Kindergarten-Krise

„Uns laufen bereits die Mitarbeiterinnen davon“

Vorarlberg
03.07.2022 07:55

Der Druck auf das Personal wächst, parallel dazu sinkt die Qualität der Betreuung. Die Folgen des langjährigen Personalmangels und der ausgeuferten Aufgaben werden in den Vorarlberger Kleinkindbetreuungseinrichtungen und Kindergärten immer augenscheinlicher. Die Lage ist mehr als nur angespannt: Zu viele Kinder treffen auf zu wenige Pädagoginnen. „Immer mehr Kolleginnen und Kollegen werfen das Handtuch, weil die Belastungen zu groß sind“, warnt Gewerkschafterin Monika Zumtobel. 

Zur Kernarbeit (Förderung der individuellen Fähigkeiten, Erziehung, Sprachunterricht und Dokumentation) gesellen sich noch diverse anderen Aufgaben - von der Essensausgabe bis zum Wechseln von Windeln. „Die Elementarpädagoginnen sind großteils nur noch am Rotieren. Die Kolleginnen sind ausgebrannt. Die Krankenstände nehmen zu. Das ständige Einspringen zehrt an den Kräften und lässt kaum noch einen geregelten Betrieb zu, geschweige denn Raum für Freizeit und Erholung. Langjährige Gruppenleiterinnen legen ihr Amt aus Frust zurück“, macht Monika Zumtobel den Ernst der Lage deutlich. Sie ist selbst in der Elementarpädagogik tätig und hat als Fachbereichssprecherin in der Gewerkschaft younion ihr Ohr ganz nah bei den Beschäftigten. „Vor Kurzem hat gerade eine Kollegin, die 24 Jahre eine Einrichtung geleitet hat, das Handtuch geworfen, weil die Situation für sie nicht mehr tragbar war.“

Monika Zumtobel (Bild: Philipp Vondrak)
Monika Zumtobel

Corona hat Defizite schonungslos offenbart
Den akuten Personalmangel gab es bereits vor Corona. Die Pandemie hat das Fass aber zum Überlaufen gebracht. „Eine andere Kollegin hat nach 20 Jahren Berufserfahrung ihren Job gekündigt und wird sich anderweitig umsehen. Sie ist so erschöpft, dass sie die Qualität der Arbeit nicht mehr gewährleisten kann“, berichtet Zumtobel.

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Die Elementarpädagoginnen sind großteils nur noch am Rotieren. Die Kolleginnen sind völlig ausgebrannt, die Krankenstände nehmen zu.

Monika Zumtobel

Bildung finde unter diesen Umständen nur mehr eingeschränkt statt. „In der Elementarpädagogik wird nicht nur ein gespielt und gebastelt. Die Einrichtungen haben auch einen Bildungsauftrag. Wir unterstützen die Kinder auf ganz vielen Ebenen. Das fängt im sozialen und emotionalen Bereich an und reicht bis zur Förderung der Sprachkompetenz und des logischen Denkens. Die Kinder kommen mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen zu uns - umso wichtiger wäre eine individuelle Betreuung.“ Leider sei das aktuell kaum oder gar nicht mehr möglich. Die ersten Bildungseinrichtungen würden bereits zu reinen „Aufbewahrungsstätten“ verkommen, warnt Zumtobel. „Teilweise geht es nur noch darum, dass wir die Kinder am Ende des Tages möglichst unverletzt und in gleicher Anzahl an die Eltern zurückgeben. Das entspricht allerdings nicht unserem Anspruch - und es entspricht auch nicht unseren Kompetenzen.“ Die miesen Arbeitsbedingungen seien auch der Grund, warum viele Absolventen der Bildungsanstalt für Elementarpädagogik erst gar nicht in den Beruf wechseln - das was sie gelernt haben, können sie in der Realität schlicht nicht umsetzen. Die Folge: Lediglich 25 Prozent der Absolventen bleiben dem Job treu. Das Angebot wird indes - wenn auch nur langsam - stetig ausgebaut, in Sachen Personal und Infrastruktur bleibt aber alles beim Alten. Eine Rechnung, die nicht aufgehen kann.

Den Elementarpädagoginnen geht so langsam die Luft aus (Bild: Philipp Vondrak)
Den Elementarpädagoginnen geht so langsam die Luft aus

Größeres Angebot, aber keine Personaloffensive
Der enorme Frust resultiert auch daraus, dass dem Personal bislang keine Perspektive aufgezeigt wurde. Das Land arbeitet zwar an einem neuen Kinderbildungs- und Betreuungsgesetz, dieses lässt allerdings noch zu viele Frage offen. Die zuständigen Gewerkschaften younion, GPA und vida haben durch öffentlichen Druck zumindest erreicht, dass noch einmal über die Gesetzesvorlage diskutiert wird. Die younion wurde nach der Begutachtungsphase nun zu Gesprächen eingeladen, einzelne Verbesserungsvorschläge haben sogar schon im Gesetzestext Niederschlag gefunden. Zwei Kernforderungen bleiben aber nach wie vor ungehört: mehr Personal und verbesserte Rahmenbedingungen. Konkret verlangen die Gewerkschaften eine Verkleinerung der Gruppengrößen, einen besseren Betreuungsschlüssel sowie klare Standards für die Räumlichkeiten. Ganz oben auf dem Wunschzettel stehen zudem qualitativ hochwertige Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie eine Ausbildungsoffensive, mittels welcher zusätzliches Personal lukriert werden soll. Noch lebt die Hoffnung, dass sich die Landesregierung doch noch zu einer großen Lösung durchringen wird. Es wäre eine Investition in die Zukunft. 

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