Wenn die Außentemperaturen wieder deutlich über den Gefrierpunkt klettern und man beim Spazierengehen die ersten Frühlingsboten entdeckt, stellt sich bei den meisten die Erleichterung ein, endlich die dunklen Monate hinter sich zu lassen. Heuer ist dies von besonderer Bedeutung - möchte man doch zudem dem schweren Corona-Gemüt entkommen. Experten warnen aber davor, den Frühling zum Retter in der Pandemie-Bekämpfung hochzustilisieren - denn wie vieles in Bezug auf das Coronavirus und seine Mutationen lässt sich auch eine Bremswirkung durch warme Temperaturen nur schwer prognostizieren.
Man wisse noch immer nicht „allzu viel“ über die Saisonalität von SARS-CoV-2, erklärte der Virologe Norbert Nowotny von der Veterinärmedizinischen Universität Wien gegenüber der APA. Unterschiedliche Wissenschaftler würden dazu unterschiedliche Dinge sagen. Er glaube nicht, dass es mit steigenden Temperaturen weniger Infektionen geben werde: „Die Wärme alleine macht es nicht aus.“ Wenn es im Frühjahr und Sommer geringere Infektionszahlen gebe, sei das eher ein „indirekter Effekt“ - weil die Menschen im Sommer mehr draußen sind.
Nowotny erinnerte an die drei Hauptübertragungswege: als wichtigster die Tröpfcheninfektion, also die direkte Ansteckung von Mensch zu Mensch über kurze Distanz, die Aerosole, also kleinste, luftgetragene Tröpfchen mit Viren, die nur in Innenräumen relevant seien, und schließlich die Möglichkeit einer Übertragung durch Schmierinfektionen, etwa über Türschnallen. Während bei Tröpfcheninfektionen die Saisonalität eines Virus „völlig egal“ sei, würden sich Übertragungen durch Aerosole und Schmierinfektionen nur in Innenräumen abspielen - wo ein Großteil der Ansteckungen passiere.
„Werden dieses Virus alle Jahre wieder im Herbst und Winter sehen“
Bis genügend Menschen eine Immunität gegen SARS-CoV-2 aufgebaut haben - sei es durch eine Infektion oder durch eine Impfung -, werde es eine von den Jahreszeiten unabhängige Pandemie sein, ist sich Nowotny sicher. „Dann werden wir - wie bei allen respiratorischen Infekten, die bevorzugt im Herbst und Winter vorkommen - dieses Virus alle Jahre wieder im Herbst und Winter sehen, ganz analog zur Influenza.“ Die geringen Fallzahlen im vergangenen Sommer seien darauf zurückzuführen, dass „zu diesem Zeitpunkt noch relativ wenig Virus in der Bevölkerung zirkuliert hat“. Das sei jetzt anders.
Umweltmediziner: „Nicht auf den saisonalen Effekt verlassen“
Laut dem Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der Medizinischen Universität Wien dürfte der erhoffte „saisonale Verlauf“ bei SARS-CoV-2 „deutlich weniger stark ausgeprägt sein als bei der Influenza“. Wichtig sei jedenfalls, sich nicht auf den saisonalen Effekt zu verlassen.
Ob der erhoffte Effekt eher am Einfluss höherer Temperaturen auf die Übertragungswege oder am geänderten Verhalten der Bevölkerung liegt, die in wärmeren Zeiten mehr nach draußen drängt, sei offen, sagte Hutter. Auch für die Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl von der MedUni Wien fehlt es momentan dazu an gesichertem Wissen und belastbaren Erkenntnissen. Simulationsforscher Niki Popper von der Technischen Universität Wien sieht eher einen Zusammenhang mit dem Ausmaß der Infektionsausbreitung zum Zeitpunkt des Wärmerwerdens.
Hygiene- und Abstandsregeln wirkungsvoller
Im Dezember hatten Forscher im Fachjournal „Pnas“ berichtet, dass sie Zusammenhänge zwischen sinkenden täglichen Wachstumsraten und erhöhter UV-Strahlung gefunden hätten, diese aber deutlich geringer ausgefallen seien als die Effekte der Hygiene- und Abstandregeln. Diese einzuhalten, darauf pocht auch Nowotny - und mehr: „Ich bin kein großer Fan der Maskenpflicht im Freien, aber in jenen Fällen, wo es nicht möglich ist, im Außenbereich den Abstand einzuhalten, wäre eine FFP2-Maske empfehlenswert.“
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