Experte beruhigt:

„Tschernobyl-Blackout ist überschaubares Problem“

Ausland
09.03.2022 17:56

Dass im Ukraine-Krieg offenbar just jene Stromleitung unterbrochen wurde, die das Atomkraftwerk Tschernobyl versorgt, sei zwar beunruhigend, für den Unglücksreaktor selbst aber ein „überschaubares Problem“, beruhigt der österreichische Strahlenphysiker Georg Steinhauser. Das Blackout in der abgeschotteten Region verstärke aber das ohnehin harte Leben für die Menschen dort weiter, sagt er. Wirklich Sorgen machen dem Experten die AKWs unter militärischem Druck.

Um den 1986 zerstörten Block 4 in Tschernobyl liegt eine relativ neue Schutzhülle. „Das ist eigentlich ein Hightech-Gerät mit einer doppelten Stahlhülle“, zwischen denen die Luft abgesaugt wird. Kappt man nun die Stromversorgung fällt dieser Mechanismus aus. Das sei aber unmittelbar kein größeres Problem, weil der Unglücksreaktor nun bereits so lange Zeit quasi „dahindämmere“, erklärt Steinhauser.

Zwischenlager größeres Problem
Das größere Problem ist die Funktion der Anlage als eine Art Zwischenlager für die ausrangierten Brennelemente der anderen Tschernobyl-Reaktoren. Just im März hätte der Ausbau zu einer zentralen Sammelstelle für abgebrannte Brennstoffe aus anderen ukrainischen Atomanlagen gestartet werden sollen, so der Experte. Ein Vorteil sei nun, dass der letzte Reaktor in Tschernobyl bereits im Jahr 2000 vom Netz genommen wurde.

„Das heißt, dass dieser jetzt auch nur mehr eine geringe Wärmeleistung hat“, erklärte Steinhauser: „Ich traue mich nicht, es zu versprechen, würde es aber nicht so einschätzen, dass die Brennelemente thermischen Schaden nehmen, selbst wenn die Kühlung ausfällt“, so der Wissenschaftler.

Mehr Sorge bereitet dem an der Universität Hannover tätigen Strahlenphysiker, dass die jüngsten Vorkommnisse etwa im Kernkraftwerk Saporischschja vergangene Woche, gewissermaßen Schule machen und solche Anlagen stärker in den militärischen Fokus geraten und plötzlich außerhalb „ihrer staatlichen Kontrolle“ liegen. Ein Blackout für andere, noch aktive AKWs würde jedenfalls eine „ernstere Situation“ nach sich ziehen.

Beim Fahren eines Reaktors müssen Experten eigenverantwortlich nach ihrem technischen Verständnis Entscheidungen treffen können. Gehe eine Situation in Richtung Abschaltung dürfe den Operateuren „niemand dreinreden“. Das sei ein Grundprinzip in der nuklearen Sicherheit. Stehe so jemand aber unter militärischem Druck, vielleicht Entscheidungen zu treffen, die man in Friedenszeiten so nicht treffen würde, „ist das einfach ein Risiko - da bin ich schon besorgt“, sagte Steinhauser.

Nur Minimalinfrastruktur vorhanden
Das Leben in Tschernobyl „stellt schon in Friedenszeiten eine gewisse Herausforderung dar“, betonte der Forscher. Er erkläre Studenten vor Aufenthalten dort immer wieder, dass es dort nur eine Minimalinfrastruktur gibt. „Man kann froh sein, wenn aus der Wasserleitung heißes Wasser kommt. Ich vergleiche das mit ,Indoor-Camping‘.“ Gehe in einem solchen Umfeld auch noch das Licht und die Heizung aus, „wird es für die Belegschaft sehr schnell sehr ungemütlich“.

Dort arbeiten Zivilisten, die laut Medienberichten nun schon seit rund zwei Wochen durchgehend unter russischer Besatzung im Dienst sind. Den harschen Bedingungen vor Ort wird im Normalfall jedoch damit Rechnung getragen, dass die Menschen eine Vier-Tage-Woche haben und dann abgelöst werden. „Ich bin mir nicht sicher, wie lange man das noch mit einer vernünftigen Arbeitsleistung in Einklang bringen kann“, sagte Steinhauser.

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