Mit seiner neuen EP „Chrome Bull“ hat sich der kalifornische Musiker und Modefreak Duckwrth aka Jared Lee endgültig einem melodischen Dance-Sound gewidmet. Viele sehen im ihm einen neuen Pharrell Williams - oder zumindest jemanden, der den Rhythmus des 70er-Funk mit einer zeitgemäßen Produktion in die Gegenwart holt. Wir haben uns mit dem 33-Jährigen in Wien getroffen.
Eine geschlagene Stunde lässt sich Jared Lee aka Duckwrth Zeit, bis er zum vereinbarten Gespräch in den Backstagebereich der Grellen Forelle kommt. Vier Tage vor Weihnachten spielt er sein drittletztes Konzert seiner bislang größten Headliner-Tour in Europa, Starallüren sind ihm trotzdem fremd. Er entschuldigt sich freundlich fürs Zuspätkommen, spricht von einem schnellen Workout und dem frühen Abendessen im Tourbus und schießt sich noch einen Ingwer-Shot in die Figur, um möglichst biologisch und naturbelassen den vielen Viren und Grippesymptomen zu entgehen, die am ganzen Kontinent herumschwirren. Am Vortag besuchte er mit seiner Band mehrere Museen. „Bei dem Wetter ist das genau das richtige“, lacht er, „Kunst inspiriert mich und dafür ist Wien in mehrfacher Hinsicht eine wundervolle Stadt. Bei euch weiß man gar nicht, wo man fertig werden soll.“
Erfolgreich in Film und Fernsehen
Die Karrierekurve von Durckwrth zeigt seit einigen Jahren steil nach oben. Der Kalifornier kommt ursprünglich aus dem Hip-Hop, integrierte aber schnell R&B- und Soul-Einflüsse und begeisterte spätestens mit seinem im August 2020 erschienenen Album „SuperGood“ eine breitere Masse, weil in diesem Sommer der Pandemie niemand sonst so locker und frohgemut auf den Dancefloor bat. Zwei Jahre früher katapultierte sich Duckwrth mit der Single „Start A Riot“ erstmals ins Rampenlicht, was mitunter auch daran lag, dass der Song im Erfolgsfilm „Spider-Man: Into The Spider-Verse“ Verwendung fand. Songs für diverse US-Serien im Streamingbereich folgten, dazu noch etwas Geschick auf Social Media und das Talent zum Allround-Paket - fertig gebraut ist die Erfolgsformel.
Duckwrth ist nicht nur Musiker, sondern auch Fashion-Liebhaber, Grafikdesigner und hat ein gutes Auge für den richtigen Schmuck zum bestimmten Look. „Der Ausdruck des Projekts endet nicht rein bei der Musik“, erklärt er seine vielseitigen Interessen, „ich liebe es, Formen und Stoffe an meinem Körper zu testen und zu probieren. Am Ende ergibt alles einen Sinn.“ Vergangenen Oktober veröffentlichte der 33-Jährige seine famose EP „Chrome Bull“. Acht Songs, inspiriert vom US-Funk der 70er, von der kompromisslosen Selbstständigkeit des unsterblichen Prince und dem R&B-Gestus des zuvor erwähnten „SuperGood“. Oder anders gesagt: wenn House-Beats auf Soul, UK Garage und eine knackige Drum-&-Bass-Produktion treffen, ist man bei diesem viel zu kurz geratenen Appetithäppchen goldrichtig.
Einfach eine gute Zeit haben
„Ich will mit meiner Musik eine Konversation zwischen mir und den Leuten erzeugen“, geht er ins Detail, „es fühlt sich seltsam an, wenn sie nur herumstehen und auf die Bühne schauen. Also ist es das oberste Gebot, dass sie tanzen und Spaß haben. Solange alle eine gute Zeit haben, ist ein Konzert ein Erfolg. Auch wenn es technisch nicht perfekt läuft.“ „Chrome Bull“ ist nicht zuletzt eine Referenz an sein geliebtes Motorrad, eine weitere Leidenschaft des Lebemanns von der Westküste. Vor etwas mehr als zehn Jahren kam seine musikalische Reise ins Rollen, als er das Mixtape „Ducktapes“ hochlud und damit erste Erfolge feierte. „Ich stamme aus einer Familie, der es nie vergönnt war, viel zu reisen. In erster Linie wollte ich die Welt sehen. Dass mir die Musik das nun tatsächlich ermöglicht bzw. jemand etwas mit meinen Songs anfangen kann, das war natürlich nicht vorherzusehen.“
Duckwrth kommt in erster Linie aus dem Grafikdesign, die Musik ergab sich aus Leidenschaft. Einen Plan B hatte Lee nie in der Tasche. „Ich habe mich einfach überall ausgetobt und versucht, all meine Leidenschaften zu vermischen.“ Mittlerweile hat er sich in catchy Melodien verliebt, die Streaming-Ära kommt einem Künstler wie ihm zugute. „Man muss längst nicht mehr in einem Genre verweilen, sondern kann sich überall ausprobieren. Ich weiß, dass ich nicht der beste Sänger bin, aber ich liebe das Zusammenstellen von Arrangements und verschiedenen Klängen. Ich sehe mich eher als Dirigent und weiß, dass dort meine Stärken liegen.“ Während der Duckwrth auf der Bühne eine sehr laute, ziemlich offensive Person ist, ist der unmaskierte Jared Lee zurückhaltend und spricht bewusst leise. „Mein Lieblingstier ist der Drache - und die Bühne erlaubt mir, ihn dort freilassen zu können.“
Zu viel Leid in der Religion
Duckwrth stammt aus einem sehr religiösen Haushalt, hat sich aber früh in Richtung Spiritualität orientiert. „Die Religion ist mir zu eng gefasst und zu negativ konnotiert. Wenn ich mich zurückerinnere, hat sie mir immer versucht, meine Eigenständigkeit zu nehmen. Es ging immer darum, den Weg Gottes zu gehen, Gott zu sehen und seinen Wünschen zu entsprechen. Es wird viel zu viel gelitten und in der Bibel gibt es so viel zu hinterfragen. Wenn man die menschliche Existenz verstehen will, findet man dort vielleicht viel, aber sicher nicht alles.“ Duckwrth will lieber inspirieren, wie sein großes Idol Pharrell Williams. „Er ist ein schwarzer Unternehmer. Ein großartiger Musiker, der niemals Grenzen kennt. Er macht immer das, was er für richtig hält und worauf er Lust hat. Dadurch hat er die Grenzen für andere Künstler wie mich verschoben.“
Politik und Gesellschaftskritik hält Lee von seinen Feel-Good-Songs fern. Er möchte lieber die Botschaft der Liebe und des Miteinanders teilen. „Ich würde mit meiner Musik gerne vermitteln, was Größe und Bedeutung sind. Nicht im Sinne von ,seht mich an, ich bin ein Superstar‘, sondern eher in die Richtung ,trau dir das doch zu! Wenn ich das kann, kannst du es erst recht‘. Jeder hat ein bestimmtes Talent in sich schlummern. Man muss es nur erkennen und dann einsetzen.“ Für 2023 hat Duckwrth erst einmal die Veröffentlichung der „Chrome Bull“-Deluxe-Version geplant, der Rest steht noch in den Sternen. „Ich werde im Sommer sicher ein paar Festivals in Europa spielen. Und dann will ich mir einfach das Kindsein erlauben und neugierig bleiben.“ Nicht die schlechtesten Voraussetzungen, um gut in ein neues Jahr zu gehen. Es könnte seines werden …
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.