Wo sind die Igel

Stachelige Vierbeiner in Not

Vorarlberg
21.08.2022 15:13

Der Igel befindet sich in Österreich auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten. Annelies Dalpez kümmert sich seit fast 40 Jahren und verwaiste und verletzte Tiere. Deren Zahl wächst.

Sie sind erst wenige Tage alt, haben ihre Augen noch nicht einmal geöffnet und sind schon Waisen. Behutsam schlägt Annelies Dalpez die Decke zurück und nimmt eines der Igelbabys aus dem Käfig. Das Jungtier ist gerade einmal so groß wie eine kleine Kartoffel, die Haut rosig und faltig; im starken Gegensatz dazu die weiß-braunen Stacheln, die den Rücken bedecken.

Vorsichtig führt die Pflegemutter den Nuckel des Fläschchens an das kleine Maul heran und tropft etwas von der speziellen Aufzuchtmilch heraus. Das Junge beginnt zu trinken und schon bald scheint es satt zu sein. Danach wird das kleine Tier mit einem Küchentuch massiert, damit die Verdauung angeregt wird. Dann geht es für den Winzling zurück unter die warme Decke. Nun ist eines seiner Geschwisterchen an der Reihe. Diesen Vorgang wiederholt Annelies unzählige Male, Tag und Nacht - die Tiere müssen in diesem Stadium rund um die Uhr betreut werden.

25 Igeljunge sowie einige erwachsene Exemplare versorgt die 81-Jährige, die von ihrem Mann und einem Helfer unterstützt wird, derzeit. Die Muttertiere sind oftmals Opfer von Gartenarbeiten oder Mährobotern geworden. „Eine Igelmama wurde aus Versehen beim Umgraben tödlich mit dem Spaten getroffen. Als die Gartenbesitzer ihre Jungen fanden, haben sie sie zu mir gebracht“, erzählt die Tierschützerin.

Igel sind vielen Gefahren ausgesetzt. Schon in der freien Natur haben sie zahlreiche Fressfeinde. Dazu gehören unter anderem Füchse oder Greifvögel. Schlimmer wiegen allerdings die Gefahren, die vom Menschen ausgehen: Straßen, Pestizide, Kunstdünger, offene Kellerschächte, Rasenmäher, sterile Gärten ohne Verstecke und Nahrungsquellen. Die Liste ließe sich weiter fortsetzen.

Hitze und Trockenheit des heurigen Sommers tun ihr Übriges. Kurzum: Viele Igel leiden derzeit Hunger und Durst. Ein unterernährtes Tier kommt zudem nicht durch die kalte Jahreszeit und ist anfälliger für Krankheiten. „Das Insektensterben, das seit ein paar Jahren rapide zunimmt, hat auch Konsequenzen für andere Tiere. Viele Igel finden einfach zu wenig Futter“, erklärt Dalpez.

Die stacheligen Vierbeiner ernähren sich hauptsächlich von sogenannten Wirbellosen, beispielsweise Insekten sowie deren Larven, Regenwürmer und Schnecken. Hin und wieder stehen auch Aas oder andere kleine Säugetiere auf dem Speiseplan. Pflanzliches wird dagegen nur selten verspeist. Die Tiere sind vorwiegend dämmerungs- und nachtaktiv, kranke Igel fallen durch zielloses Umherlaufen am Tag auf. „Entgegen dem immer noch weit verbreiteten Vorurteil graben Igel auch keine Gärten um. Engerlinge und Würmer werden sehr gezielt aus dem Boden geholt, ohne dabei das Erdreich umzuackern“, betont Dalpez.

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Das Insektensterben, das seit ein paar Jahren rapide zunimmt, hat auch Konsequenzen für andere Tiere. Viele Igel finden einfach zu wenig Futter.

Annelies Dalpez

Jeder kann Lebensraum für Igel schaffen
In ihrem eigenen Garten in Nüziders stehen zahlreiche Wasserschüsseln unter Hecken und Büschen. Gelegentlich wird den nächtlichen Besuchern auch Futter angeboten. „Jeder kann dazu beitragen, Igeln und anderen Tieren zu helfen“, meint die rüstige Rentnerin. Eine wilde Ecke in der Grünoase sei ein guter Anfang. Zudem sollten Mäharbeiten - ob von Hand oder durch den Roboter - nur mit Bedacht ausgeführt werden, da die Vierbeiner bei Gefahr nicht die Flucht ergreifen, sondern sich eben einigeln. Immer wieder spielen sich daher kleine Tragödien ab.

Wie an jenem Tag als die Tierschützerin einen Anruf erhielt, dass eine Igelmutter von einem Mähroboter tödlich verwundet wurde. „Als ich bei dem Garten ankam, liefen die Jungen verzweifelt dem Roboter hinterher, wohl in der Annahme, es handle sich um ein erwachsenes Tier. Eines der Kleinen war bereits ebenfalls überrollt worden“, berichtet die Nüzigerin.

Seit sie 1983 zur Obfrau des Tierschutzvereins Bludenz gewählt wurde, kümmert sich Annelies Dalpez um stachelige Vierbeiner in Not. Mittlerweile ist die Oberländerin in ganz Vorarlberg als „Igelmama“ bekannt. Pro Jahr versorgt sie zwischen 200 und 400 Tieren, päppelt sie auf, pflegt sie gesund und entlässt sie wieder in die Natur. „Es ist schwieriger geworden für die Igel in den vergangenen Jahren“, sagt Dalpez. Immer mehr entkräftete oder verletzte Tiere kommen in die Igelauffangstation. Die Tierschützerin sorgt sich um die Zukunft der Igel, daher will sie weitermachen, solange es geht. „Ich habe keine Zeit, mich müde zu fühlen. Die Tiere brauchen Hilfe.“

Fakten

Igel bilden eine Familie von Säugetieren mit insgesamt 26 Arten, die in Eurasien und Afrika verbreitet sind. Die in West- und Mitteleuropa typischerweise anzutreffende Art ist der Braunbrustigel. Das Fell der nachtaktiven Tiere ist meist in unauffälligen Grau- oder Brauntönen gehalten. Die Stacheln am Rücken und an den Flanken sind modifizierte, hohle Haare. Jeder Stachel verfügt über einen Aufrichtungsmuskel. Im Bedrohungsfall rollen sich Igel zu einer Kugel zusammen und schützen so die stachellosen Körperteile. Denn Bauch, Gesicht und Gliedmaßen sind mit Fell bedeckt.

Durch den Klimawandel begünstigte heiße und trockene Sommer in Europa beschleunigen das Insektensterben. Das setzt den Igeln zu. Hinzu kommt der Pestizideinsatz in Landwirtschaft und Gärten, der der Population schadet. Die Zahl der Igel in Österreich, Deutschland und Großbritannien (dem Mutterland der Igelforschung) sowie weiteren Ländern ist seit Mitte der 1990er-Jahre stark zurückgegangen.

In Österreich befindet sich der Igel sogar auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten. Wie bereits erwähnt, können Gartenbesitzer mit einer wilden Ecke im Garten mit Versteckmöglichkeiten und Wasserschüsseln unter Hecken oder Büschen den stachligen Vierbeinern helfen. Achtung: Igel haben Laktoseintoleranz, daher sollte den Tieren auf keinen Fall Milch angeboten werden - sie können daran sterben. Mehr Info für einen igelfreundlichen Garten: www.global2000/igel

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