Snowboardcross

„Du brauchst immer Gegner, die dir Angst machen“

28.03.2021 12:55

Der Vorarlberger Alessandro „Izzy“ Hämmerle ist aktuell der weltbeste Snowboardcrosser. Nach seinem dritten Gesamtweltcupsieg in Serie sprach der 27-jährige Montafoner mit der „Krone“ über Druck, der ihn süchtig macht, seine Rückenprobleme, die Karriereplanung, Olympia 2022 in Peking und „Sura Kees“ als Siegprämie beim Heimweltcup.

Izzy, Sie sind in dieser Saison selten einen „Käse“ gefahren, haben aber sehr viel Käse gewonnen...

Das stimmt! In Valmalenco habe ich für meinen Sieg vom Rennsponsor einen 30 Kilo-Laib Parmesan bekommen, in Veysonnaz gab es einige Kilo Raclette. (lacht) Vielleicht gibt es in Zukunft im Montafon ja ein Stück „Sura Kees“ als Siegprämie.

Was es bereits für Sie gab, ist der dritte Gesamtweltcupsieg. Wenn Sie die Kristallkugeln vergleichen...

...hat die heurige fast den höchsten Stellenwert. Nicht nur, weil sie größer ist als die anderen zwei. Ich habe in dieser Saison die meisten Punkte geholt, war bis auf ein Rennen immer im großen Finale. Dazu noch WM-Silber. Die Leistungen in diesem Winter waren für mich schon ein Highlight.

Haben Sie im Vorfeld mit so einem Verlauf gerechnet?

Der letzte Herbst war extrem schwierig. Sowohl was die Situation mit meinem Rücken, als auch mit dem Material angeht. Im teaminternen Vergleich war ich eine Sekunde zurück und wir wussten nicht, woran es liegt. Auch eine Materialumstellung brachte nichts. Irgendwann habe ich das alte Material herausgeholt um zu schauen, ob es eh nicht nur an mir liegt. Damit bin ich dann wieder halbwegs akzeptable Zeiten gefahren.

Zum Glück fand mein Physio Manuel Hofer die richtigen Ansätze. Ohne ihn wäre vieles nicht möglich gewesen.

SBX-Gesamtweltcupsieger Alessandro Hämmerle

In dem Fall war es für Sie gar nicht so schlecht, dass die Saison - absagebedingt - erst im Jänner startete?

Auf jeden Fall! Im Dezember hat mich das Ganze noch etwas geplagt. Selbst zu den ersten Rennen in Valmalenco bin ich noch mit Zweifel angereist - besonders wegen des Rückens. Zum Glück hat mein Physio Manuel Hofer vom Olympiazentrum Vorarlberg die richtigen Ansätze gefunden. Ohne ihn wäre vieles nicht möglich gewesen.

Stichwort Rücken: Was genau ist das Problem?

Ich glaube nicht, dass es ein Bandscheibenthema ist, sondern eher mit der sportartspezifisch asymmetrischen Belastung zusammenhängt. Jetzt geht es darum zu konkretisieren, was der genaue Grund ist und das dann therapeutisch in den Griff zu bekommen. Operieren lasse ich mich nur, wenn es etwas wirklich Gravierendes ist. Solange ich fahren und ein gewisses Fitnesslevel halten kann, lasse ich mich sicher nicht operieren.

Bis wann reicht Ihre Karriereplanung?

Ich habe immer gesagt, dass ich bis Olympia 2026 in Mailand fahren möchte - wenn mein Körper mitspielt. Sollte ich merken, dass er nicht auf 100 Prozent läuft, weiß ich nicht, ob es mir reichen würde, mit 80 Prozent an den Start zu gehen. Darum ist es schwer vorauszusagen, was in vier, fünf Jahren sein wird. Aber es macht mir noch immer sehr viel Spaß. Natürlich sind die Druckmomente während der Saison zäh. Andererseits wünscht du dir genau diese Momente während der Sommerpause zurück. Da wirst du in gewisser Art und Weise süchtig danach.

Apropos Druck: Mit Merlin Surget und Eliot Grondin haben Sie zwei neue, sehr junge Kontrahenten bekommen...

...die mir das Leben in Zukunft sicher nicht leichter machen. Aber ich werde auch nicht stehen bleiben. Du brauchst ja immer Gegner, an denen du dich weiterentwickelst, die dir irgendwie Angst machen. Die dich motivieren weiterhin extrem hart an dir selbst zu arbeiten. Das war auch in der Vergangenheit mit Pierre Vaultier der Fall. Auch wenn ich ohne ihn bereits zwei Kristallkugeln mehr hätte, bin ich froh, dass er da war.

Vaultier hat wie Xavier de le Rue und nun auch Sie dreimal in Serie den Weltcup gewonnen. Vier Kugeln ensuite konnte aber noch kein Boardercrosser holen. Ein Ziel?

Daran habe ich am Tag nach dem Finale in Veysonnaz auch gedacht… (lacht). Das ist auf jeden Fall ein Ziel, auf das ich mit meinem Team hinarbeiten werde. Der Fokus in der nächsten Saison wird aber - wie schon in diesem Winter - mehr auf der Großveranstaltung, in dem Fall die Olympischen Spiele in Peking, liegen. Das heißt aber nicht, dass ich mich vor den Spielen im Weltcup zurücknehmen werde, nur weil ich in Peking ein ganz großes Ziel habe. Es ist auch gut fürs Selbstvertrauen, wenn du schon davor im Weltcup vorne mit dabei bist.

Welchen Stellenwert hätte eine Olympiamedaille?

Ich denke schon, dass sie noch eine Stufe über allem anderen stünde. Einerseits, weil die Spiele nur alle vier Jahre stattfinden. Andererseits, weil ich bei meinen bisherigen Starts mit den Rängen 17 und sieben noch nicht wirklich etwas erreichen konnte.

Ich glaube die Fußballer haben auch nicht größte Gaudi, dass sie 2022 in Katar um den WM-Titel kämpfen müssen.

Snowboardcross-Vizeweltmeister Alessandro Hämmerle

Dass die Spiele in China und damit sehr weit weg stattfinden, stört Sie nicht?

Natürlich würde ich lieber irgendwo bei uns in Europa fahren. Zumal meine ersten beiden Olympischen Spiele ja schon in Russland und in Südkorea stattgefunden haben. Jetzt auch noch nach China - das ist natürlich nicht mein unbedingtes Traumszenario. Aber ganz ehrlich: Die Spiele sind dort, wir müssen dorthin, es nützt nichts. Ich glaube die Fußballer haben auch nicht die größte Gaudi, dass sie 2022 in Katar um den WM-Titel kämpfen müssen. Aber den Pokal gibt es nun mal dort, jeder will den Pokal und darum gehen sie auch dorthin. Das liegt nicht in der Hand der Sportler.