Taxi-Geschichten

Heiligabend in Wien – kaum Zeit für Besinnlichkeit

Wien
23.12.2022 16:00

Wir fahren mit und hören zu. „Krone“-Reporter Robert Fröwein setzt sich auf die Taxi- oder Uber-Rückbank und spricht mit den Fahrern über ihre Erlebnisse, ihre Sorgen, ihre Ängste. Menschliche Geschichten direkt aus dem Herzen Wiens.

Der süße Geruch von Beerenpunsch, dicht gedrängte Massen zwischen den Standln, dazu ein dampfendes Knoblauchlangos oder ein selbstgebasteltes Christkind aus Keramik - die Weihnachtszeit ist hierzulande eine ganz spezielle, die zwischen Besinnlichkeit und Kommerz changiert. Je näher das Fest rückt, umso ruhiger wird der Alltag. Zumindest bei einem Gros der Menschen, nicht aber für Miraz. Heiligabend sei für ihn als Uber-Fahrer nur die Spitze des Eisbergs, wie er mir während einer Fahrt über den Ring Richtung Innenstadt erzählt. „Viele fahren in der Stadt zu ihren Familien und dann wieder retour. Sie wollen nicht selbst fahren, weil sie Alkohol trinken und auch nicht die Öffis benutzen, weil die sowieso nie daherkommen. Also herrscht bei mir Hochbetrieb.“

Der Wirbel begann heuer schon Ende November. Nach zwei mehr als dürren Corona-Wintern herrschte im Mietwagen- und Taxigewerbe endlich wieder Hochbetrieb. Miraz geht dabei seit Wochen an seine Grenzen. „Ich arbeite jeden Tag 12 bis 14 Stunden, sechs Mal die Woche. Je nach Verkehrslage sind das zwischen 14 und 25 Fahrten. Da bleibt schon ordentlich was übrig und ich wäre blöd, würde ich diesen Schub nicht nützen.“ Trotz der weihnachtlichen Touristenströme in Wien bleibt der Sonntag für den dreifachen Familienvater tabu. „Mein Kleinster feierte unlängst Geburtstag und wir haben uns nebenbei auf der Couch das WM-Finale angesehen. Natürlich könnte ich an dem Tag viel verdienen, aber die Familie hat Vorrang.“

Doch nicht nur Touristen haben Miraz‘ Geldbörse nach einem eher mauen Herbst stärker gefüllt, auch die zunehmenden Weihnachtsfeiern haben sich monetär positiv ausgewirkt. „Man merkt schon noch, dass viele Firmen zaghafter sind als es noch vor Corona der Fall war, aber unter der Woche war ab 23 Uhr abends schon sehr viel drinnen.“ Das Leid mit den unsteten und derzeit überforderten Wiener Linien ist des Favoritners Freud. „In der Kälte wollen sich die Leute an den Haltestellen nicht die Füße in den Bauch stehen. Da rufen sie vorher lieber uns und wissen, dass sie in einer schön warmen Umgebung schnell und möglichst unabhängig wieder zuhause sind.“

Der einst in einer Kühlkammer in einem in Inzersdorf angesiedelten Großhandel tätige Mitdreißiger ist seit fünf Jahren als Fahrer unterwegs und hat die Hochzeiten der Taxler zu Weihnachten gar nie richtig erlebt. „Was ich von älteren Kollegen höre, wie viel Geld die früher eingenommen haben, da kommen wir nie mehr hin. Außerdem muss ich beim Stehen alle Parkscheine zahlen und habe die steigenden Abnützungs- und Benzinkosten zu tragen. Deshalb bleibt mir trotzdem nicht viel mehr von dem Geld, das bei den Bestellungen insgesamt reinkommt.“ Die Teuerungen in allen Bereichen spürt Miraz selbst in diesem florierenden Monat. „Ich bin mir ziemlich sicher, wir hätten noch viel mehr Fahrten, wenn die Leute nicht jeden Cent umdrehen müssten. Wenn es in der Geldtasche der Menschen knapp wird, dann überlegen sie sich eben zweimal, ob sie mich buchen oder nicht.“

Miraz‘ persönliches Weihnachtsfest ist mit etwas mehr Stress verbunden als bei den meisten anderen. Für eine schöne Bescherung und ein gutes Essen bleibt dennoch genug Zeit. „Ich trete meinen Dienst zu Weihnachten erst gegen 19 Uhr an und fahre dann bis in der Früh durch. Es gibt in der ganzen Stadt so viele Weihnachtspartys. Viele Menschen feiern zuhause besinnlich mit der Familie, legen die Kinder irgendwann ins Bett und lassen es dann noch einmal krachen. Dann komme ich ins Spiel“, lacht er und freut sich gleichzeitig auf den Dienst, „bei uns kehrt die Ruhe zeitverzögert ein. An den folgenden Feiertagen ist die Stadt wie ausgestorben und da nehme auch ich mir frei, um mit meinen Lieben zuhause zu feiern. Außerdem muss ich Energiereserven für die Silvesternacht aufbauen“.

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