„Krone“-Interview

Heckspoiler: Ruraler Punk aus dem Unterbewusstsein

Wien
14.06.2022 16:28

Wie klingt Punk aus Österreich? Hier finden Sie die Antwort. Das oberösterreichische Duo Andreas Zelko und Thomas Hutterer aka Heckspoiler veröffentlichte dieser Tage sein zweites Album „Tokyo Drift“ und kracht dort nur mit Bass, Schlagzeug und vorwiegend Mundartgesang so dermaßen kompromisslos durchs Gebälk, dass man schnell vergisst, wo einem vorher der Kopf stand. Textlich huldigt man dem Landleben, übt Gesellschaftskritik und lässt viel Raum für dadaistischen Humor und Eigeninterpretationen. Im „Krone“-Talk erklären uns die beiden, was es mit Band und Album auf sich hat, wieso man so gerne Bilderbuch persifliert und was eine „Kesselheiße“ ist.

„Krone“: Andi, Thomas - speziell in den 90er-Jahren war der Heckspoiler am Auto das wichtigste Statussymbol junger Menschen im ruralen Bereich. Seid ihr beide diesem Charme erlegen?
Andi Zelko:
Es ist das ultimative Statussymbol, wenn man sich für Tuning und Co. interessiert. Natürlich geht es auch um Felgen und Schürzen, aber mit einem Heckspoiler meint man es schon ernst. Die BMW hatten auch noch so eine Haifischflosse. (lacht)

Dennoch war das wohl nicht eure Hauptintention, um eure Band Heckspoiler zu nennen.
Thomas Hutterer:
Das Wort klingt einfach gut und ist international verwendbar.
Zelko: Auf der Landstraße zu fahren und Punk- oder Rockmusik zu hören war immer ein wichtiger Teil von uns. Daher haben wir schon von Anfang an bewusst Autoteile als mögliche Bandnamen in den Raum geworfen. Auspuff war auch dabei, aber das klingt ein bisschen schwierig. Thomas hatte dann die Idee von Heckspoiler und irgendwie war klar, das passt.
Hutterer: Mit dem Bandnamen wussten wir, wohin die Band gehen würde.

Wo genau aus Oberösterreich stammt ihr eigentlich?
Zelko:
Ich wohnte mal in Kremsmünster, woher Bilderbuch kommen. Wir sind aus dem oberösterreichischen Zentralraum zwischen dem Alm- und Kremstal. Die Wohnorte haben sich verändert, aber wir haben keine Stadterfahrungen aus Graz und Wien.

Wie seid ihr am Land, wo die Feuerwehrfeste regieren, zu Punk und Hardcore gekommen?
Zelko:
Ich werde bald 30 und es gab in Pettenbach ein Jugendzentrum mit einem Veranstaltungsraum. Anfang der 2000er-Jahre gab es alternative Gigs und mit 13 ließ ich mir die Haare wachsen und bekam eine E-Gitarre. Wir beide sind nur zehn Minuten voneinander entfernt aufgewachsen und Thomas hat ungefähr zeitgleich zu spielen begonnen. Befreundet sind wir eigentlich erst, seit es Heckspoiler gibt. In unserer Jugend gab es noch Gigs für Metaller, Rocker und Punks in den Jugendzentren. Davor war ein Skatepark. Uns fällt natürlich auf, dass sich diese Locations stark ausdünnen. Beim Skatepark sieht man schon gar keine Kids mehr - vielleicht interessiert es sie heute gar nicht mehr. Für mich war es das Beste, mit Freunden abzuhängen, Nirvana zu hören und Rage Against The Machine-Alben zu kaufen, für die man einen Ausweis brauchte, weil sie erst ab 16 waren.
Hutterer: Wir sind sehr froh, dass alles so erlebt haben und Jugendzentren damals so präsent waren. Wir wollten immer noch besser sein als die Bands, die wir gesehen haben.

Jetzt gibt es bei Heckspoiler nur Gesang, Schlagzeug und Bass - aber keine Gitarre…
Hutterer:
Wir waren immer zu zweit und wollten es einfach so probieren. Auch die Songs so schreiben, dass es nicht mehr als Bass und das Schlagzeug braucht.
Zelko: Es war ein glücklicher Zufall, dass wir uns kennengelernt und musikalisch verstanden haben. Beim ersten Jammen hat sich das schon sehr gut ergeben. Es kamen dann fettere Verzerrer und dickere Amps dazu und wir dachten, das passt auch zu zweit ganz gut. Man muss sich die Gitarre im Songwriting einfach wegdenken und das läuft mittlerweile ganz gut. Eine dritte Person ist derzeit nicht nötig.

