Im SOS-Kinderdorf

Das oberste Ziel, ist Familien wieder zu vereinen

Wien
12.08.2023 19:00

Acht Kinder im Alter von vier bis 17 Jahren, sieben Pädagogen und ein Wirtschafter - die „Krone“ besuchte eine Wohngemeinschaft des SOS-Kinderdorfes in Floridsdorf. Seit der ersten SOS-Kinderdorf-Familie 1949 im Tiroler Imst hat sich einiges geändert: Von den Gründen, warum die Kinder nicht bei der Familie sein können bis zu den verschiedenen Wohn- und Betreuungsformen.

Es gibt unterschiedliche Gründe, warum Kinder und Jugendliche nicht bei ihren Eltern aufwachsen können oder dürfen. Im Jahr 2022 gab es in Wien mehr als 12.000 Meldungen wegen vermuteter Gefährdung von Kindern. Die häufigsten Gründe sind dabei der Verdacht auf Vernachlässigung sowie Gewalt. Werden die Kinder dann von der Kinder- und Jugendhilfe aus der Familie geholt und eine Rückführung nicht möglich, finden sie im SOS-Kinderdorf ein neues Zuhause.

Mathe mag sie nicht
So wie Lisa. Die 11-Jährige geht gerne in die Schule, wobei sie Mathe nicht mag. Viel lieber schreibt sie Fantasiegeschichten. Zusammen mit weiteren sieben Kindern zwischen vier und 17 Jahren wohnt sie in einer Wohngruppe in einer etwa 200 Quadratmeter großen Wohnung in einem normalen Mehrparteienhaus in Floridsdorf. Rund um die Uhr werden sie von zwei der insgesamt sieben Pädagogen betreut. Zusätzlich gibt es einen Wirtschafter, der sich um den Einkauf und das Kochen kümmert.

Mit Humor Krisen meistern
Eine der Pädagoginnen von Lisas Wohngruppe ist Katharina Führer. Die 27-Jährige arbeitet seit fünf Jahren hier. „Man muss strukturiert, liebevoll, verständnisvoll sein. Und man muss Humor haben“, sagt sie. „Und mit den Bedürfnissen von verschiedenen Kindern mit unterschiedlichen Krisen umgehen können“, ergänzt Katharina Dusanek, die pädagogische Leiterin von zwei WGs.

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Wenn die Kinder wieder in ihre Familien zurück- kehren können, sind das die Erfolgsgeschichten. Es ist schön, wenn es gelingt.

Katharina Dusanek, Pädagogische Leiterin

Mitgefühl, aber kein Mitleid
Die Betreuer kennen die Geschichten der Kinder, warum sie hier sind. Macht das betroffen? „Man hat Mitgefühl, aber kein Mitleid“, schildert Führer. Man sei ein Wegbegleiter für eine gewisse Zeit, in der man versuche, ein paar Steinchen aus dem schweren Rucksack, den die Kinder zu tragen haben, rauszunehmen. Und die Zeit dafür ist nicht allzu lange, denn mit 18 Jahren müssen die Kinder auf eigenen Beinen stehen. Kontakt wird nicht gehalten.

„Das ist die professionelle Haltung. Natürlich fällt das mal leichter, mal schwerer. Aber wir betreuen die Kinder auf einem Stück ihres Weges. Dann ist es abgeschlossen“, berichtet Dusanek. Bis dahin will Führer ihren Schützlingen beibringen, auf sich aufzupassen und selbstbestimmt durchs Leben zu gehen. Verlässt ein Kind eine WG, wartet das nächste schon auf den Platz.

Wobei die schönsten Abschiede jedoch jene sind, in denen die Kinder wieder in ihre eigenen Familien zurückkehren. „Das ist unser größtes Ziel. Und manchmal passiert es auch“, bekräftigt Dusanek. Dem stimmt auch Erwin Roßmann, Leiter des SOS-Kinderdorf in Wien im Interview zu.

Wie kann man sich das SOS-Kinderdorf in Wien vorstellen?
Die klassische SOS-Kinderdorf-Familie ist nur ein Teil, eigentlich gibt es nur noch eine. In Wien haben 250 Kinder und Jugendliche bei uns ein Zuhause gefunden. Die meisten leben in betreuten WGs. Im Familienrathaus in Floridsdorf bieten wir zum Beispiel einen Jugendtreff, das Ambulatorium für Kinder- und Jugendpsychiatrie und eine Heilstättenklasse für Schüler mit besonders hohem Betreuungsbedarf. Zudem betreuen wir 900 Kinder präventiv. In der mobilen Elternarbeit unterstützen wir auch die Mütter und Väter der Kinder, die im SOS-Kinderdorf leben. Wir bieten außerdem Eltern-Kind-Wohnen an, denn das oberste Ziel ist natürlich, dass die Familie zusammenbleibt.

Warum kommen Kinder ins SOS-Kinderdorf?
Das ist unterschiedlich. Die häufigsten Gründe sind aber Gewalt, psychische, physische und sexuelle, Vernachlässigung und die sogenannte neue Armut. Im Gegensatz zu früher sind die Kinder zu 99 Prozent keine Waisen.

Kommt es auch vor, dass die Kinder wieder zurück in ihre Familien kommen?
Durchaus, und das ist auch unser Ziel. Eltern bleiben die Eltern, auch wenn ein Kind im SOS-Kinderdorf lebt. Deswegen ist der Kontakt zur Herkunftsfamilie sehr wichtig: von kurzen Telefonaten bis zu Besuchen über das Wochenende. Irgendwann wird das Kind die Frage stellen: Warum bin ich da? Und diese Frage ist mit den Eltern leichter zu beantworten.

Wer entscheidet, welche Kinder zu Ihnen kommen?
Das macht die Kinder- und Jugendhilfe der Stadt.

Ist die Zahl der aufgenommenen Kinder gestiegen?
Derzeit sind in Wien 4000 Kinder in voller Betreuung. So viele waren es auch vor 15 Jahren. Schaut man sich aber das Bevölkerungswachstum dazu an, ist die Zahl gesunken. Parallel dazu sind aber die mobilen Angebote mehr geworden. Seit unserer Elternarbeit stieg die Zahl der Kinder, die wieder zurückkönnen.

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