für Entwicklungsländer an deren Kooperationsbereitschaft in Asyl-Angelegenheiten zu binden, wie dies in der Schweiz der Fall ist. Während NGOs gegen den Vorstoß Sturm laufen, beansprucht die FPÖ die Idee - nun "von den Schweizern geklaut" - prinzipiell für sich. Aus dem Büro des zuständigen ÖVP-Staatssekretärs Wolfgang Waldner gibt es indes eine klare Absage: Österreich gehe einen anderen Weg als die Schweiz, daher werde es wohl keine Koppelung der beiden Bereiche geben.

Die Diskussion war am Dienstag aus dem Nachbarland nach Österreich geschwappt. Die Schweizer Regierung wird Entwicklungshilfe künftig als Druckmittel einsetzen, um abgelehnte Asylbewerber leichter in deren Herkunftsländer abschieben zu können. Hilfsgelder für die betreffenden Staaten sollen nach Angaben von Justizministerin Simonetta Sommaruga nur fließen, wenn diese bei der Rückführung ihrer Bürger mit der Schweiz gut kooperieren (siehe Infobox).

FPÖ: Wer hat's erfunden?
Innenministerin Mikl-Leitner war am Rande des Ministerrats von dieser Idee durchaus angetan und sprach von einem Schritt in die richtige Richtung bzw. von einem guten Ansatz, den man bei einem Besuch in der Schweiz ansprechen werde. Die FPÖ wiederum reklamierte, dass eine entsprechende Initiative von den Freiheitlichen bereits 2006 gestartet worden sei, sich Mikl-Leitner also nicht als "Retterin des Abendlandes" feiern lassen brauche.

Die Umsetzung der Idee ist allerdings alleine schon insofern schwierig, als aus jenen Ländern, in denen Österreich seine ohnehin nicht gerade opulenten Entwicklungshilfe-Zahlungen (0,3 Prozent des BIP) schwerpunktmäßig einsetzt, nicht gerade viele Flüchtlinge nach Österreich kommen. Aus Mosambik beispielsweise gab es 2011 nicht einen einzigen Antrag, aus Bhutan einen, aus Uganda acht, aus Äthiopien 13. Einzig Somalia, wo man zuletzt bei einer großen Hungerskatastrophe Hilfe geleistet hatte, ist mit 611 Anträgen ein nennenswerter Faktor, allerdings bisher kein Schwerpunktland der österreichischen Zahlungen.

Staatssekretär über Vorstoß wenig erfreut
Auf diese Rahmenbedingungen wies auch Staatssekretär Waldner hin, doch selbst wenn dies nicht so wäre, hätte er mit der Verquickung der Themen Entwicklungshilfe-Zahlungen und Asyl keine Freude, wie er am Dienstagabend in "ATV aktuell" betonte. Denn bei der Entwicklungszusammenarbeit gehe es ja darum, in den Ländern demokratische Strukturen aufzubauen und auch damit den Migrationsdruck zu lindern. Waldner geht daher davon aus, Parteifreundin Mikl-Leitner von seiner Position überzeugen zu können.

NGO-Dachverband: "Äußerst bedenklich"
Als "äußerst bedenklich" wird die Überlegung indes auch von "AG Globale Verantwortung", der Dachorganisation jener 42 österreichischen Nichtregierungsorganisationen, die in den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit tätig sind, bezeichnet. "Durch die Rücknahmeabkommen wird massiver Druck auf Entwicklungsländer ausgeübt", erklärte Geschäftsführerin Petra Navara-Unterluggauer.

Damit handle die Innenministerin nicht nur gegen eine UNO-Resolution aus dem Jahr 2006, die sich für eine sinnvolle Verknüpfung der Migrations- und Entwicklungspolitiken zur Erreichung der international vereinbarten Entwicklungsziele ausspricht. Mikl-Leitners Aussage stehe auch konträr zur Entschließung des Europäischen Parlaments zu Entwicklung und Migration. "Die Flüchtlings- und Migrationspolitik darf keine einseitige Abschottungspolitik sein, die Menschrechte - insbesondere der Schutz vor Verfolgung und das Recht auf würdige Lebens- und Arbeitsbedingungen - müssen im Vordergrund stehen", stellte Navara klar.

Grüne sprechen von "zynischem Vorstoß"
Scharfe Kritik kam auch von den Grünen. Menschenrechtssprecherin Alev Korun sprach von einem "zynischen Vorstoß" Mikl-Leitners und verwies zudem darauf, dass Afghanistan, Tschetschenien und Pakistan, woher die meisten Asylwerber kämen, keine Schwerpunktländer der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit seien. Die entwicklungspolitische Sprecherin der Grünen, Judith Schwentner, wiederum wies darauf hin, dass Österreich bisher nicht einmal die internationalen Vorgaben erfülle, das Vorhaben der Innenministerin sei alleine schon deshalb blanker Hohn.

Die entwicklungspolitische Sprecherin der SPÖ, Petra Bayr, ortete einen "Populismus-Wettstreit zwischen der Innenministerin und der FPÖ", der jeglicher sachlicher Grundlage entbehre. Die ohnehin sehr spärlichen österreichischen Entwicklungsleistungen dafür zu missbrauchen, eine Debatte über "böse afrikanische Länder" vom Zaun zu brechen, die angeblich ihren Verpflichtungen nicht nachkämen, sei nichts anderes als Kleingeld auf dem Rücken der Ärmsten der Armen zu wechseln.

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