Zu wenig Angebote

Psychosomatik: Fünfmal so viele Patienten wie 1996

Wien
27.07.2023 06:00

Wenn für eine Krankheit keine organische Ursache gefunden wird, landen Patienten auf der psychosomatischen Ambulanz. Die Fallzahlen sind explodiert, die Angebote dagegen nicht.

Was ist eigentlich eine psychosomatische Erkrankung? „Eine, bei der die Psyche und der Körper zusammenwirken. Der Körper, die Seele, die sozialen Umstände - das alles spielt bei der Gesundheit des Einzelnen eine große Rolle“, erklärt Primaria Larisa Dzirlo, Fachärztin für Innere Medizin und Psychotherapeutin. Jede körperliche Erkrankung habe Einfluss auf die Psyche sowie umgekehrt.

Es gibt zu wenig Angebote für Betroffene 
Das Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern ist seit 30 Jahren ein Pionier in der Behandlung von psychosomatischen Krankheitsbildern. Sie waren damit nicht nur einer der Ersten, sondern sind jetzt auch noch die Einzigen, die das in ambulanter und stationärer Form anbieten. Und das, obwohl sich die Anzahl der Patienten in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt hat, seit 1996 sogar verfünffacht.

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Ich empfehle Patienten, die Beschwerden haben, die nicht auf körperliche Beschwerden zurückzuführen sind, uns zu besuchen.

(Bild: Tomschi Peter)

Primaria Larisa Dzirlo

Eine von ihnen ist Lisa. Die 56-Jährige litt jahrelang an Magen-Darm-Beschwerden, Müdigkeit und letztendlich auch Depressionen. Helfen konnte ihr in den niedergelassenen Arztpraxen kaum jemand. Durch mehr oder weniger Zufall landete sie schließlich in der psychosomatischen Ambulanz. „Zu uns kommen Patienten, die zigmal im niedergelassenen Bereich untersucht wurden, es aber keinen rein körperlichen bedingten Befund gab“, berichtet Dzirlo. Bei solchen sei nämlich die psychosomatische Komponente dominant. Diese kann sich etwa durch Müdigkeit, Erschöpfung oder funktionelle Darmerkrankungen zeigen - ohne körperlichen Grund dafür.

Fakten

750 Patienten mussten im vergangenen Jahr auf der III. Medizinischen Abteilung stationär aufgenommen werden. Das bedeutet eine Verfünffachung im Vergleich zum Jahr 1996.

„Unsere Anamnese erfolgt dann ganzheitlich. Wir schauen uns auch die psychosoziale Komponente an“, sagt die Primaria. Wie ist der soziale Status, gibt es Stress im Beruf oder Privatleben, einen Mangel an sozialer Unterstützung. Und dann wird eine auf den einzelnen Patienten zugeschnittene Therapie mithilfe von Ärzten, Psychotherapeuten, Sozialarbeitern, Diätologen und Physiologen erstellt. So auch für Lisa. „Ich war in einem dreiwöchigen stationären Programm. Zum ersten Mal fühlte ich mich wirklich ernst genommen.“ Neben einer psychischen Komponente wurde für ihre Erkrankung auch physische gefunden, wie etwa ein Vitamin-B12-Mangel.

Zwei Drittel der Patienten sind weiblich
Der Durchschnittspatient ist 45 Jahre alt, zwei Drittel sind weiblich. Auch viele Frauen mit Essstörungen werden hier behandelt. Ebenso Personen mit chronischen Erkrankungen wie Morbus Crohn, die deswegen auch psychische Probleme erleiden.

Psychosomatik habe nichts mit Einbildung zu tun, betont Dzirlo. „Auch die Psyche ist ein komplexes System, das Auswirkungen auf den Körper haben kann.“ Auch Lisa dachte zunächst nicht an den psychosomatischen Aspekt. Nach der Behandlung hat sie ihre Leben umgekrempelt. „Ich fühle mich endlich wieder stark.“

„Das Bewusstsein für die körperliche Gesundheit, auch die psychische, ist gestiegen“, freut sich Dzirlo. Aber: Das Angebot müsse dringend ausgebaut werden. Auf einen Ambulanztermin wartet man derzeit zwei Monate.

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