Viele Missbrauchsfälle

Experten fordern: Kinder besser schützen!

Österreich
25.03.2021 06:00

Wer in Österreich mit Jugendlichen und Kindern arbeitet, tut dies nicht zwingend auf Basis einheitlicher Regeln. Das soll sich ändern. Um ein schützendes Umfeld für Kinder zu schaffen, braucht es rasches Handeln: Verbindliche Kinderschutzkonzepte für Kindergärten, Schulen, Sport- und Freizeitvereine sind ein Gebot der Stunde.

Der Leiter eines Jugendzentrums hat in den Jahren von 2000 bis 2018 sieben Buben im Alter von zehn bis 17 Jahren im Jugendtreff in Altach und auf Campingplätzen im Ausland missbraucht. Ein Welser Arzt missbrauchte 109 Buben sexuell. Ein Lehrer aus Tirol hat seit Sommer 2009 Dutzende Buben genötigt, missbraucht oder bei sexuellen Handlungen heimlich gefilmt.

„Diese medial bekannt gewordenen Fälle sind aber nur der Gipfel des Eisbergs. Fast jede Woche hören wir von neuen Gewalttaten an Kindern“, erklärt Astrid Winkler von der österreichischen Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Rechte der Kinder vor sexueller Ausbeutung (ECPAT). Unvorstellbar, was die Opfer durchgemacht haben müssen, während Eltern ihren Nachwuchs in Sicherheit wogen.

EU-Projekt „Safe Places“
Wer in Österreich mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, tut dies nicht zwingend auf Basis von einheitlichen Regeln, die den Schutz der Kinder garantieren sollen. Manche Institutionen haben klare Richtlinien, wie Kinder vor Gewalt geschützt werden können. Andere nicht. Auf diese Lücke machen Experten aus dem Feld der Kinderrechte immer wieder aufmerksam - darunter das Netzwerk Kinderrechte, ECPAT sowie die Kinderschutzzentren.

ECPAT Österreich koordiniert das von der Europäischen Union („Rights, Equality and Citizenship Programme“) geförderte Projekt „Safe Places“. Dabei sollen nicht nur in Kindergärten, Schulen und Wohngemeinschaften, sondern auch im Sport-, Kultur- und Freizeitbereich umfassende Kinderschutzkonzepte umgesetzt werden.

Es brauche Kinderschutzkonzepte, die anhand von klar definierten Richtlinien innerhalb der Organisation gemeinsam im Team erarbeitet werden. „Genau genommen ist ein Kinderschutzkonzept das zentrale Qualitätsmerkmal für Kinderschutz einer Organisation und quasi das Endprodukt eines organisationsinternen Prozesses, der den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt in den Mittelpunkt stellt und der unbedingt partizipativ, also miteinander statt nebeneinander, angelegt sein sollte“, erklärt Astrid Winkler, Geschäftsführerin von ECPAT Österreich. „Und wenn Mitarbeitende in einer Struktur sensibilisiert und trainiert sind, können dadurch eher Kinder entdeckt werden, die zu Hause oder anderswo Gewalt erleben.“

Minderjährige müssen besser geschützt werden. Kinderschutzkonzepte sollen eine verbindliche Grundlage für Organisationen, die mit Minderjährigen arbeiten, darstellen. Eine rechtliche Analyse von Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Mazal, Leiter des Österreichischen Instituts für Familienforschung an der Uni Wien, sieht eine diesbezügliche gesetzliche Verankerung für möglich und umsetzbar.

„EinheitlicheSchutzkonzepte und Standards jetzt umsetzen“
„So wie jeder Betrieb ein Arbeitnehmerschutzkonzept haben muss, sollte jede Organisation ein Kinderschutzkonzept haben“, betont Mazal im Gespräch mit der „Krone“.

„Krone“: In welchen Gesetzen und weiterführenden Bestimmungen ist der Kinderschutz in Österreich geregelt?
Wolfgang Mazal: Kinderschutz ist in Österreich in zahlreichen Gesetzen punktuell geregelt, doch fehlt eine bundesweit einheitliche Regelung, die den Betreibern von Einrichtungen, die mit Kindern und Jugendlichen Kontakt auf Basis ihres Geschäftsmodells haben, eine explizite Verpflichtung zur Etablierung und Weiterentwicklung von Konzepten und Richtlinien zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vorschreibt.

Wie ließe sich ein Bundeskinderschutzgesetz am besten im gesetzlichen Rahmen Österreichs verwirklichen?
Ein Bundeskinderschutzgesetz, das den Kinderschutz sowie die Hilfe für Kinder und Jugendliche umfassend regelt, ist in Österreich aufgrund der derzeitigen bundesverfassungsrechtlichen Kompetenzlage nicht möglich, weil die Regelung des öffentlichen Kinder- und Jugendschutzes derzeit Landessache in Gesetzgebung und Vollziehung ist. Für das Anliegen, Kinderschutzkonzepte und -richtlinien einzuführen und weiterzuentwickeln, kann jedoch eine bundesgesetzliche Regelung geschaffen werden, die sicherstellt, dass innerhalb aller Organisationen, die mit Kindern in einem weitesten Sinn „zu tun“ haben, Kinderschutz effektiv gewährleistet wird. Dieses Gesetz würde sich zwar aus Kompetenzgründen inhaltlich vom Deutschen Bundes-Kinderschutzgesetz unterscheiden, könnte jedoch ebenfalls als Bundes-Kinderschutzgesetz bezeichnet werden und mit dieser Bezeichnung eine deutliche Signalwirkung entfalten. Als Gesetz, das auf mehreren Bundeskompetenzen beruht, würde es dem Querschnittscharakter des Kinderschutzes adäquat Rechnung tragen.

Sie brechen damit auch persönlich als Vater und Großvater eine Lanze für Kinderschutz.
Ja! Wir alle sind es gewohnt, dass wir uns im täglichen Leben an Regeln zu halten haben. So müssen z.B. Unternehmen eine Vielzahl von Regeln umsetzen, wie etwa im Bereich des Arbeitnehmerschutzes, und das ist gut und richtig so. Standards zum Kinderschutz sollten genauso ernst genommen werden.

Susanne Zita
Susanne Zita
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