Wann habt ihr gemerkt, dass ihr so gut miteinander matcht und nicht nur eine musikalische, sondern auch menschliche Nähe zueinander habt?
Hutterer:
Wir waren immer supermotiviert, eine harte und laute Band zu gründen. Wir haben viel Zeit im Proberaum verbracht. Im ersten gemeinsamen Sommer haben wir gemeinsam gespielt, geschwitzt und getrunken. Wir sind einfach dicht zusammengewachsen.
Zelko: 2020 und 2021 war der erste Proberaum möglich und ich kaufte mir mein erstes Schlagzeug. Bandtechnisch hat sich bei mir nach einer kleinen Truppe gar nichts getan, aber ich wollte etwas Größeres aufziehen. Wir haben Blut geleckt und daraus hat sich das jetzt entwickelt. Wir waren anfangs sehr unterschiedlich, sind uns aber jetzt sehr ähnlich. Es gibt nur uns zwei und das schweißt schon zusammen.

Auf eine krachende Hardcore-Punkband wartet man hierzulande zumindest nicht dann, wenn man große Erfolge einfahren will. Ist trotzdem das Gespür da, dass man mit Heckspoiler mehr erreichen kann?
Zelko:
Was will man im österreichischen Underground schon erreichen? Bass und Schlagzeug sind das Gimmick Nummer eins. Dann singen wir auch beide und meist im Dialekt zwischen lustig und ernst. Das ist Gimmick Nummer zwei. Wir wollen einfach rocken und alle Anwesenden sollen Spaß daran haben. Wenn die Leute zu unserem Konzert kommen, dann kracht es auch richtig.
Hutterer: Im Proberaum hat es auch während der Pandemie gekracht. (lacht) Man ist ja trotzdem laut und steigert sich rein, auch wenn die Komponenten Zuseher und Stimmung fehlen.
Zelko: Es freut uns ungemein, wenn die Dinge nach einem harten Arbeitstag funktionieren. Wir sind zu zweit, machen Lärm und kommen dadurch komplett aus dem Alltag raus. Wir können es kaum erwarten, diese Momente auf die Bühne zu bringen.

Ist es euch in den Texten wichtig, neben dem Humor auch Entlarvendes und Gesellschaftskritisches zu transportieren? Der Welt manchmal den Spiegel vorzuhalten?
Zelko:
Man muss einen Mittelwert finden. Nur mit dem Finger auf die Bobos zu zeigen und sie als schlechte Menschen zu brandmarken wird irgendwann fad. Es muss aber auch Texte geben, wo es nicht um viel geht. Oft muss man aber zwei- bis dreimal durchlesen, was wir genau meinen. Dazu kommt der oberösterreichische Dialekt, wo Wortfetzen vorkommen, die nur regional funktionieren. Die Zeigefinger erhebenden „Gutmenschen“ sind wir nicht durchgängig.

Die moralisierenden Bobo-Stadtbürger werden von euch aber schon gerne persifliert und etwas härter angegriffen. Natürlich mit der nötigen Dosis Humor.
Zelko:
Alle Texte sind mit einem lachenden und einem weinenden Auge versehen. Wir sprechen viel an, aber fast immer zweideutig. Die Leute können sich gerne selbst ihre Gedanken machen, dann haben wir als Texter alles für uns erreicht.
Hutterer: Gut ist, wenn jeder etwas anderes für sich in die Songs interpretiert. Das ist besonders toll.
Zelko: Eine kleine Metalzeitschrift hat unser Debüt kritisiert. Der Rezensent meinte, er weiß nicht, ob er das Album genial oder total Scheiße finden soll. Wertung 5/10 Punkten. (lacht) Man kann uns eben geil finden oder extrem furchtbar. Bewegen wir uns in diesem Spannungsgrad, haben wir alles richtig gemacht.

Gab es ähnliche polarisierende Bands, die euch animiert haben? Vorbilder, vielleicht auch im musikalischen Sinne?
Zelko:
Rammstein, Slayer, Iron Maiden und Judas Priest - also alle Großen. (lacht) Man schleppt unbewusst so einiges mit. Wir können nicht mit Bass und Schlagzeug im Proberaum sitzen und daran denken, eine Rammstein- oder Slayer-Nummer zu schreiben. Dazu fehlen uns doch fast alle Komponenten. Es findet einfach Vieles im Unterbewusstsein statt. Auch Rammstein polarisieren und diesen Grad wollen wir mit Heckspoiler auch erreichen. Unsere weißen Outfits auf „Tokyo Drift“ kann man furchtbar oder cool finden. Hauptsache ist, das macht sonst keiner.
Hutterer: Wir wollen immer etwas Neues finden. Etwas, woran man sich nicht festhalten kann. Es gibt aber schon Rammstein- oder NOFX-Parts in unseren Songs, an denen wir uns orientieren können.

