Pensionisten am Limit

„Wenn man jung ist, denkt man an so etwas nicht“

Politik & Wirtschaft
02.02.2022 06:00

Anita P. aus Wien-Hietzing lebt von 1107 Euro Pension. Nach Abzug der Fixkosten bleiben der 72-Jährigen gerade einmal rund 400 Euro monatlich fürs tägliche Leben. In einem „Krone“-Tagebuch erzählt sie von ihrem Alltag, wo sie jeden Cent zweimal umdrehen muss.

Der erste Tag im Monat beginnt für mich immer mit einem Weg auf die Bank. Ich habe es mir so angewöhnt, dass ich alle Überweisungen, außer der Öffi-Jahreskarte, händisch tätige - Miete, Strom, Telefon, GIS, SimpliTV, Versicherung.

Beim Blick auf meinen Kontostand habe ich mich gefreut: Mir sind im Jänner 15 Euro übrig geblieben. Das trifft sich gut, denn am Mittwoch kann ich nicht wie sonst in die Kirche gehen, um mir Lebensmittel von der Caritas abzuholen, weil ich einen wichtigen Zahnarzttermin habe. Ich benötige eine neue Prothese. Mein Zahnarzt ist ein gütiger Mensch. Er hat mir versichert, dass ich fast nichts draufzahlen muss.

Leserin will Brillenreparatur übernehmen
Apropos Güte: Ich bin von den Reaktionen auf den letzten „Krone“-Artikel, wo meine Geschichte vorgestellt wurde, überwältigt. Es gibt weit mehr Mitmenschlichkeit, als man annimmt. Eine Dame hat sogar angeboten, mir die Kosten für die Brillenreparatur in der Höhe von 29 Euro abzunehmen. Das ist herzerwärmend.

Und auch jenen, die Postings nach dem Motto „Sie ist doch selber schuld“ unter dem Online-Artikel absetzten, möchte ich antworten: Rückblickend weiß ich natürlich, dass nicht immer alles gut gelaufen ist in meiner beruflichen Laufbahn. Ich bin jetzt 72 Jahre alt, mit 18 habe ich im Gastgewerbe begonnen.

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Wenn man jung ist, denkt man an so etwas nicht, aber in der Pension fällt es einem auf den Kopf.

Anita P.

Leider war es damals in der Gastronomie gang und gäbe, dass man nur sehr gering angemeldet ist. Als ich zwei Jahre lang in Deutschland gearbeitet habe, habe ich erst später erfahren, dass ich sogar gar nicht angemeldet war. Meine Mutter war Putzfrau. Sie hatte eine Lohnsteuerkarte, wo alles auf Punkt und Beistrich eingetragen war. Mit dem Ergebnis, dass sie im Endeffekt mehr Pension bekommen hat als ich heute.

Mein Rat an junge Arbeitnehmer
Ich möchte jungen Menschen Warnung sein: Lasst euch immer einen Dienstvertrag geben! Versichert euch, dass ihr immer mit dem vollen Betrag angemeldet seid, den ihr verdient! Wenn man jung ist, denkt man an so etwas nicht, aber in der Pension fällt es einem auf den Kopf. Ich habe fälschlicherweise angenommen, dass nur die letzten zehn Jahre für die Berechnung der Pension herangezogen werden, und auf 1600 Euro im Monat gehofft. Da war ich völlig auf dem Holzweg.

Anita P.

 Wien Krone
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