Bildungsinitiative

Hannes Androsch will “Mutbürger” mobilisieren

Österreich
09.01.2011 10:02
Ex-Finanzminister Hannes Androsch macht mobil für ein Bildungsvolksbegehren. Warum er einen "Aufschrei" organisiert, den er als "überparteiliche Initiative" bezeichnet, erklärt der Industrielle im "Krone"-Interview mit Nadia Weiss.

"Krone": Herr Androsch, wie viele Unterstützer wollen Sie bis wann für das Bildungsvolksbegehren um sich scharen?
Hannes Androsch: Es geht nicht um mich, sondern um Bildung. Um ihre Bedeutung für das Land zu unterstreichen, soll sie so viel Unterstützung wie möglich erhalten. Eine Reform ist notwendig, denn es gilt große Mankos zu beseitigen.

"Krone": Was halten Sie von den Vorschlägen der ÖVP zur Neuen Mittelschule?
Androsch: Das muss man sich noch genau anschauen, aber es zeigt, dass durch unsere Anstrengungen bereits etwas in Bewegung geraten ist. Mit dem Volksbegehren sollen Bildungsministerin Claudia Schmied und auch Wissenschaftsministerin Beatrix Karl in ihrer Arbeit unterstützt werden, damit sie sich gegen die üblichen Verhinderer  durchsetzen können.

"Krone": Wer sind die "üblichen Verhinderer"?
Androsch: Diese Personen haben sich zur Genüge geoutet, ich werde ihnen nicht die Ehre erweisen, sie hier namentlich zu erwähnen.

"Krone": Besteht bei einer derart breiten Allianz, wie Sie sie für das Volksbegehren anstreben, nicht die Gefahr, wieder einmal auf keinen gemeinsamen Nenner zu kommen?
Androsch: Ein Volksbegehren hat nicht die Aufgabe, einen Masterplan zu entwickeln, aber es muss Klarheit in der Zielsetzung bestehen. Internationale Studien zeigen, dass wir das Rad nicht neu erfinden müssen, es genügt zu schauen, wie und warum andere Länder mit ihrem Bildungssystem bedeutend erfolgreicher sind. Ich denke da an Finnland, die Schweiz, Neuseeland und Südkorea.

"Krone": Was könnten wir uns von Südkorea abschauen?
Androsch: Die jeweiligen Systeme müssen natürlich auf uns angepasst werden. Der Premier von Südkorea hat in einem Interview gesagt, dass sein Bildungssystem so effizient ist, weil die Eltern einen derartigen Druck auf die Politik ausüben. Daher finde ich es wichtig, mit einem Volksbegehren zu zeigen, wie wichtig das Thema Bildung für die Österreicherinnen und Österreicher ist.

"Krone": Aber Sie werden sich doch auch inhaltlich Ziele gesetzt haben?
Androsch: Ich maße mir nicht an, ein Erziehungswissenschafter oder Pädagoge zu sein. Aber wir brauchen eine ganzheitliche Reform, die beim Kindergarten und der Vorschule beginnt und bei den Universitäten endet. Von der höchstmöglichen Qualifikation hängt der Lebensweg eines jeden ab und bedingt die Erwerbsfähigkeit des ganzen Landes.

"Krone": "Wutbürger" ist in Deutschland zum Wort des Jahres gewählt worden. Damit werden Menschen bezeichnet, die empört darüber sind, dass Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg gefällt werden. Sehen Sie diese Stimmung auch in Österreich?
Androsch: "Wutbürger" sind aus irgendwelchen Gründen immer gegen etwas. Als Beispiele in Österreich würde ich Zwentendorf oder Hainburg nennen. Wir brauchen aber jetzt nicht "Wutbürger", sondern mehr "Mutbürger", die sich für etwas engagieren. So verstehe ich die Initiative Volksbegehren, nämlich als Katalysator für weitere Schritte.

"Krone": Gibt es einen Wunschtermin für das Volksbegehren?
Androsch: Mitte Mai könnten wir so weit sein.

"Krone": Was war der Anlass für die Initiative?
Androsch: Eigentlich jener Moment, als sich die Landesfürsten kurzfristig in die Bildungsdiskussion einmischen wollten, statt dass man die echten Probleme angeht. Die Betriebe finden keine Lehrlinge, die rechnen und lesen können, die Zahl der Studienabbrecher ist enorm, das Niveau der Maturanten sinkt - da kann man als politischer Mensch nicht die Augen verschließen.

"Krone": Sie wurden von keinem aktiven Politiker aufgefordert, aktiv zu werden?
Androsch: Im Gegenteil, zu Beginn wurden meine Aktivitäten äußerst misstrauisch beäugt. Das hat sich nun bei einigen Vernünftigen geändert.

"Krone": Was sagt es aber über den Zustand der Regierung aus, wenn sich Ressortverantwortliche mit "Mutbürgern" zusammenschließen müssen, damit etwas weitergeht?
Androsch: Die heutige Situation ist eine Folge der Versäumnisse der vergangenen zehn, fünfzehn Jahre. Es wäre verfehlt, sie allein der aktuellen Regierung zum Vorwurf zu machen. Wenn man es mit zu vielen Blockierern zu tun hat, braucht man Hilfe aus der Gesellschaft. So ist das Volksbegehren auch als eine überparteiliche Initiative zu verstehen. Alle müssen sich bewegen, wir brauchen einen nationalen Schulterschluss.

"Krone": Hat man in Ihrer Zeit als Finanzminister auch versäumt, in die Bildung zu investieren?
Androsch: Wir haben immerhin Schulen gegründet und Universitäten eröffnet. Natürlich war auch nicht alles perfekt, aber das System hat damals eher zur Gesellschaft gepasst als heute. Die Zeiten und die Anforderungen haben sich geändert. Der Zug fährt seit ungefähr 20 Jahren in die falsche Richtung.

"Krone": Und werden Sie nach dem Volksbegehren Strategiegruppen leiten?
Androsch: Nein, ich werde wieder von der Bühne verschwinden. Meine Aufgabe sehe ich darin, eine Diskussion anzuschieben. Es geht um unsere Zukunft. Ich werde in zwanzig Jahren sicher nicht mehr hier sein, aber ich denke auch an meine Kinder und Enkelkinder.

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