Vor rund 3500 Fans feierten Alter Bridge ihre postcoronale Österreich-Rückkehr und zeigten eindrucksvoll, dass sich alte Hits mit neuen Songs und wuchtigen Effekten gut verbinden lassen. Mit an Bord - die Grammy-veredelten Hard-Rocker Halestorm und Van-Halen-Sohn Wolfgang, der mit Mammoth WVH seine Österreich-Premiere feierte.
Gemeinsame Band-Dinner jeden Abend, lange Gespräche im Tourbus und am freien Sonntag in Wien sogar eine kleine Beisl-Tour mit viel Bier - Halestorm-Frontfrau Lzzy Hale genießt die Rückkehr des Live-Geschäfts in vollen Zügen, wie sie der „Krone“ vor dem Konzert mit Alter Bridge im Interview verrät. Seit ihrem 13. Lebensjahr ist die Amerikanerin permanent unterwegs, die gut zweijährige Corona-Zwangspause war für eine nomadisch über den Globus tuckernde Band mehr als nur ein Prüfstein. Nach anfänglichen Irrungen und Wirrungen hielt man sich aber durch die Arbeit am neuen und überraschend harten Album „Back From The Dead“ fit und auf ihrer Reise durch Europa hat sich die Beziehung zwischen den vier Mitgliedern, die zwischen 18 und 25 Jahre zusammenspielen, wieder intensiviert.
Endlich wieder Bühne
Diese überbordende Spielfreude zeigt sich auch bei ihrem Stadthallen-Debüt, wo Lzzy mit ihrer intensiven Röhre keine Sekunde Zweifel lässt, wer hier und heute die Chefin im Haus ist. Mit der Fan-Hymne „The Steeple“ und dem Grammy-veredelten „Love Bites (So Do I)“ feuert man routiniert zwei der stärksten Köcher aus dem Talon, beim elegischen „I Am The Fire“ greift sie gar zur Doppelhalsgitarre. Das wilde Solieren wird dann aber doch dem Gesang hintangestellt, für die schnittigen Riffs sorgt Joe Hottinger auf seiner etwas kitschigen goldenen Gibson. Spielwitz, Energie und Motivation passen, als Supportband mit limitiertem Slot dann aber gute fünf Minuten für ein eher mürbes Drumsolo zu verschenken, ist wahrlich unnötig. Halestorm haben sich als Headliner in Österreich schon mal besser geschlagen, aber Lzzy stellt eine Rückkehr im November 2023 in Aussicht. Wir alle wissen: da geht noch mehr.
Vor Halestorm haben Mammoth WVH bei ihrer Österreich-Premiere die Regler schon auf Anschlag gedreht. Wer da nicht mit Ohrenschutz im Front-Of-Stage-Bereich steht, hat hoffentlich rechtzeitig die Zusatzversicherung für das Einzelzimmer im AKH abgeschlossen. Hinter dem Pseudonym steckt niemand Geringerer als Wolfgang Van Halen, seines Zeichens Sohn des unvergessenen Eddie Van Halen. Schon seit 2013 arbeitete an seinem Soloalbum, das schlussendlich im Juni 2021 das Licht der Welt erblickte. Für den Song „Distance“ reicht es fast zu einem Grammy, da grätschten ihm aber noch die routinierten Foo Fighters rein. Mit seiner samtweichen Stimme und introvertiert-liebevollen Aura ist Wolfgang grundsympathisch für die Bühne, dahinter versteckt sich aber leider auch viel Beliebigkeit.
Familienschatten
Songs wie „Mr. Ed“, „Think It Over“ oder „You’re To Blame“ pendeln zwischen Melo-Rock, Hard Rock und Alternative Metal, sind aber in Komposition und Arrangements eher medioker geraten. Slash-Gitarrist Frank Sidoris führt Mammoth WVH am Stromruder kundig an und Wolfgang brilliert an Keyboard, Gitarre und Gesang, aber so richtig will der Funke nicht übergreifen. Den Songs fehlt es nicht nur an Ecken und Kanten, sondern auch an einer eigenen Note. Natürlich ist es gerade mit dem vielleicht breitesten und dunkelsten Schatten der Hard-Rock-Geschichte nicht leicht, sich zu emanzipieren, aber um irgendwann einmal Support-Slots von Alter Bridge und - nächstes Jahr - Metallica einzustreifen, ohne von der familiären Protektion zu leben, muss musikalisch noch deutlich mehr kommen. Das Potenzial ist zweifellos vorhanden, aber am zweiten Album sollte es der liebe Wolfgang dann auch umsetzen können.
Bei den Headlinern von Alter Bridge gibt es schon lange keine Schwächen mehr. Präzise wie ein Schweizer Uhrwerk werden neue Alben im Dreijahresrhythmus veröffentlicht und stoisch Interviews gegeben. Die Maschinerie hinter Sänger Myles Kennedy und Gitarrist Mark Tremonti ist emotionslos und akkurat, aber es sind die Songs, die mitten ins Herz treffen. Das wundervolle „Blackbird“, das melancholisch-traurige „Broken Wings“ oder der von der Halle stilsicher mitgesungene Hit „Addicted To Pain“ - Kennedy gießt seinen beständigen Seelenschmerz in Rock-Hymnen, die aber immer aus der Norm ausbrechen und spannend bleiben. Bestes Bespiel dafür - die Songs des neuen Albums „Pawns & Kings“. Ist schon der Opener „Silver Tongue“ von einer unikalen Härte durchzogen, ist das Gemisch aus Prog-Rock und bleischweren Riffs im eindringlichen „Sin After Sin“ tatsächlich ein früher Höhepunkt im opulenten Set.
Immer noch spannend
Dieses setzen die vier Bandmitglieder mit massiven Lichteffekten in Szene, auf der fünfteiligen Videowall sieht man Zahlenkombinationen, Lavaschlangen und Totenschädel. Kennedy, alles andere als ein geborener Entertainer, lässt die Ansprachen und Publikumsinteraktionen eher im Hintergrund und die Musik für sich sprechen. Bei wiederum übertriebener Lautstärke ist das Quartett nach fast genau einem Monat auf Tour extrem gut aufeinander eingespielt. Seinen 53. Geburtstag feierte der Frontmann noch am freien Sonntag in „dieser unglaublichen, wunderschönen Stadt“. Das mit Tremonti auf der Akustikgitarre vorgetragene Ständchen „In Loving Memory“ wird da gleich als emotionale Komponente herangezogen. Etwas überraschend endet das etwas mehr als eineinhalbstündige Stelldichein mit dem flotten „Open Your Eyes“, während Alter Bridges wohl bester Song, „Cry Of Achilles“, erstmals auf dieser Tour im Köcher bleibt. Ein bitterer Beigeschmack, aber das Gesamterlebnis lässt sonst wenig Kritik zu. Alter Bridge bleiben auch nach sieben Alben noch spannend und zeitgemäß. Das gelingt nicht vielen Bands über so lange Zeit.
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