Post-Punk-Gitarren, 80s-NDW-Elektronik und eine kräftige Portion ironischer Nihilismus - fertig ist das Gebräu, das uns Salò auf seinem Debütalbum „Subjektiv betrachtet“ kredenzt und mit dem er quer durch Österreich fährt. Unter anderem macht er diese Woche im Wiener Fluc und Mitte Juni beim Lido Sounds in Linz Halt.
Mit dem ihm zugesprochenen Begriff „Neue Neue Deutsche Welle“ kann der Wiener Musiker Salò nicht sonderlich viel anfangen, auch wenn er erst durch die medialen Vergleiche selbst in die Welt der NDW der 80er-Jahren eingetaucht ist und sich eine kräftige Portion musikalische Bildung draufgeschafft hat. Was auch immer das ist, was Andreas Binder, so sein bürgerlicher Name, auf seinem Debütalbum „Subjektiv betrachtet“ vor wenigen Tagen in den Orbit schoss, es trifft auf jeden Fall den Zeitgeist und den Geschmack urbaner Jugendlicher, die sich vermehrt gegen Kapitalismus und Neoliberalismus wehren und in einer dem Untergang geweihten Welt mit scheinbar unorthodoxen Methoden gegen den Stillstand und die Borniertheit der Älteren kämpfen.
Alltagsbetrachtungen
Der Albumtitel ist Zustand und Symptombekämpfung zugleich. Ein Anprangern des Systems und die nicht enden wollende Suche nach wahrer Liebe und bedingungsloser Freiheit - zwei erstrebenswerte, aber kaum realisierbare Idealzustände in einer Welt voller Hast und ohne Rast. Zwischen stoisch polternden Drums, schrägen Gitarren und einer trashigen Lo-Fi-Ästhetik erweisen sich die elf Songs als Bestandsaufnahmen aus einer diffusen Realität. Salò inszeniert sich doppelbödig als „Mann ohne Leidenschaften“ oder macht sich in der bereits vor Monaten veröffentlichten Single „Ich glaube nicht an Dinosaurer“ über die Schwurbler und Verschwörungstheoretiker lustig, die Wissenschaft und Logik seit geraumer Zeit kräftig auf Trab halten.
„Baby Baby Bürgermeister mach alles Grüne für mich grau“ heißt es in der Stadtparabel „Geil auf Betong“, die mit donnerndem Post-Punk-Nihilismus ins Herz des urbanen Generationskonflikts sticht. Neben den Extrabreit-Referenzen der NDW ist es vor allem genannter Post-Punk, der sich musikalisch immer wieder Bahn bricht. Salò stammt ursprünglich aus der Punk-, Hardcore- und später auch Metal-Ecke und vereint in Songs wie „Schwiegersohn“ oder „Alle meine Katzen“ gerne einmal die Einflüsse von früher, ohne sich dabei zu explizit in ein stilistisches Eck zu drängen. Dazu nuschelt oder keucht sich der Frontmann durch die Songs und will - den Themen angepasst - nur ja nie euphorisch oder gar zufrieden klingen. Will man die Lebensrealität abbilden, hat Schönheit eben keinen Platz.
Vieles ausprobieren
Salòs Drummer Mathias Garmusch ist auch Produzent und rechte Hand des Künstlers. Seit den Kindheitstagen schrauben die beiden in trauter Einigkeit an den Songs, gingen durch dieselben musikalischen Phasen und haben sich auf „Subjektiv betrachtet“ nun irgendwo gefunden, in ihrer ganz persönlichen Gemengelage aus adoleszenten Klang-Erinnerungen und jenen Gefilden, in denen sie sich jetzt und in Zukunft ausprobieren möchten. Inhaltlich werden Ironie und Sarkasmus wie die wilde Sau durchs Dorf getrieben, doch am Ende suchen auch die coolen Kids nur Geborgenheit und Zusammenhalt in einer Welt voller Irrungen und Wirrungen. Dazu ist Salò ein profunder Beobachter real existierender Unsicherheiten. „AMS (Heiter bis wolkig)“ ist eine Ode an das echte Leben außerhalb von Büro- und Fabrikzwängen, „Wo willst du hin“ spricht auf die Unentschlossenheit an, wie man ein Leben voller Druck und Prüfungen meistern soll und in „Internetfreundin“ geht es nicht zuletzt um das permanente Online-Sein und die Liebe im digitalen Orbit.
„Subjektiv betrachtet“ changiert zwischen eruptiven Ausbrüchen und feinsinnigen Momenten, zwischen Gesellschaftskritik und der Befreiung vom Selbstoptimierungswahn und zwischen 90er-Schrammelgitarren und Bedroom-Elektronik mit Nostalgie-Flair. Das Album ist eine Laissez-faire-Bestandsaufnahme des Lebens, das den Zeitgeist und moderne Trends ebenso aufarbeitet wie die doch immer wieder leise durchschimmernde Sehnsucht nach mehr Realität und Ungezwungenheit in einer grassierenden Welt voller KI-Ängste und virtueller Beschönigungen. Mit „Subjektiv betrachtet“ stößt der Wiener auch viele Sound-Türen auf, durch die er künftig gehen kann. Wenn schon das Leben nicht immer frei ist - die Musik ist es allemal. Keine schlechte Voraussetzung für alles Weitere.
Live in Österreich
Salò ist mit dem Album „Subjektiv betrachtet“ nun auch auf großer Tour durch Österreich und Deutschland. Unter anderem ist er am 25. Mai in der Fluc Wanne in Wien zu Gast (bereits ausverkauft). Weitere Termine: 2. Juni im Orpheum Extra in Graz, 15. Juni Rockhouse Salzburg, am 18. Juni im Zuge des Lido Festivals in Linz, am 29. Juli beim Poolbar Festival in Feldkirch und am 29. September im Röda in Steyr.
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