Hype um Schiefergas

Die “Gasrevolution” bringt brennbares Leitungswasser

Ausland
11.05.2011 17:39
Von einer "American Gas Revolution" war die Rede, als die ersten Studien über weltweite, nahezu unerschöpfliche Schiefergasvorkommen publiziert wurden und man mit der Tiefbohrtechnik "Hydraulic Fracturing" auch noch eine angeblich ideale Fördermethode entdeckte. Bürgerinitiativen, Demos und ein Dokumentarfilm brachten das "shale gas" allerdings bald in Verruf, Trinkwasser und Luft mit Methan zu verschmutzen. Eine neue Studie bestätigt nun erstmals wissenschaftlich, wer Schuld haben soll, dass in einigen US-Haushalten das Leitungswasser leicht entzündlich ist.

Nicht erst seit Fukushima 1 und der Suche nach Alternativen zum Atomstrom ist das Schiefergas in aller Munde. In Polen ist nach ersten Probebohrungen - unter österreichischer Beteiligung - ein regelrechter Hype ausgebrochen. Mit großflächiger Schiefergas-Gewinnung haben allerdings nur die USA Erfahrungen gemacht, dort vor allem Bürger in den ländlichen Gegenden der Bundesstaaten Pennsylvania und New York. Sie begannen nach einer Weile zu protestieren, die Bohrungen würden ihr Trinkwasser verseuchen.

Es formierten sich lokale Bewegungen und Bürgerinitativen, das Thema und die gesetzlichen Verfehlungen bei der (Nicht-)Regulierung der Gasbohrungen wurden dank der Oscar-nominierten Doku "Gasland" der breiten Öffentlichkeit bekannt. Für eine Gegenrevolution zur "Gasrevolution" reichte es allerdings nicht.

Erhöhte Methan-Werte in Brunnenwasser
Eine erst kürzlich veröffentlichte Studie, die durch die derzeit erhöhte Aufmerksamkeit in der Energiedebatte weltweit beachtet wird, bringt die Schiefergas-Verfechter aber jetzt ernsthaft in Bedrängnis: Ein Forscherteam um Robert Jackson von der Duke University in Durham (North Carolina), das Brunnenwasser-Proben in Pennsylvania und New York untersucht hat, sieht nämlich einen Zusammenhang zwischen verstärktem Bohren nach Erdgas und einer sinkenden Trinkwasserqualität in der betroffenen Region.

Wie die Wissenschaftler im Fachmagazin "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS) berichten, maßen sie im Wasser von 68 Brunnen erhöhte Werte von Methan, wenn in einem Umkreis von einem Kilometer um die Wasserquelle nach Schiefergas gebohrt wurde. Die Methan-Konzentrationen sei in bebohrten Gebieten 17-mal höher und würden eine "potentielle Explosionsgefahr" bilden, so die Forscher. Chris Tucker, Sprecher des Interessenverbandes "Energy in Depth", in dem sich mehrere Unternehmen aus der Öl- und Gasbranche zusammengefunden haben, zieht die Ergebnisse der Forscher in Zweifel: Die Zahl der Proben sei viel klein, die Untersuchung daher wenig aussagekräftig.

Kommt das farb- und geruchlose, aber leicht entzündliche Treibhausgas über die Wasserleitung in die Haushalte, dann kann dort im schlimmsten Fall ein Wasserhahn zum Flammenwerfer werden - was betroffene Anrainer gerne demonstrieren. In einigen Fällen sind Berichten zufolge wegen des Methans im Wasser sogar Häuser in die Luft geflogen, im Bundesstaat Pennsylvania wurden dabei 2004 sogar drei Menschen, darunter ein Baby, getötet.

Gewinnung technisch anspruchsvoll
Schiefergas ist natürlich vorkommendes Erdgas, das in Tonsteinen entsteht und in diesen gespeichert wird. Der Begriff rührt von der umgangssprachlichen Verwendung des Wortes Schiefer für Tonsteine her. Seine Gewinnung ist technologisch anspruchsvoll, wird aber durch steigende Gaspreise zunehmend rentabler. Da Schiefer relativ undurchlässig ist, dringt das Gas nicht einfach an die Erdoberfläche, wenn diese Gesteinsschichten angebohrt werden.

Um das im Tongestein eingeschlossene Schiefergas zu gewinnen, wird das Gestein angebohrt und dann mit hohem Druck mit Sand und verschiedenen, teils sehr giftigen Chemikalien (darunter sogenannte Biozide) versetztes Wasser in die Lagerstätte gepumpt. Durch dieses Hyraulic Fracturing (hydraulische Rissbildung, kurz: Fracking) genannte Verfahren, werden viele kleine Risse in den Schiefer gesprengt, durch die das Gas dann zum Bohrloch strömt. Häufig sind waagrechte Bohrungen notwendig, um Kanäle zu schaffen, durch die das Gas entweichen kann.

Schiefergas schädlicher als Kohle?
Für Diskussionsstoff unter Klimaforschern und Energie-Lobbyisten sorgt auch eine Studie des Ökologen Robert Howarth: Der Professor der New Yorker Cornell University hält Gas, das aus Schiefergestein gewonnen wird, für wesentlich klimaschädlicher als Kohle. Er bezieht sich auf eine Untersuchung des Goddard Institute for Space Studies der NASA, derzufolge sich das freigesetzte Methan mit bestimmten Aerosolen verbinden könne und auf diese Weise innerhalb von 20 Jahren eine 105-mal gefährlichere Wirkung als Kohlendioxid entfalte. Howarths für die Gas-Lobby vernichtender Befund kam wenige Wochen, nachdem US-Präsident Barack Obama die Förderung von Schiefergas öffentlich unterstützt hatte.

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