Familien-Fehden

Machtkampf um Jordaniens Thron

Ausland
07.04.2021 06:00

Familien-Fehden in Herrscherdynastien zählen zu den bizarrsten Ursachen schwerer staatsgefährdender Konflikte. So widerlegen Monarchien in Arabien oft die Ansicht, sie seien stabiler als die üblichen blutigen Putschregime in Republiken. Die Könige, Sultane und Emire benötigen dazu keine Bedrohung von außen. Sie schaffen sich Feindschaften mitten in ihren Familien. Quelle der Konflikte sind die vielen Prinzen, Halbbrüder und Mütter aus verschiedenen Stämmen. Nirgendwo wird so heftig intrigiert wie in den Palästen. Jordanien galt bisher als eine wundersame Insel der Stabilität inmitten der blutigen nahöstlichen Hölle. Die Ruhe täuschte.

Als nachfolgeberechtigt in Stammesmonarchien gilt „der Tüchtigste“, ausgewiesen durch den Letzten Willen des Verstorbenen, der in der Regel seinen Erstgeborenen nennt. Als Jordaniens legendärer König Hussein 1999 auf dem Sterbebett lag, kam es zu mysteriösen Entscheidungen: Er ersetzte seinen seit 34 Jahren Kronprinzen und Bruder Hassan durch seinen Erstgeborenen Abdullah, den derzeitigen Monarchen.

Abdullah ist ein Sohn Husseins aus zweiter Ehe - Tochter aus erster Ehe - mit seiner britischen Sekretärin. Er ist also Halb-Araber. Das merkt man auch an seinem Arabisch. Sozusagen zum „Ausgleich“ war König Husseins erster Sohn aus letzter Ehe (mit Königin Nour), Prinz Hamzah, als Thronfolger bestimmt worden. Doch schon 2004 ersetzte König Abdullah den Stiefbruder Hamzah durch seinen eigenen Sohn Hussein. Diese „Absetzung“ war vom Familienzweig um Hamzah und Nour nie wirklich akzeptiert worden. Das Gefährliche ist, dass solche Fehden im Herrscherhaus schließlich auch auf die verschiedenen Stämme übergreifen. In dem royalen Machtkampf wird um deren Loyalität gerungen.

Palästinenser und „Ostjordanier“
Verschärft wird die Lage durch Jordaniens komplizierte Bevölkerungsstruktur: zwei Drittel Palästinenser, die die Wirtschaft kontrollieren, und ein Drittel „Ostjordanier“ in Verwaltung und Militär, die sich als eigentliche Besitzer des Landes betrachten und das Rückgrat der Haschemiten-Dynastie bilden. Die Gattin von König Abdullah, Rania, ist Palästinenserin, an der sich sehr viel Unmut über die große soziale Ungleichheit in dem armen Land festmacht. Hingegen ist Prinz Hamzah als Sohn von Hussein, des legendären „Königs der Herzen“, ein „Prinz der Herzen“.

Jordanien stand schon mehrmals am Rand bürgerkriegsähnlicher Zustände; so im „Schwarzen September“ 1970, dem Versuch der Machtergreifung durch Arafats PLO. Seither hat auch das abschreckende Beispiel des Libanon die diversen Kräfte in Jordanien doch zur Zurückhaltung gemahnt. Der Zusammenbruch der Stabilität in dem Königreich würde Nachbarstaaten wie Israel, Syrien, Saudi-Arabien nicht kalt lassen. Besonderes Augenmerk fällt dabei auf die Saudis. Sie hatten Jordaniens Haschemiten-Dynastie 1924 aus Mekka vertrieben.

Saudi-Arabien: Familien-Fehde um Kronprinz
Apropos Saudi-Arabien: Dort ist die Familien-Fehde um Kronprinz Mohammed bin Salman (MbS) noch lange nicht ausgestanden. Als 2015 Salman als einer der letzten noch lebenden Söhne des Reichsgründers Abdulaziz mit 79 Jahren (Schlaganfall, Alzheimer) auf den Thron gekommen war, bestimmte der Familienrat dessen Halbbruder Mukrin zum Kronprinzen. Doch in einem Bruch mit der Tradition setzte Salman (beziehungsweise die Kräfte hinter ihm) Mukrin umgehend ab und bestimmte erst den Neffen Mohammed bin Naif und schließlich 2017 den eigenen 29-jährigen Sohn MbS zum neuen Kronprinzen.

MbS fackelte nicht lange. Wegen einer „Palastverschwörung“ ließ er den Ex-Kronprinzen Mohammed bin Naif und weitere Verwandte verhaften. Vom sprichwörtlich „familiären“ Umgang im Saudi-Königshaus zeugt auch das tödliche Attentat 1975 auf König Feisal durch einen Cousin. Im Zusammenhang mit familiären Umgangssitten der besonderen Art ist das Herrscherhaus des Golf-Emirats Dubai in die Schlagzeilen geraten. Emir Mohammed ließ 2018 seine aufsässige, weil voll emanzipierte Tochter Latifa nach einem vereitelten Fluchtversuch brutal in ein Verlies werfen. Nach Latifas Hilferufen sprach ein Höchstgericht in London den Herrscher (allerdings in Abwesenheit) der Einschüchterung, Entführung und Folter schuldig.

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