Im Herbst des Lebens

Udo Jürgens: “Auch mit 77 kann man noch viel anfangen”

Musik
22.04.2011 15:16
Udo Jürgens spricht im "Krone"-Interview über sein aktuelles Album "Der ganz normale Wahnsinn" sowie die Auswüchse der Facebook-Generation und gibt auch gute Tipps für den Song Contest, der für ihn ein Würfel mit 40 Seiten ist. Und der erfolgreiche Sänger, der altersmäßig heuer die nächste Schnapszahl erreicht, ist sicher: "Auch mit 77 kann man noch viel anfangen."
(Bild: kmm)

Auf seinem neuen Album "Der ganz normale Wahnsinn" herrscht Herbststimmung. Auf dem Coverfoto werden die Blätter braun, und Udo Jürgens liefert den passenden Song "Oktoberwind", in dem er die Schönheiten der dritten Jahreszeit des Lebens besingt. Der Sänger selbst steht auch mitten im schönsten Herbst – und der hält zahlreiche Ehrungen bereit. Eben erst wurde er in Wien für sein Lebenswerk ausgezeichnet, wobei sein Erfolg noch immer in schönster Blüte steht. "So eine Auszeichnung heißt ja zum Glück nicht, dass man dann gefälligst gleich zu sterben hat", schmunzelt er. "Was ich in meiner Karriere gemacht habe, würde wahrscheinlich für fünf Lebenswerk-Preise reichen – den ersten habe ich auch schon vor 20 Jahren bekommen. Und ich bin immer noch voll dabei und habe noch viel vor. Ich hatte nie EIN Ziel, sondern immer mehrere. Mir war es nie wichtig, sie zu erreichen, sondern die Reise dorthin."

"Opa zu sein ist ein wunderbarer Zustand"
Die Erfahrungen seines Lebens gibt er nun auch weiter – seinem Enkel hat er das Lied "Gute Reise durch das Leben" gewidmet. "Die Kinder meines Sohnes haben mich wirklich berührt. Ich finde den Begriff 'Opa' zwar nicht sehr schön, weil er so mit 'alt und vorbei' verbunden ist, aber es ist ein wunderbarer Zustand", gesteht Jürgens. "Es ist großartig, dass mein Sohn drei Kinder hat und in einer intakten Familie lebt. Vor allem die direkte männliche Linie hat etwas Poetisches – der Sohn meines Sohnes, ein Teil von mir", gerät der Großvater ins Schwärmen.

Dass er längst einer anderen Generation angehört, weiß er – und blickt in dem Lied "Du bist durchschaut" mit einem ironischen Augenzwinkern auf die Auswüchse der Facebook- und Twitter-Jünger. Er selbst hat keinen Computer, geschweige denn Internetzugang rund um die Uhr. "Ich gehöre zu der Generation, für die der Begriff Privatleben noch eine große Bedeutung hat. Heutzutage ist die Sehnsucht nach Ruhm, auch wenn er nur ein paar Minuten anhält, unendlich groß. Das Selbstbewusstsein so vieler junger Menschen ist so angeknackst, dass sie sich nur noch über mediale Bilder identifizieren, die Leistung im Stillen ist nicht mehr gut genug. Heute geht es nur noch darum, wie komme ich in die Medien – und da nehmen viele sogar einen Skandal in Kauf."

"Alle Zutaten, um aus jemandem ein Arschloch zu machen"
Sein Ruhm hat die Jahre überdauert, Udo Jürgens weiß, wie es ist, sein Leben im Rampenlicht zu verbringen. "Erfolg ist eine wahnsinnige Verführung, er ist wie eine Droge. Er hat alle Zutaten, um aus einem Menschen ein – Entschuldigung – Arschloch zu machen. Alles, was es dafür braucht, liefert der Erfolg: Geld, Eitelkeit im Übermaß und die daraus resultierenden Verhaltensweisen wie Protzerei und Angeberei. Das war mir zum Glück schon in jungen Jahren bewusst."

Viel lieber lässt er das Rampenlicht dort scheinen, wo er sich immer noch am wohlsten fühlt: auf der Bühne. Nächstes Jahr geht er auf Tournee, die ihn im März 2012 auch durch Österreich führt. "Wir haben gerade die ersten Besprechungen. Auf unserer Wunschliste stehen natürlich die Philharmoniker und Sängerknaben“, lacht er. "Dann hätten wir 300 Musiker auf der Bühne und könnten ein überirdisches Klangerlebnis schaffen. Leider ist das ja nicht möglich. Das bleibt einer von den Träumen, die sich nicht erfüllen. Aber wir werden auf jeden Fall etwas Gutes machen und versuchen, eine neue Farbe hineinzubringen."

"Der Song Contest ist ein Würfel mit 40 Seiten"
Demnächst scheint das Rampenlicht auch hell auf seine "Nachfolgerin" Nadine Beiler, die in Düsseldorf versuchen wird, in seine Song-Contest-Fußstapfen zu treten. "Ein beachtliches Lied", streut er Rosen. "Aber der Song Contest ist ein Würfel mit 40 Seiten, ein Glücksspiel. Der Künstler muss in dem Moment seines Auftritts eine Sternstunde haben! Wenn er mit wackeligen Knien auf der Bühne steht und unsicher ist, geht es nicht. Man muss sich wie der Mittelpunkt der Welt fühlen, bei mir war das so. Ich habe mich einfach unglaublich wohl an meinem Klavier gefühlt und mir gedacht, mein Gott habe ich einen guten Song", lacht er heute im goldenen Herbst entspannt.

Im Herbst seines Lebens: Udo Jürgens feiert bald, im September, den 77. Geburtstag: "Die Schnapszahl ist immer etwas Besonderes. Ich habe über 66 gesungen, glaube aber auch, dass man mit 77 noch viel anfangen kann."

von Franziska Trost, Kronen Zeitung

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