Taxi-Geschichten

Per Einladung zum großen Glück des Lebens

Wien
16.01.2023 11:00

Wir fahren mit und hören zu. „Krone“-Reporter Robert Fröwein setzt sich auf die Taxi- oder Uber-Rückbank und spricht mit den Fahrern über ihre Erlebnisse, ihre Sorgen, ihre Ängste. Menschliche Geschichten direkt aus dem Herzen Wiens.

Es herrscht Vogelgezwitscher, die Sonne brennt intensiv vom Himmel und olfaktorisch vernimmt man ein ganz besonderes Odeur von Frühling. Mein Handy zeigt mir 12 Grad Celsius an, als mich Yamon am frühen Nachmittag aufgabelt, und Richtung Hauptbahnhof fährt. So schön es auch ist, für eine zweite Jänner-Woche passt eigentlich gar nichts zusammen. Schon nach wenigen Metern lacht der sympathische Ägypter: „Als ich nach Österreich kam, habe ich jahrelang unter der Kälte gelitten. Im Winter war es auch in Wien heftig, aber jetzt fühle ich mich fast schon wie daheim.“ Sein „Daheim“ liegt eigentlich schon mehr als drei Jahrzehnte zurück und ist ein kleiner Vorort von Alexandria. Dort wuchs Yamon mit insgesamt zehn Geschwistern auf und verbrachte Kindheit und Jugend.

Ende der 80er-Jahre übersiedelte er mit Anfang 20 nach Österreich. „Eine meiner älteren Schwestern hat in Österreich geheiratet und mein Schwager schrieb ein Einladungsschreiben. Damit konnte ich relativ problemlos nach Österreich kommen.“ Lebhaft erinnert er sich zurück, dass der Weg zur Staatsbürgerschaft weniger steinig, die Migration aber auch noch nicht so ausgeprägt war. „Ich wusste damals noch nicht, dass ich in Österreich bleiben würde. Es hat sich einfach so ergeben, wie eigentlich alles in meinem Leben.“ Auf ruralem Gebiet zu Hause, war die Zukunft früh vorgezeichnet - wie der Vater sollte auch Yamon Bauer werden. „Ich hatte aber kein Talent und auch keine Lust dazu. Dafür bin ich schon als 14-jähriger Traktor gefahren. Da hat die Liebe zu Fahrzeugen begonnen.“

Ausbildungsmöglichkeiten waren in Ägyptens Arbeiterschicht relativ schwierig, deshalb war der ungeplante und gar nicht vorbereitete Sprung nach Österreich erst einmal relativ gefahrlos. „Ich wusste sowieso noch nicht, was ich tun sollte und habe es einfach probiert.“ Yamon erinnert sich zwar an ein „graues und kulturell sehr dünn besiedeltes“ Wien, aber auch daran, dass er sich durch seine Schwester schnell wohlfühlte und ihm das Deutschlernen überraschend leicht von der Hand ging. In den ersten Jahren findet er einen Job als technischer Mitarbeiter in einem Druckereiunternehmen in Simmering, das heute nicht mehr existiert. „Körperlich war es wirklich hart, dazu hatten wir immer Zwölf-Stunden-Schichten. Tagsüber und nachts. Das machte meinen Organismus komplett kaputt und wenn die Sonne schien, kann ich nicht schlafen.“

Vor knapp 25 Jahren wird Yamon zum Taxifahrer - und sollte diese Profession, genauso wie Österreich, nie wieder verlassen. „Für den Taxischein zu lernen, war hart. Es hat viel gekostet und war schwierig. Aber sobald ich im Auto war, fühlte ich mich wohl.“ Damals verließ man sich noch nicht auf Navigationsgeräte, sondern eignete sich im tagtäglichen Berufsstahlbad eine penible Ortskenntnis an. „Früher fuhr ich auch nachts, weil viel Geld zu verdienen war, aber das hat nichts an meinem Schlafproblem geändert. Also habe ich angefangen, nur noch tagsüber zu fahren.“ Erst vor einem guten Jahr verließ er sein einstiges Taxiunternehmen und heuerte bei Uber an. Bereut hat er diesen Schritt nicht. „Ich habe mehr Freiheiten und wenn man fleißig ist, bleibt einem mehr über. Früher gab es bei den Mietwagen auch mehr Transparenz, aber das hat sich jetzt zum Glück angeglichen.“

Yamon hat noch einige Jahre vor sich und denkt nur ganz leise an die Pension. Das Fahren in Wien macht ihm so viel Spaß, dass er damit keine besondere Eile hat. Seine vier Kinder sind alterstechnisch nahezu perfekt gestaffelt. „Mein ältester Sohn ist Softwareingenieur, die älteste Tochter studiert gerade, das dritte Kind ist bei der Matura und die jüngste in der Volksschule.“ Vier seiner Geschwister sind leider schon verstorben, mit den restlichen hält er regen Kontakt nach Ägypten. „Seit es Smartphones und Apps gibt, ist das endlich sehr leicht. Telefonate haben früher unheimlich viel gekostet. Ich bin so froh, dass das jetzt vorbei ist.“ Wünsche für die Zukunft? „Meine Kinder sollen einfach glücklich sein und gesund bleiben.“

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