„Grazer Erklärung“

Bürgermeister fordern Neuregelung der Sterbehilfe

Steiermark
18.08.2021 16:10

Ende des Vorjahres hat der Verfassungsgerichtshof den Paragraf 78 des Strafgesetzbuches, der die „Mitwirkung am Selbstmord“ unter Strafe stellt, aufgehoben. Jetzt wandten sich der Bürgermeister der „Menschenrechtsstadt Graz“, Siegfried Nagl, und Vorgänger Alfred Stingl in einer „Grazer Erklärung“ an den Gesetzgeber: „Wir dürfen nicht zu einer Einschläferungsgesellschaft werden!“

Der Bürgermeister der Menschenrechtsstadt Graz, Siegfried Nagl (ÖVP), und sein Vorgänger Alfred Stingl (SPÖ) haben mit Expertinnen und Experten eine „Grazer Erklärung“ zum assistierten Suizid erarbeitet. Sie bekannten sich im Pressegespräch am Mittwoch grundsätzlich zum Spruch des Verfassungsgerichtshofs von 2020, drängten aber zur raschen, möglichst restriktiven Neuregelung für den assistierten Suizid.

„Lebenshilfe darf nicht von Sterbehilfe übertrumpft werden“
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat im vergangenen Dezember die Strafbarkeit der Beihilfe zum Selbstmord (Strafgesetzbuch-Paragraf 78, 2. Tatbestand) gekippt, Bis Jahreswechsel brauche es aufgrund des Spruchs ein neu gestaltetes verfassungskonformes Gesetz. „Wir waren todunglücklich, als wir im Vorjahr von dem Spruch gehört haben, aber wir wissen auch, dass dem Spruch Folge zu leisten ist“, erklärte Nagl.

Eine alternativlose Streichung des Paragraf 78, 2. Tatbestand - ein Auslaufenlassen - sei jedoch unannehmbar, meinte Alt-Bürgermeister Stingl. „Es werden sonst Türen geöffnet, die mit der Würde des Menschen nicht vereinbar sind. Lebenshilfe darf nicht von Sterbehilfe übertrumpft werden“, formulierte Stingl sein Unbehagen. 

Zitat Icon

Zum Leben gehört das Sterben, aber nicht das Töten.

Stingl mit einem Zitat aus der Bischofskonferenz

„Die Angst vor dem Leid darf uns nicht zu vorschnellen Reaktionen verleiten“, gab auch Nagl zu bedenken. Es müsse jedenfalls verhindert werden, dass mit der Möglichkeit des assistierten Suizid Menschen dazu gedrängt werden, einen dahin gehenden Wunsch zu äußern, weiters dürfte kein Spielraum zur Durchsetzung finanzieller Interessen geweckt werden.

Petition an die Bundesregierung
„Wir müssen rasch und mit einer Reihe von flankierenden Maßnahmen zu einer Kultur des menschenwürdigen Sterbens aber nicht des assistierten Tötens gelangen“, so Nagl. Diese seien im sogenannten Grazer Dialog mit Vertretern der Ärztekammer, den Hospiz- und Palliativanbietern, psychiatrischen, psychologischen und psychotherapeutischen Fachvertretern, Behindertenorganisationen und den Religionsgemeinschaften diskutiert worden. Die gemeinsame Erklärung werde Mitte September in den Grazer Gemeinderat eingebracht.

„Es soll eine Petition an die Bundesregierung und den österreichischen Gesetzgeber sein“, sagte Nagl. „Wir haben einige Monate daran gearbeitet, der OGH bekommt unsere Unterlagen, denn er muss bis Anfang Oktober mit dem Vorschlag für das Parlament fertig sein“, sagte Stingl.

„Ein assistierter Suizid kann weder eine Lösung noch Erlösung sein, vielmehr müssen Palliativmedizin, Hospiz und psychosoziale Suizidprävention mehr Ressourcen bekommen“, betonte Nagl. Darüber hinaus sei ein Rechtsanspruch für alle in Österreich lebenden Menschen auf Palliativ- und Hospizbetreuung sowie auf psychosoziale Suizidprävention sicherzustellen, schloss der Stadtchef.

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