Keine Beschlüsse
EU zu lahm für Aktion gegen Blutbad in Libyen
Nach langem Ringen hat sich die EU prinzipiell auf einen ersten Sanktionskatalog geeinigt. Für die Umsetzung braucht es nun aber offenbar noch einmal so lange. "Wir setzen darauf, dass der formale Sanktionsbeschluss Anfang nächster Woche erfolgt", hieß es am Freitag aus diplomatischen Kreisen im Auswärtigen Amt in Berlin. Hingegen verlautete in Brüssel sogar, eine Entscheidung werde wohl erst im Laufe der nächsten Woche fallen.
Doch die Maßnahmen, die bisher konkret vorgesehen sind, werden dem mordenden Diktator ohnehin höchstens ein spöttisches Grinsen entlocken. So hatte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle vorgeschlagen, Einreiseverbote gegen die libysche Herrscherfamilie sowie ein Embargo für Lieferungen von Waffen und Gütern zu verhängen, die zur Unterdrückung der Bevölkerung eingesetzt werden können. Außerdem soll in der EU das Vermögen der Gadafi-Familie sowie sämtliche Firmenkonten gesperrt werden.
"Sofortiges Ende der Gewalt"
Bezeichnend: Am Mittwoch hatte die EU verlauten lassen, dass sie Sanktionen beschließen werde, wenn die Gewalt nicht "sofort" ende. Nach zwei weiteren Tagen des zügellosen Gemetzels sagte dann EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in bestem Beamtensprech, dass es "Zeit ist, über restriktive Maßnahmen nachzudenken. Es muss gewährleistet werden, dass so viel Druck wie möglich aufgebaut wird, um die Gewalt in Libyen zu beenden".
Selbst der ansonsten nicht gerade für Zurückhaltung bekannte französische Präsident Nicolas Sarkozy äußert sich nur zögerlich. Immerhin hat er als bisher einziger europäischer Staatschef am Freitag unmissverständlich den Rücktritt von Libyens Machthaber Muammar al-Gadafi verlangt. "Herr Gadafi muss gehen", sagte Sarkozy am Freitag bei einer Pressekonferenz mit dem türkischen Präsidenten Abdullah Gül in Ankara. Dem folgte dann aber wieder Diplomatie: Die "wiederholten und systematischen Gewalttaten" von Gadafis Sicherheitsapparat gegen die libysche Bevölkerung seien "nicht hinnehmbar" und würden Untersuchungen und Sanktionen nach sich ziehen, "drohte" Sarkozy.
Selbst befreite Städte in Libyen fürchten erneute Angriffe
Wegen des zögerlichen Verhaltens der EU drohen die ersten Erfolge der Aufständischen in Libyen wieder zu verpuffen. In der befreiten ostlibyschen Stadt Bengasi, wo am Freitag erstmals eine Flut an Bildern dem Aufstand ein Gesicht gab (siehe krone.at-Bericht in der Infobox), wird nunmehr ein Konterangriff der Gadafi-Truppen erwartet. Die libysche Oppositionsbewegung erklärte am Freitagnachmittag, sie erwarte die Attacke "jeden Moment".
Bengasi steht unter der Kontrolle der Gegner von Gadafi. Dort wurde am Freitag auch ein sogenannter "Marsch der Millionen" auf die Hauptstadt Tripolis vorbereitet, um den Machthaber zu vertreiben. Allerdings sind die abtrünnigen Militärs schlecht ausgerüstet. In Bengasi verfügt die Oppositionsbewegung gerade einmal über zwei Helikopter, zwei Flugzeuge sowie einige Waffen, hieß es am Freitag.
Der angekündigte Marsch aus allen befreiten Städten im Osten bis nach Tripolis blieb deswegen zunächst aus - wohl auch wegen der nach wie vor brandgefährlichen Lage in der Hauptstadt. Am Freitag schossen Gadafi-Truppen erneut auf Demonstranten und töteten dabei mehrere Menschen. Auf "alle, die sich auf der Straße befinden", werde geschossen, sagte ein Augenzeuge in Tripolis.
Vom Flugverbot bis zum UNO-Ausschluss
In den vergangenen Tagen wurden von der internationalen Gemeinschaft mehrere Maßnahmen - abseits eines direkten militärischen Eingriffs im Wüstenstaat - diskutiert, um der Gewalt in Libyen eine Ende zu bereiten. Die am Freitag von den EU-Staaten in den Raum gestellten Sanktionen stellen dabei die gelindesten Mittel der vorgeschlagenen Maßnahmen dar. Im Folgenden ein Überblick auf die einzelnen Vorschläge:
- Flugverbotszonen: Eine effektive Möglichkeit, weiteres Blutvergießen zu unterbinden. Der Vorstoß, für die Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen, um Luftangriffe auf Zivilisten zu verhindern, kam aus den USA. Die Luftwaffen der EU-Staaten könnten die Abriegelung des libyschen Luftraumes mit Leichtigkeit übernehmen. Allerdings wäre dies ein militärischer und kein diplomatischer Eingriff. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sagte dazu am Rande eines Treffens der EU-Verteidigungsminister in Budapest, ein solches militärisches Engagement werde "derzeit nicht in Betracht gezogen". Frankreichs Außenministerin Michele Alliot-Marie schloss eine Flugverbotszone hingegen indes nicht aus.
- Reise- und Handelsbeschränkungen: Weltweite Einreisesperren für Mitglieder aus dem Umfeld der libyschen Führung würden das Regime vollkommen isolieren. Die USA setzen sich zudem dafür ein, die Ausfuhrgenehmigungen Libyens außer Kraft zu setzen. Angestrebt wird außerdem ein Embargo für Waffen sowie für Güter, die zur Unterdrückung der Proteste genutzt werden könnten.
- Finanzielle Sanktionen: Einige EU-Staaten sprechen sich dafür aus, die Auslandsvermögen von Mitgliedern der libyschen Führungsriege einzufrieren oder einzuziehen. Großbritannien hat bereits angekündigt, sämtliche auffindbare Konten zu sperren.
- Weitere Maßnahmen: Ein britisch-französischer UNO-Resolutionsentwurf sieht neben den genannten Maßnahmen auch die Anrufung des internationalen Strafgerichtshofs vor, um die libysche Führung wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzuklagen. Die USA unterstützen zudem eine Initiative Mexikos, Libyen aus dem UNO-Menschenrechtsrat auszuschließen.
Lediglich drei Millionen Euro Soforthilfe für Flüchtlinge aus Libyen und den Nachbarstaaten stellt die EU bereit. Das Geld solle für humanitäre Zwecke eingesetzt werden, teilte die EU-Kommission am Freitag in Brüssel mit. Die Gemeinschaft werde medizinische Geräte, Zelte und Matratzen liefern. Profitieren sollten davon die Menschen, die vor der Gewalt in Libyen auf der Flucht seien. "Sobald sich die Sicherheitslage in Libyen verbessert, wird auch dort europäische Hilfe eingesetzt", kündigte die Kommission an.
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