Dirty Talk

“Ich mach´s dir mexikanisch”

Wissenschaft
18.10.2004 22:14
Die deutsche Sprache wird immer schmutziger. Wörter und Redewendungen, die früher meist nur an den Wänden öffentlicher Toiletten und in Pornoschriften zu lesen waren, werden inzwischen überall, auch in seriösen Zeitungen, gedruckt; gesprochen wird so schon lange, ob im Fernsehen oder Film. Gewandelt hat sich damit allerdings auch noch etwa anderes: Die erotische Sprache hat an Vielfalt verloren, ist fantasieloser und banaler geworden.
Umfassend widmet sich diesem Sprachbereich dasneue Buch des Hamburger Philologieprofessors Christoph Gutknecht.Ein Hauptthema von "Ich mach's Dir mexikanisch. Lauter erotischeWortgeschichten" sind der Ursprung und der Wandel von Wörternin der Gemeinsprache, der Fachsprache, der Sondersprache, derRegionalsprache und den Dialekten. Das Buch, das gute Aussichtenhat, so etwas wie ein Standardwerk zu werden, vermittelt mit literarischenund anderen Beispielen auch einen Eindruck von der Variationsbreiteder Beschreibung von Sexuellem. 
  
Wo man hinschaut - Sex! 
Eine erhebliche Einschränkung hat sie in denvergangenen Jahrzehnten allein schon durch das englische Wortfür Geschlecht - Sex - erfahren. Es findet sich inzwischenauch in ungezählten Zusammensetzungen - von Sexbombe, Sexmuffel,Sexwelle, Sexshop und Sexfilm bis Sextourismus, Gruppensex undTelefonsex. Eine Zeitungsschlagzeile nannte kürzlich einedeutsche Olympiateilnehmerin die Sex-Göttin des Athener Publikums.
  
Sogar Autos sind sexy!? 
Besonderer Konjunktur erfreut sich das Wort sexy . Frauen sind sexy oder nicht, Männer neuerdings ebenfalls.Eine Umfrage stellte unlängst fest, welche weiblichen undmännlichen Vornamen als sexy gelten. Selbst Autos könnensexy sein. Der inhaltsarme Begriff hat offenbar fast unbegrenzteAusbreitungsmöglichkeiten. 
  
Neben der Enttabuisierung der sexuellen Sphäreund der entsprechenden größeren sprachlichen Freizügigkeithaben sich aber auch neue Zurückhaltungen entwickelt. Sosind früher übliche spöttische und abschätzigeKennzeichnungen homosexueller Praktiken zumindest aus der öffentlichenSprache verschwunden. Hauptgrund offenbar: die veränderteBeurteilung der Homosexualität. 
  
"Huren" nicht mehr anstößig
Die Prostitution ist zwar weiterhin auch ein Bereichbesonders üppiger sprachlicher Mannigfaltigkeit. Doch wirdneuerdings, wohl wegen ihrer gewandelten sozialen Einschätzung,hier ebenfalls eine größere Zurückhaltung beisprachlichen Kennzeichnungen deutlich. Auch Wortbedeutungen habensich verändert. Dass es inzwischen Huren- Organisationengibt, könnte zeigen, dass das Wort nicht mehr als abwertendund anstößig gedeutet wird. Bei anderen Worten wieGunstgewerblerin, Straßenmädchen, Liebesdienerin undCallgirl gilt dies ohnehin seit langem nicht mehr. 
  
Für den neuerlichen Bedeutungswandel einzelnerWörter ist "geil" ein besonders anschauliches Beispiel. Dieältere Bedeutung im Sinne von üppig wuchernd, etwa beiReben, trat zunächst fast völlig hinter der sexuellenKonnotation zurück. Der jetzt aktuelle, zuerst von Jugendlichenbevorzugte und dann allgemein akzeptierte Gebrauch im Sinne vontoll, lustig, großartig und aufregend greift die alte Bedeutungunbewusst nun wieder auf. 
  
Die Gewöhnung an stereotype und auch vulgäreSprache hat die früher häufig andeutende und verhüllendeverdrängt oder überflüssig gemacht. Bei alledemaber ist auch weiterhin geistvolle oder auch unvulgär-witzigeSprache beliebt. Da finden sich flotte Sprüche wie "Liebernett im Bett als cool auf dem Stuhl". Oder auch Schüttelreimewie "Nicht selten liest die prüde Rosa im Bette heimlichrüde Prosa". Auch Kalauer sprechen sich schnell herum, wieder von dem Mädchen, das sagte: "Französisch kann ichperfekt, nur mit der Sprache hapert es noch." Auch aus der "klassischen"Literatur wird gelegentlich gern zitiert. So aus Erich Kästners"Herz auf Taille" (1928): "Da hat mir kürzlich und mittenim Bett / eine Studentin der Jurisprudenz erklärt: / Jungfernschaftsei, möglicherweise, ganz nett, / besäß aber kaumnoch Sammelwert..." 
  
Was ist eigentlich "mexikanisch"? 
Eine Definition der Geschlechtsverkehr-Variante,die dem Buch Gutknechts den Titel gab, steht in der einschlägigenLiteratur noch aus. Erstmals erwähnt wurde sie 1969 von demAutor Ernst Bloch. Ein Schauspieler kam nachts auf dem Nachhausewegin Wien durch eine Hurengasse, in der ihm aus einem engen Hausein Mädchen nachrief. "Schau, sei net blöd, komm her,ich mach dirs mexikanisch." Doch er ging weiter. Nach einigenStraßen fragte er sich, was es wohl gemeint haben könnte.Er ging zurück, fand das Haus aber nicht mehr - und fragtsich seitdem vermutlich, was er verpasst haben könnte. 
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