Beatsteaks in Wien

Erdige Rockpartys brauchen keine Spezialeffekte

Musik
04.03.2011 23:39
Zum 15. Mal haben am Freitag die Beatsteaks in Wien "gewütet" – und das schrille Quintett aus Berlin bewies, dass man auch im Lady-Gaga-Zeitalter ganz ohne pompöse Bühnen-Dekoration und schwülstige Spezialeffekte reüssieren, ja brillieren kann. Stattdessen glänzte man im rappelvollen Gasometer mit einem schnörkellosen, fein austarierten Mischmasch aus Alternative-Rock und Punk. Oder – um es im den Beatsteaks bestens vertrauten Fußball-Jargon zu formulieren – mit Zug zum Tor.
(Bild: kmm)

"Det iss ja wie zuhause", stammelt Frontmann Arnim in breitestem Berlinerisch in das weitläufige Gasometer-Oval, als das hingerissene Wiener Publikum seine Mitsing-Appelle bei Lied Nummer vier, "Atomic love", artig und lautstark erwidert. In der Tat frisst die begeisterte Masse dem exzentrischen Lead-Sänger mit ausgeprägter Entertainment-Gabe von Beginn an aus der Hand. Arnim versteht es wie wenige andere, mit dem Publikum zu kokettieren und es mittels kesser Mimik sowie pointierter Wortfetzen in seinen Bann zu ziehen.

Abwechslungsreiches Set
Nach der pathetischen "Rocky"-Hymne als gewagtem Intro legen die Beatsteaks mit "Hello Joe" los. Sofort verschmelzen die Rock-Haudegen mit ihrer Zuhörerschaft in einer fugenlosen Symbiose. Im Sog von "Kapitän" Arnim, der in verhältnismäßig geradezu biederem schwarzen Mantel mit schwarz-gelb gestreiftem Shirt darunter an den Start geht, läuft die Beatsteaks-Mannschaft zur Höchstform auf. Und präsentiert ein äußerst abwechslungsreiches, kurzweiliges Programm.

In der Mitte des ersten Sets etwa darf sich Rhythmus-Gitarrist Peter als Lead-Sänger profilieren und "Under clear blue sky" aus dem aktuellen Album "Boombox" zum Besten geben. Mit seiner klaren, sauberen Stimme mimt er den kompletten Konterpart zum markanten Reibeisen-Timbre von Frontmann Arnim. Trotzdem harmonieren die beiden bei den raren zweistimmigen Passagen blendend - das hätte sogar Wildecker-Herzbuben-affine Schwiegermütter zum Schmachten gebracht. Ein anderes Mal wiederum lässt Arnim Lead-Gitarrist Bernd den gesanglichen Vortritt, der sich bei "Frieda und die Bomben" die Seele aus dem schmächtigen Leib brüllen darf.

Tobende Masse
Gleich darauf holt sich Bernd noch einmal einen Sonderapplaus ab. Diesmal aber viel weniger aufgrund seiner - durchaus gewöhnungsbedürftigen - stimmlichen Qualitäten als viel mehr, weil er auf seiner schnarrenden Gitarre "Summer" anstimmt. Das Publikum tobt! Imposant zu beobachten, wie fast jeder einzelne Besucher zu den stampfenden Beats auf und ab springt. Noch spektakulärer wird's nur, als sich bei "Let mi in" die Masse auf die Knie begibt, um dann beim Refrain zu explodieren. Gerade da aber meint es Arnim - inzwischen mit neuem Hemd, das sein dezentes (Bier-)Bäucherl besser kaschiert, auf der Bühne - dann doch zu gut: Seine Stimme überschlägt sich vor Übermut kurzzeitig. Macht nix! Welcher Punk-Rocker trifft schon jeden Ton?

Höllischer Lärm bei "Hand in hand"
Stets alles unter Kontrolle behält hingegen Drummer Thomas. Obwohl er die Sticks deutlich weiter vorne anpackt als der Durchschnitts-Schlagzeuger, bringt er eine erstaunliche Wucht auf sein wehrloses Arbeitsgerät. So auch beim obligaten Höhepunkt jedes Beatsteaks-Konzerts: dem Klassiker "Hand in hand", der diesmal mitten im Set verpackt und nicht, wie üblich, an das Ende des Programms verbannt wird. "She ain't never gonna get wise", erschallt es aus Tausenden Kehlen - Gänsehaut!

"Bestes Konzert seit Langem"
Zum ersten Zugabe-Block kreuzt Zappelphilipp Arnim mit einem Zinedine-Zidane-Shirt aus dem französischen Weltmeister-Jahr 1998. Zumindest europameisterlich wird das Konzert mit den Knüllern "Cut off the top", "As I please" und "I don't care as long as you sing" als würdigem Abschluss zu Ende gebracht. Arnim versichert den Fans, soeben "das beste Konzert, das wir seit Langem gespielt haben", erlebt zu haben. Könnte tatsächlich hinkommen.

von Michael Fally
Fotos: Andreas Graf

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