Kobersdorf

Feierliche Eröffnung der restaurierten Synagoge

Burgenland
27.04.2022 08:14

Das Judentum ist Teil der Geschichte des Burgenlandes. Als sichtbares Zeichen dafür kaufte das Land die verfallene Synagoge Kobersdorf und restaurierte das Gebäude umfassend. Jetzt wurde dieses sakrale Stück burgenländischer Geschichte als Kulturzentrum feierlich wiedereröffnet.

Im Beisein von Landeshauptmann Doskozil, Vertretern der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) mit Präsident Oskar Deutsch an der Spitze, Diözesanbischof Ägidus Zsifkovics, dem Israelischen Botschafter in Österreich Mordechai Rodgold und zahlreichen Vertretern aus Kultur, Politik und Gesellschaft wurde die ehemalige Synagoge feierlich ihrer neuen Bestimmung übergeben.

„Es ist dem Land Burgenland ein großes Anliegen, das jüdische Erbe unseres Bundeslandes zu bewahren. Mit dem Erwerb und der Sanierung der Synagoge sichern wir einen wertvollen und von den Nazis zerstörten Teil der burgenländischen Identität und setzen ein sichtbares Zeichen der Wiedergutmachung und einer verantwortungsbewussten Erinnerungskultur“, betonte Landeshauptmann Doskozil. Für einen Präsidenten einer jüdischen Gemeinde gäbe es nichts Schöneres, als eine Synagoge zu eröffnen, sagte IKG-Präsident Deutsch: „Mein besonderer Dank gilt Landeshauptmann Doskozil, der die Wichtigkeit, die Synagoge Kobersdorf zu retten, erkannt hat, und sie nun - da nur sehr wenige Jüdinnen und Juden im Burgenland leben - als Veranstaltungsstätte mit jüdischen Inhalten zum besseren Verständnis des Judentums und im Kampf gegen Antisemitismus beiträgt.“ Musikalisch begleitet wurde die feierliche Eröffnung von Studierenden des Joseph Haydn Konservatoriums, von Oberkantor Shmuel Barzilai und von Menahem Breuer, einem 1934 in Eisenstadt geborenen Künstler, der vor den Nazis nach Israel floh und so die Shoah überlebte.

Kulturzentrum der besonderen Art
Das Haus soll als Kultur-, Wissenschafts- und Bildungszentrum mit einem Schwerpunkt auf jüdischer Kultur und Geschichte dienen und künftig Raum für Vorträge, Konzerte und Symposien bieten. Mit der Sanierung der Synagoge Kobersdorf - wie auch der Synagoge in Stadtschlaining, die als Museum im März eröffnet wurde - gebe des Land Burgenland ein „umfassendes Bekenntnis zu seinem jüdischen Erbe“ ab, so der Landeshauptmann. Die Nutzung dieses symbolträchtigen Gebäudes soll zu dieser Kultur der Erinnerung beitragen, das Haus wird daher künftig allen Jüdinnen und Juden aus Österreich, in besonderer Form auch den Überlebenden und den Nachfahren der Shoah, jederzeit offenstehen. Doskozil: „Diese Öffnung ist neben der baulichen Instandsetzung sehr wichtig. Die Synagoge von Kobersdorf ist ein sichtbares Zeichen dafür, dass wir uns unserer jüdischen Wurzeln, der jüdischen Tradition und unserer Verantwortung für die Opfer aus der NS-Zeit bewusst sind.“

Mahnmal oder lebendiges Kultur- und Bildungszentrum? Beim Kauf der Synagoge durch das Land Burgenland im Jahr 2019 war das Gebäude trotz etlicher Investitionen in desolatem Zustand, zunächst war der Umgang damit ungeklärt. Schließlich fiel die Entscheidung, das symbolträchtige Haus nicht nur als Mahnmal zu belassen, sondern es auszubauen. Beschlossen wurde eine umfassende Sanierung, die alle Erfordernisse einer modernen Veranstaltungsstätte erfüllt, die sich aber gleichzeitig möglichst am Original von 1860 orientiert. Die Synagoge kann nun sehr ursprünglich erhalten bleiben, indem ein neu errichtetes Gebäude, durch das die Synagoge auch betreten wird, die nötige Infrastruktur wie Garderobe, barrierefreie WC-Anlagen, Lüftungs- und Heizungsanlage, Elektroanlage oder auch Sessellager beherbergt.

Seit kurzem hat das Bundesdenkmalamt den gesamten ehemaligen jüdischen Gebäudekomplex - bestehend aus der Synagoge, der benachbarten ehemaligen Gemischtwarenhandlung sowie dem dazugehörigen Wirtschaftsgebäude ­- unter Ensembleschutz gestellt.

Wechselvolle Geschichte
Nach dem Brand der alten Synagoge wurde 1860 die neue Synagoge von Kobersdorf errichtet. Mit rund 600 Juden verzeichnete die Gemeinde in dieser Zeit den Höhepunkt der jüdischen Bevölkerung. Ein schlimmes Hochwasser verursachte 1895 bleibende Schäden am Gebäude. Die Synagoge stand damals 1,5 m unter Wasser und wurde in der Folge nur notdürftig saniert. Im März 1938 kam es zur Schändung durch die Nazis und gleichsam zur Übernahme in den Besitz der Ortsgruppenleitung, die es in ein SA-Heim für die umliegenden Gemeinden umfunktionierte. Pläne zur Umgestaltung in eine Busgarage und zum Verkauf an die Wiener Neustädter Stadtwerke und an Mercedes Benz kamen zum Glück nicht zur Umsetzung. Die Shoah forderte von den rund 200 jüdischen Bewohnern rund 160 Opfer. Nach dem Krieg kehrten nur drei Überlebende nach Kobersdorf zurück. Nachdem die Synagoge 1948 an die IKG Wien restituiert worden war, erfolgte 1994 der Verkauf an den Verein zur Erhaltung und kulturellen Nutzung der Synagoge Kobersdorf. 2010 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt. 2019 kaufte schließlich das Land das Objekt. Da die in Funktion befindliche Synagoge 1938 geschändet, innen zerstört und zweckentfremdet wurde, spricht man heute von einer „ehemaligen“ Synagoge bzw. von einem Synagogengebäude.

Das Konzept
Die Synagoge ist für höchstens 140 Personen behördlich genehmigt. Sie soll für Bildungs-, Kultur- und wissenschaftliche Projekte mit direktem Bezug zur jüdischen Kultur und Geschichte genutzt werden. Das Haus ist kein Kulturzentrum im herkömmlichen Sinn. Die Voraussetzung für jedes Veranstaltungsformat ist ein starker thematischer Bezug zur jüdischen Kultur und Geschichte.  Das Jahresprogramm besteht aus Führungen für Schulen und für Erwachsene, aus wissenschaftlichen Vorträgen und Workshops, einem jährlichen internationalem Symposium, aus Lesungen und jüdischen Musikdarbietungen. Breite Kooperation. Mit rund 3,5 Mio. Euro Gesamtkosten konnte der ursprüngliche Kostenplan für die Generalsanierung und die Errichtung des Nebengebäudes als jüdisches Veranstaltungszentrum und der Außenanlagen um eine halbe Mio. Euro unterschritten werden. Für denkmalpflegerische und restauratorische Maßnahmen werden vom BDA voraussichtlich 250.000 Euro zur Verfügung gestellt.

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