Werden die Bobos in euren Texten dann entlarvt, wenn sie sich darüber aufregen, wie sie in den Texten dargestellt werden?
Zelko:
Wir sagen einfach unsere Meinung und sind selbst genauso zu entlarven. (lacht) Wir wollten schon beim Debüt alle Regeln brechen. Es gab keine Punkband mit Rollkragenpullover. Jetzt aber schon. Mit unserem Projekt wollten wir alle Regeln des Genres verwerfen.

Punk steht für Anarchie und dafür, gegen den Strom zu schwimmen und Dinge zu machen, die man nicht erwartet. Insofern ist eine Rollkragen-Punkband mehr Punk als eine gewöhnliche Punkband.
Zelko:
Wir zählen uns sicher nicht als waschechte Punks, aber wenn Punk sein bedeutet, optisch und musikalisch anders zu sein, dann sind wir es wohl doch.

Sind dem Trashfaktor bei Heckspoiler keine Grenzen gesetzt?
Hutterer:
Es gibt schon Grenzen, aber wir haben sie noch nicht gefunden.
Zelko: Nacktheit wäre ein Thema. Das muss man jetzt nicht unbedingt besonders herausstellen. (lacht) Es gäbe schon noch ein oder zwei Outfits, die wir uns für Bühnenshows überlegen, aber da sind die Ideen noch lange nicht ausgeschöpft. Wenn die Kohle passt, dann brauchen wir auch Stylistinnen. (lacht)
Hutterer: Große Bands nehmen dann oft einen zweiten Gitarristen oder Keyboarder im Hintergrund dazu. Keine Ahnung, ob das bei uns jemals zutreffen wird. (lacht) Aber wir wollen uns jedenfalls keine Grenzen setzen.

Wie eure Brüder im Geiste Rammstein habt auch ihr einen Song, der sich „Angst“ nennt. Eine Nummer, dier für das Zwischenmenschliche und gegen Ausgrenzung steht. Auch solche Themen finden bei euch Platz.
Hutterer:
Es ist unsere Aufgabe, nicht nur lustig zu sein, sondern auch aufzuzeigen, was alles in der Welt falsch läuft. Wenn wir eine Bühne zur Verfügung gestellt bekommen, dann sagen wir das auch. Heckspoiler sind eine Mischung aus Entertainment und Nachdenken.

Manchmal lassen sich ernste Botschaften auch viel besser mit einem Entertainmentfaktor vermitteln.
Hutterer:
Wenn du nur predigst und moralisierst, hört ja niemand mehr hin.

„Maurice“ ist eine wundervolle Persiflage an Bilderbuch und deren Sänger Maurice Ernst. Kennt ihr die Band eigentlich und hat er sich zu diesem Song schon geäußert?
Zelko:
Es gibt so viele Maurices auf dieser Welt. Es ist ein schöner, französisch angehauchter Name. (lacht) Wir haben uns bei dem Song schon an österreichischen Künstlern bedient, aber das ist keinesfalls als reine Verarschung oder Bloßstellung zu sehen. Maurice hat sich ja auch großzügig an anderen Künstlern bedient. Stichwort Falco. Wir sind aber selbst Bilderbuch-Fans und schätzen sehr, was sie machen.
Hutterer: Sie haben ihr Ding durchgezogen. Sie haben eine Wandlung durchgemacht und wurden immer größer.
Zelko: In Schulzeiten habe ich mit ihnen gespielt und wenn man sich anschaut, was daraus geworden ist, ist man erst einmal baff. Bilderbuch sind eine Band, die sich großartig weiterentwickelt hat und noch immer besteht. Es wird früher oder später Bands geben, die wie sie klingen. Jetzt haben wir einmal mit Humor versucht, das auch zu tun. (lacht)

Wollt ihr mit euren Songs der Gesellschaft den Spiegel vorhalten?
Hutterer:
Es wäre toll, wenn sich die Menschen Gedanken darüber machen würden, wie es am Land so abläuft und manchmal ausschaut. Das kommt in unseren Texten besonders stark vor.
Zelko: Wenn jemand „Maurice“ aufdreht und meint, das klingt irgendwie wie Bilderbuch, ist das auch okay für uns. Aber der Hälfte des Songs hauen wir aber einen Cut rein und stellen klar dar, dass es sich nicht um Bilderbuch handelt. Auch dieser Song ist zwischen Liebe und Hass angesiedelt, aber da wollen wir ja auch hin.

