Arena Open Air

Franz Ferdinand: Hit-Revue aus den Nullerjahren

Wien
28.04.2022 05:00

Kühl, aber trocken blieb es Mittwochabend bei der lang erwarteten Rückkehr der britischen Indie-Darlings Franz Ferdinand am Open-Air-Gelände der Wiener Arena. Alex Kapranos und Co. hatten „Hits To The Head“ im Gepäck und legten 90 Minuten Vollstrom auf die Bühne. Ein akustischer Festschmaus, der auch in seiner offen zur Schau gestellten Stringenz von allen Beteiligten hart vermisst wurde.

Hits, Hits, Hits - die in der Theorie so einfache, aber praktisch kaum umsetzbare Formel, wie man mit einer Band an die Spitze der kommerziellen Nahrungskette gerät. Das schottische Indie-Kollektiv Franz Ferdinand war vor allem in den Anfangsjahren eine dermaßen konstante und dabei auch leichtfüßige Hitschmiede, dass so mancher glaubte, die Schotten könnten gar nichts Mediokres veröffentlichen. Dieser Theorie straften sie mit Fortdauer der Karriere zwar Lügen, aber der Anlass an diesem kühlen, aber zum Glück trockenen Frühlingsabend war gleichbedeutend mit der neuen Veröffentlichung: „Hits To The Head“. Auf gut Deutsch also: Hits als nicht enden wollende Gnackwatschn. Diese gibt’s am adäquat gefüllten, aber keinesfalls rappelvollen Open-Air-Areal der Wiener Arena. „Diese Tour ist auch für uns eine absolute Belohnung“, lacht Frontmann Alex Kapranos wenige Stunden vor dem Gig im „Krone“-Interview, „wir brauchen kein neues Album bewerben, sondern spielen nur unsere Banger - und die Leute gehen dazu ab.“

Mehr als eine Band
Die Außenverhältnisse verlangen ohnehin eine gute Betriebstemperatur, Franz Ferdinand tun ihr Möglichstes, um die Party in Fahrt zu bringen. Dass Kapranos mittlerweile stolze 50 Lenze zählt ist angesichts seiner juvenilen Ausstrahlung und manch artistischer Grätsche kaum zu glauben, das Rhythmusfundament musste er mit Ausnahme von Bassist und Gründungsmitglied Bob Hardy in den letzten Jahren neu ausrichten. Gitarrist Dino Bardot bleibt songdienlich im Hintergrund, Keyboarder Julian Corrie hat als Miaoux Miaoux eine respektable Electro-Karriere in Schottland hingelegt und Drummerin Audrey Tait sorgt mit prägnanter Rhythmik dafür, dass die losen Wirrköpfe zu einem großen Ganzen verschmelzen. „Es geht nicht darum, dass die Musiker die größten technischen Fertigkeiten haben“, so Kapranos, „sondern um die Persönlichkeiten. Ein bisschen wie im Pub. Du sitzt mit deinen Freunden herum, dann kommt eine neue Person und bereichert das Gespräch. So in etwa läuft es bei uns ab.“

Mit ihrer Mischung aus modischem Schick, Fuck-You-Attitüde, Posterboy-Image und dem untrüglichen Gespür für ein radiotaugliches Songwriting haben Franz Ferdinand die Nullerjahre geprägt wie kaum eine zweite Band Großbritanniens. „Walk Away“, „Take Me Out“, „The Dark Of The Matinée“ oder der Schenkelschwinger „Do You Want To“ werden nonchalant schon vor dem Zugabenteil abgefeuert. Andere Bands würden Körperteile für derartige Hymnen geben. Der Sound ist recht klar, das Licht ballert zwischen rot, blau und weiß über das Gelände und die Band findet nach anfänglicher Steifheit sehr schnell in eine lockere Form. Dass man auf dieser Hit-Revue bewusst der Nostalgie frönt stört weder Musiker noch Fans. Kapranos, wie gewohnt stilsicher im Glitzersakko und mit passgenauem Hemd, ist der entspannte Zeremonienmeister, der den britischen Humor aber niemals über die Musik stellt. „Wir schießen lieber die Hits raus und lassen sie für sich sprechen. Keiner kommt zu unseren Konzerten, um mich labern zu hören.“

