Die Behaltefrist von Kapitalanlagen soll wiederkommen - soviel hat Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) in einem Interview anklingen lassen. Das heißt konkret: Wer ein Wertpapier lang genug hält und es erst nach einem Jahr oder länger verkauft, der darf sich die Gewinne steuerfrei behalten. Die SPÖ sieht darin ein reines Geschenk an die Reichen; für die Regierung ist es ein Schritt in Richtung besserer Vorsorge. Dominik Bernhofer, Steuerexperte bei der Arbeiterkammer, und Peter Brezinschek, Chefanalyst bei Raiffeisen International, diskutieren die Maßnahme diese Woche bei „Moment Mal“ mit Damita Pressl.
Mehr als 50% des Ersparten der Österreicher liegt auf Girokonten und Sparbüchern, erklärt Brezinschek: „Das ist der ganz große Batzen“. Aktien besitzen hingegen nur rund 15% der Österreicher, und sie sind sehr ungleich verteilt: „Bei den unteren 50% der Einkommen halten nur fünf Prozent Aktien“, weiß Bernhofer. Daher ist diese Art der Vorsorge für ihn auch zweitrangig. Eine gute Ausbildung, ein stabiler Arbeitsvertrag, die staatliche Pensionsvorsorge sowie eine Gemeinde- oder Genossenschaftswohnung oder ein Einfamilienhaus am Land. „Das ist für die Masse der Bevölkerung die wichtigste Vorsorge“, so Bernhofer. Es sei „total sinnvoll, zu überlegen, wie man bestmöglich auf die Seite legen kann“, betont er, aber: „die Politik muss schauen, dass sie alle Einkunftsarten möglichst gleichmäßig besteuert“.
„Inflation ist bereits Steuer auf Ersparnisse“
Brezinschek sieht das naturgemäß anders: „Warum soll ich das Sparen wie ein Einkommen besteuern?“, fragt er. „Ich spare, weil ich in der Zukunft etwas konsumieren will - und dann wird es ohnehin der Umsatzsteuer oder Verbrauchsteuern unterworfen. Wir haben ja bereits eine Steuer auf Ersparnisse - die Inflation. Damit knabbern wir ständig an der Kaufkraft.“ Um diese zu vermeiden, seien Aktien eine gute Möglichkeit: „Der ATX hat in den letzten 30 Jahren im Durchschnitt sieben Prozent gemacht. Da kommen noch zwei oder drei Prozent Dividenden dazu - pro Jahr.“
Maßgeblich ist in der Debatte auch die Frage, als wie stabil man das öffentliche Pensionssystem bewertet. Dieses dürfe man „nicht kaputt reden“, so Bernhofer, denn der jährliche Produktivitätszuwachs könne den demografischen Wandel ausgleichen. Derzeit ist es so, dass immer weniger Erwerbstätige immer mehr Pensionisten erhalten müssen. Weil die Einzahlungen der wenigen Erwerbstätigen aber nicht genügen, muss der Staat immer mehr Steuergeld zuschießen. „Die demografische Entwicklung geht in eine Richtung, die wir nicht nur mit Produktivitätsfortschritten aufhalten können“, ist sich Brezinschek sicher.
„Pflegereform viel wichtiger“
Zudem brauche es mehr Risikokapital für unternehmerische Innovation. „Der Staat kann nicht alles finanzieren, wir brauchen private Kapitalgeber“, so Brezinschek. Hierbei müsse man „unterscheiden zwischen Spekulation und Veranlagung“, denn „kurzfristige Handelsaktivität bringt nicht mehr Produktivität oder Eigenkapital“. Nach einer gewissen Behaltefrist hingegen würde es sich um Veranlagung handeln, und dann gilt für Brezinschek: „Aktien sind nichts anderes als eine Beteiligung - ein Vertrauensbeweis, dass ich als Eigentümer dieser Unternehmen an deren wirtschaftlichem Erfolg teilhabe.“ Gewinne aus diesen Beteiligungen nicht zu besteuern, nennt Bernhofer aber „absoluten steuerpolitischen Unfug. Eine Pflegereform wäre viel wichtiger für die Altersvorsorge der Bevölkerung“, sagt er. Klar ist: Um Überlegungen über Aktien oder Wertpapiere zu führen, braucht es erst Grundkenntnisse im Bereich der Finanzbildung. Hier sehen sowohl Bernhofer als auch Brezinschek in Österreich Luft nach oben.
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