Eure Songs speisen sich vorwiegend aus eigenen Erfahrungen. „Jetzt ist Schluss“ handelt davon, dass man sich nach der langen Zeit des Darbens endlich wieder auf Konzerte freut, aber dann ist man dort und es geht einem erst wieder alles am Nerv, weil die vielen Menschen stören. Ist euch das leibhaftig so passiert?
Zelko:
Nach zwei Jahren Lockdown hat man sich auf einige Dinge gefreut und natürlich sind dann in einer Venue Menschen, die das Maskenthema ernster nehmen als andere. Anfangs waren die Leute komplett fertig, weil sie ihre Arbeitskollegen nicht mehr gesehen haben und nach zwei Jahren wollen andere nicht mehr aus dem Home Office raus. Es hat sich sehr viel geändert und die Herumtreiberei in Clubs ist nicht mehr so ausgeprägt wie früher. Man ist Menschen nicht mehr so gewöhnt und hat lieber seine Ruhe. Die Leute sind eingefahrener - so ging es auch mir selbst. Ich weiß nicht, ob man sich zurückentwickelt hat, aber die zwei Jahre Lockdown haben nicht jedem gutgetan.

Hat der Lockdown nicht auch Heckspoiler ordentlich Wind aus den Segeln genommen? Ihr konntet eure impulsiven Songs kaum live präsentieren und Heckspoiler sind eine absolute Liveband…
Hutterer:
Das war natürlich extrem schade. Wir hätten ein paar Festivals gespielt, aber wussten auch, dass die Sache für alle Beteiligten schlimm ist. Jeder hat gelitten und da mussten auch wir durch.
Zelko: Es hat uns natürlich mitgenommen, aber deshalb haben wir nicht aufgehört, miteinander zu spielen und weiterhin alles zu geben. Wir hatten unter Coronabedingungen relativ viele Shows gespielt. Es gab Sitzkonzerte oder Gigs vor nur 50 maskierten Menschen. Wir haben alles gemacht, was unter den gesetzlichen Maßnahmen möglich war. Es ist natürlich nicht dasselbe, aber die Dinge bessern sich zum Glück wieder. In große Venues gehen die Leute noch immer nicht so gerne. Das wird sich schon noch alles ein bisschen ziehen, bis es wirklich wieder läuft.

Was treibt ihr zwei eigentlich außerhalb der Band?
Hutterer:
Ich bin Koch in einem Wirtshaus. Da kriegt man die derben, richtig argen Gespräche der Leute mit, die einen zu Songs inspirieren können.
Zelko: Ich bin in der IT-Branche tätig und war jahrelang im Support unterwegs. Ich habe am Telefon schon den einen oder anderen Menschentyp kennengelernt.

Euch scheint es Freude zu machen, den klassisch österreichischen Charakter ins Zentrum zu rücken?
Hutterer:
Das ist auch total spannend. Wir lieben Elisabeth T. Spira. Unglaublich, was sie gefilmt und dokumentiert hat und man greift sich Jahrzehnte später noch aufs Hirn, wie Österreich tickt.

Was ist das österreichischste Charakteristikum an euch selbst?
Zelko:
Die „Kesselheiße“ am Donnerstag und ein Bier. Die damaligen Fleischhacker haben immer mittwochs Wurst gemacht und Donnerstagvormittag gab es die ungebrühten Würste im Kessel. Die frischesten, die man haben kann, sind gelagert. Man nimmt sich dann im Gasthaus eine Semmel und ein Bier und zeigt in den Kessel, welche Wurst man haben will. Das ist bei uns daheim ein Happening.

Live-Termine
Heckspoiler live mit dem neuen Album „Tokyo Drift“ im Gespäck gibt es ganz ohne Corona-Beschränkungen gleich mehrmals in Österreich. Am Mittwoch, 15. Juni spielen Zelko und Hutterer im Wiener B72 auf, am 16. Juni im Salzburger Rockhouse, am 17. Juni im Grazer ppc und am 18. Juni in der Linzer Stadtwerkstatt. Weiter geht‘s dann noch am 22. Juli Woodstockenboi Festival in Stockenboi, am 23. Juli beim Rock im Dorf Festival in Kirchdorf und am 29. Juli beim Tauerngold Festival in Schwarzach. Alle Termine, weitere Infos und Tickets finden Sie unter www.heckspoiler.org

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