Vor 80 Jahren wurden 1075 Kärntner Slowenen zu Volksfeinden erklärt und deportiert. Heute sind noch 108 von ihnen am Leben.
„Halb sechs Uhr Früh war es, da sind sie gekommen, mit Waffen in der Hand, und sie haben gebrüllt: ,Auf, auf!‘ und ,Zieht euch an, packt eure Sachen und dann auf den Lkw!‘ Sie haben sie ins Sammellager in Ebenthal gebracht“, erzählt Gregor Krištof, Vorstand des Verbandes zwangsweise ausgesiedelter Kärntner Slowenen / Zveza slovenskih pregnancev (ZSP). Seine Großeltern waren unter jenen 1075 zweisprachigen Kärntnerinnen und Kärntnern, die am 14. und 15. April 1942 von Nazis aus ihren Häusern und von ihren Höfen vertrieben worden sind.
Furchtbares Leid für 227 Familien
Die insgesamt 227 Familien wurden in ein Sammellager nach Ebenthal gebracht, wo sie teils Tage ausharrten – bevor sie in Viehwaggons gezwängt nach Deutschland gekarrt wurden. „Zwei Drittel der Ausgesiedelten waren Kinder und Babys! Das jüngste Mädchen war erst ein paar Tage alt, es wurde am 26. März geboren. In den Waggons gab es nur wenig Stroh, kein Wasser, keine Nahrung, und einen Kübel für alle Erledigungen.“
Arbeitslager oder Konzentrationslager
Das Ziel der Transporte: Das Lager Rehnitz im heutigen Polen. Der Name der Stadt ist übrigens slawischen Ursprungs und bedeutet etwa Geröll. Dort mussten die Deportierten arbeiten - auf Bauernhöfen und in einer Nazi-Flugschule. Zu essen gab es kaum etwas, einige wurden ins Konzentrationslager Dachau weiter gebracht. 64 von ihnen überlebten diese Tyrannei nicht. „Hätten die Bauern in der Umgebung den Vertriebenen nicht heimlich geholfen, hätte es mehr Tote gegeben“, weiß Krištof: „Sie gaben ihnen Brot und Milch, so brachten sie die Babys und Kinder durch.“
Als der Zweite Weltkrieg vorbei war, fing das Leben neu an - doch wie sah das aus in der Besatzungszeit? Den Jahren 1945 bis 1955 widmet sich der Bildband „Frieden - und was kam dann?“ von Landesarchiv und „Kärntner Krone“: www.heyn.at.
Nach drei Jahren die Rückkehr nach Hause
Erst nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurden auch die zwangsweise ausgesiedelten Kärntner Slowenen befreit und konnten nach drei Jahren im Lager wieder nach Hause. Was sie vorfanden, war enttäuschend wie schmerzvoll: Etliche der enteigneten Höfe hatten die Nazis „arisiert“ und einsprachigen Familien überlassen – viele wurden auf Befehl von Heinrich Himmler an Kanaltaler weitergegeben(siehe Faksimile). Jene Höfe, die verlassen waren, waren zerstört und leer. Möbel, Geschirr – nichts war mehr vorhanden. Das dürften die Alliierten geahnt haben, denn bei der Befreiung der Lager rieten sie den Familien, mitzunehmen, was da war. „Zum Beispiel Hakenkreuz-Teller aus der Fliegerschule“, sagt Krištof. Eine Zeitzeugin erinnert sich: „Meine Mutter hat noch lange Zeit später den Blechteller aus dem Lager verwendet“
Gedenken gegen das Vergessen
Dass die Erinnerung an die Opfer von damals heute noch geehrt wird, rührt die Betroffenen: 108 von ihnen sind noch am Leben, 50 waren bei der gestrigen Gedenkveranstaltung in Klagenfurt: „Die Überlebenden alle zu finden, war keine einfache Aufgabe, auch weil manche nicht über die Vergangenheit reden wollen“, betont Krištof. Aber: „Dieses Gedenken hat sich wirklich ein Lob verdient. Wir fühlen uns geehrt.“
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