Dossier aufgetaucht

Kosovo-Politiker für NATO “dicke Fische” in der Kriminalität

Ausland
25.01.2011 07:30
Ein vermutlich bereits Jahre altes NATO-Dossier belastet erneut die gerade wiedergewählte Regierung im Kosovo. Inhalt des Konvoluts, das der britischen Zeitung "Guardian" zugespielt wurde, sind die mutmaßlichen kriminellen Machenschaften von Premier Hashim Thaci und seiner Vertrauten. Nachdem Thaci zuletzt in einem Europarats-Bericht mit Organhandel in Verbindung gebracht wurde, besteht für die NATO-Experten offenbar seit Jahren Kenntnis, dass Thaci ein "dicker Fisch" im organisierten Verbrechen ist - die Welt hat bloß weggesehen.

In den laut "Guardian" streng geheimen NATO-Dokumenten heißt es, die USA und andere westliche Staaten, die die kosovarische Regierung unterstützten, hätten seit Jahren umfangreiche Kenntnisse über deren kriminelle Verbindungen.

In den Papieren wird Thaci als Mitglied eines Triumvirats der "größten Fische" in Kreisen der organisierten Kriminalität im Kosovo beschrieben. Zu diesen gehört demzufolge auch Xhavit Haliti, der frühere Logistikchef der UCK. Haliti zählt heute zu den engsten Mitarbeitern Thacis und ist einer der wichtigsten Vertreter der Regierungspartei PDK. Haliti hat den Bericht des Europarats-Abgeordneten Dick Marty, der am Dienstag erstmals in Straßburg im Beisein Halitis debattiert wird, massiv kritisiert.

Thacis enger Vertrauter als "eigentlicher Boss"
In den NATO-Geheimdienstberichten heißt es, neben seiner Rolle als führender Politiker sei Haliti auch ein Spitzenvertreter des organisierten Verbrechens, der eine tschechische 9-mm-Pistole bei sich trage und beträchtlichen Einfluss auf Thaci ausübe, ja "der eigentliche Boss" sei. Haliti verfüge über enge Verbindungen zur albanischen Mafia und zum kosovarischen Geheimdienst KShiK.

Weiters steht in den Dokumenten, dass Haliti "mehr oder weniger" für die Finanzierung des Kriegs im Kosovo in den späten 1990er-Jahren verantwortlich gewesen sei, wobei er auch von den ihm zur Verfügung stehenden Gelder persönlich profitiert habe. Als die Finanzmittel zur Neige gegangen seien, sei er in großem Stil in das organisierte Verbrechen eingestiegen. Haliti sei in Prostitution, Waffen- und Drogenschmuggel verwickelt. Als "operativer Stützpunkt" habe ihm ein Hotel in Pristina gedient. Haliti reise oft mit einem falschen Pass, weil er in mehreren Ländern, einschließlich den USA, auf einer schwarzen Liste stehe.

Haliti wird in den Geheimpapieren auch mit der angeblichen Einschüchterung politischer Gegner sowie mit zwei Morden in den späten 1990er-Jahren in Verbindung gebracht. Damals sei es zu Streitigkeiten innerhalb der UCK gekommen. Bei einem der Opfer soll es sich um den jungen Journalisten Ali Uka in Tirana gehandelt haben. "Uka wurde 1997 mit einer Flasche und einem Schraubenzieher brutal entstellt. Sein Mitbewohner war damals Hashim Thaci", zitiert der "Guardian" aus den Geheimdienstpapieren.

Marty verteidigt Bericht: "Weil er glaubwürdig ist!"
Der Schweizer Dick Marty hat indes einmal mehr sein Kosovo-Dossier verteidigt. Der Bericht über eine bisher unbekannte Organhandel-Mafia innerhalb der UCK und die mutmaßliche Verwicklung Thacis darin habe so großes Aufsehen erregt, "weil er glaubwürdig ist und einen Nerv getroffen hat". "Ich bin kein Untersuchungsrichter, ich bin ein 'Denunziant'", erklärte Marty der Schweizer "SonntagsZeitung".

Sein Bericht enthalte sehr genaue Details. Er staune allerdings über die Aufregung, da viele Elemente schon teilweise bekannt gewesen seien. Marty erinnerte in dem Interview an Berichte der "New York Times" und des britischen "Guardian" zu dem Thema unter Berufung auf einen FBI-Bericht im Jahre 1999. Sechs Jahre später habe "Der Spiegel" ebenfalls über den Organhandel berichtet. "Der wahre Skandal ist, dass man die Augen verschloss vor den Machenschaften gewisser Kreise, die man in Pristina an die Macht gebracht hatte."

"Es ist kein Vergnügen, als Nazi beschimpft zu werden"
Die heftigen Reaktionen auf seinen Bericht haben beim Tessiner FDP-Ständerat Marty Spuren hinterlassen: "Es ist kein Vergnügen, als Lügner und Nazi beschimpft zu werden." Der kosovarische Ministerpräsident Hashim Taci hatte Marty unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe mit NS-Reichspropagandaminister Joseph Goebbels verglichen. Besonders geschmerzt habe ihn aber die Kritik, die aus der Schweiz gekommen sei. Einige Kollegen seien auf ihn zugekommen und hätten ihn gebeten, sich besser um die Interessen der Schweiz zu kümmern. Beobachter gehen davon aus, dass im Europarat – einem UNO-ähnlichen Gremium, das allerdings mit der EU nichts zu tun hat - dem Bericht zugestimmt wird.

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