Der gute alte Lachsfisch
Die Ruhe genoss das Stammduo der Band noch am Vortag. Kapranos ließ sich von düsteren Gemälden im Kunsthistorischen Museum begeistern, Bob Hardy hat sich von der „Tate-Collection“ des großen David Hockney im Kunstforum inspirieren lassen. Die Lockerheit des Touralltags spürt man zu jeder Sekunde auch auf der Bühne. „Es ist wahnsinnig gemütlich, jetzt unterwegs zu sein“, freut sich Hardy, „wir fahren von Stadt zu Stadt, die Leute freuen sich irrsinnig über ein schönes Live-Konzert und wir uns über Auftritte. Zudem haben wir immer wieder mal Zeit, uns genauer mit dem jeweiligen Ort auseinanderzusetzen.“ Dass Kapranos‘ langjähriger Freund und charismatischer Sidekick Nick McCarthy schmerzlich fehlt merkt man etwa an den unvergleichlichen deutschen Textzeilen der Debüt-Single „Darts Of Pleasure“. „Ich heiße Superfantastisch. Ich trinke Schampus mit Lachsfisch.“ Diese Form von bubenhafter Anarchie war mitentscheidend für Franz Ferdinands frühen Status als Indie-Darlings.

Bei den aktuelleren Songs spürt man live die Wandlung vom reinen Hit-Phänomen hin zu einer Band, die sich bewusst aus der befürchteten Redundanz ziehen wollte. Dabei sind diese Songs oft um nichts schlechter, wie das futuristische „Ulysses“ oder das deutlich elektronischere „Always Ascending“ beweisen. Bei der hier dargebotenen Stringenz ohne Nebengeräusche bleibt nur selten Zeit für Ausritte. Hier und dort einmal ein kurzes Drumsolo, an anderer Stelle testosterongeladene Gitarrero-Rockstarposen zwischen Kapranos und Bardot, die in ihrer heteronormativen Sexualität fast wie Relikte aus einer anderen Epoche wirken. Doch Franz Ferdinand entziehen sich derartigen Gedankenspielen durch die bloße Spielfreude und dem feurigen Rock’n’Roll-Gestus, den alle Anwesenden nach zwei harten Jahren des Darbens schmerzlich vermisst haben. Von den zwei neuen Songs zeigt sich das simple, aber wirkungsvolle „Billy Goodbye“ als bewusste Rückbesinnung auf die alten Tage, „Curious“ blickt in seiner etwas komplexeren Machart wohl in die Zukunft der Band.

Runter vom Gas
Nach knapp eineinhalb Stunden ohne Verschnaufpause steigert sich der Auftritt beim mit einer ausufernden Jam-Session ausgebreiteten Top-Song „This Fire“ in ein Crescendo, das auch gestandenen Fans kurzzeitig den Atem raubt. Wenn man Franz Ferdinand nämlich etwas vorwerfen kann, dann die Tatsache, dass sich die Top-Songs in ihrer grundsätzlichen Machart doch sehr ähneln. Hier exerziert man instrumental aber derart spielfreudig in außerweltliche Sphären, dass jeglicher Zweifel über mangelnde Diversität im Keim erstickt wird. So laut und wuchtig dieser Abend endet und die Beteiligten glückselig zurücklässt, so sanft wäre Kapranos‘ Wunsch für die nächste Tour. „Ich kann mir gut vorstellen, dass die Band pausiert und ich Balladen wie ,Katherine Kiss Me‘ spiele. Nur ich, ein Piano und ein Kronleuchter.“ Das wäre doch in jedem Fall superfantastisch. Bis dorthin legt man nach dieser feinen Vorstellung aber am besten die alten Platten auf und suhlt sich in der Vergangenheit. Hat doch heute auch live bestens funktioniert.

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